Unterrichtsausfall wegen Direktoratssitzungen, Einschüchterungsversuch gegen den Schülersprecher, Zensur der Kabarettgruppe, Abstrafung kritischer Lehrerkollegen: Das sind die Vorwürfe gegen den Schulleiter des Schweinfurter Bayernkollegs, Peter Rottmann. Der will sich zu keinem der Vorwürfe äußern und begründet das mit dem „Datenschutz“.
„Seit der Übernahme der Schulleitung durch Herrn Rottmann vor drei Jahren herrschen hier unzumutbare Zustände“, schreibt eine Lehrkraft in einer E-Mail an diese Redaktion. „Mittlerweile weiß ich mir nicht mehr anders zu helfen, als Sie, also die lokale Presse, zu kontaktieren.“
Es sei an der Tagesordnung, dass Mitglieder des Kollegiums oder der Verwaltung unter Druck gesetzt, gemobbt oder abgestraft würden, heißt es weiter. Letztes Jahr habe eine Schülerin am Abi-Ball in einer „sehr kritischen Rede“ Missstände an der Schule angesprochen und Rottmann stark kritisiert – worauf der für dieses Jahr vorgesehene Abi-Redner „massiv unter Druck gesetzt“ worden sei, damit „so etwas nicht nochmal passiert und der Ministerialrat aufmerksam wird“. Er wurde trotzdem aufmerksam gemacht – durch den Schülersprecher Roland Schebendach.
In einer E-Mail informierte dieser Ministerialrat Robert Gruber, der an der Abiturfeier teilgenommen hatte, über ausgefallenen Deutschunterricht wegen Sitzungen des „offenen Direktorats“ für Lehrer – während der Unterrichtszeit. Sprechstunden für die Schülermitverwaltung seien in abiturrelevanter Unterrichtszeit angesetzt worden. Dass die Theatergruppe zur Abifeier 2014 das Schulleben kabarettistisch darstellte, sei für die Schulleitung eine Grenzüberschreitung gewesen. Bei der Weihnachtsfeier 2014 habe die stellvertretende Schulleiterin moniert, dass in einem Poetry-Slam-Text die Schulleitung kritisiert worden sei.
Anfang Februar hat die Theatergruppenleiterin den Job nach zwölf Jahren hingeworfen. Im Januar hatte sie dem Vernehmen nach einen Termin mit der Schulleitung. Laut Schebendach wurde eine Schülersprecherin von der Schulleitung aufgefordert, die Diskussion über ein mögliches neues Theater-Format auf Facebook zu verfolgen und gegebenenfalls richtigzustellen – was diese abgelehnt habe. Und: Schulleiter Rottmann habe heuer an keiner Kabarettaufführung teilgenommen.
Abi-Redner drangsaliert

Schebendach informierte den Ministerialrat auch, dass er am 16. Juni vor Schulleiter, Stellvertreterin, Personalrätin und Oberstufenkoordinatorin ein Schriftstück mit der Überschrift „Schulische Reden und Aufführungen“ unterschreiben musste. Diese unterlägen dem Datenschutz, heißt es darin, der Einzelne dürfe „in seinem Persönlichkeitsrecht nicht verletzt werden (§ 1 BDSG)“. Deshalb seien „beleidigende Äußerungen bzw. diffamierende Darstellungen zu unterbleiben (vgl. § 185 StGB Beleidigung)“. Bei „Unklarheiten bezüglich der Einhaltung des verbindlichen rechtlichen Rahmens“ sei „im Vorfeld die Schulleitung zu kontaktieren“. Ihm sei „dringend angeraten“ worden, die Rede vorab von der Oberstufenkoordinatorin lesen und absegnen zu lassen, so dass diese dann die Verantwortung für den Inhalt trage. Das habe allerdings auch die Lehrkraft abgelehnt.
Schebendach unterschrieb damals unter dem Eindruck des Vierergremiums, vor dem er saß. Dem Ministerialrat teilte der 27-jährige Schülersprecher und Abi-Redner in seiner Mail aber auch mit, dass er diese Situation als „extremen Druck empfunden“ und „überlegt habe, rechtlich gegen den Schulleiter vorzugehen“. Eine „kritische“ Rede hielt der Schülersprecher trotzdem. Vor allen tat er kund, ihm sei bedeutet worden, „dass ein gewisser Zweifel bestünde, ob ich denn in der Lage sei eine ,angemessene Rede' für den feierlichen Rahmen der Abiturfeier und somit eines repräsentativen Auftritts des Bayernkollegs zu halten“.

Das Kultusministerium bestätigt auf Anfrage nur, dass Ministerialrat Robert Gruber an der Abiturfeier teilgenommen hat. Kein Wort zum Inhalt der Gespräche mit Schulleiter, Schülern und Lehrern. Zwei Wochen später war die Ministerialbeauftragte (MB) für die Gymnasien in Unterfranken, Monika Zeyer-Müller, mit zwei Mitarbeitern im Hause. Worum es ging, verrät auch die gymnasiale Schulaufsicht nicht. Sie schweigt eisern – wie das Ministerium.
Doch nicht nur in der Schülerschaft herrscht Groll über die Leitung, wie dies der Schülersprecher bereits Ende Februar im Schulforum deutlich gemacht hatte. Er wünschte sich damals „mehr Mitspracherecht, mehr Aufklärung bzw. Stellungnahmen“ und „einen erwachsenengerechten Umgang“. Lehrkräfte berichten über Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe von Anrechnungsstunden und Funktionsstellen unter Bevorzugung von Mitgliedern des Personalrats. Eine Lehrerin – die Ex-Leiterin der Theatergruppe – sei in diesem Schuljahr acht Stunden ans Alexander-von-Humboldt-Gymnasium (AvH) abgeordnet und ihr Einspruch abgeschmettert worden.
„Autoritärer Führungsstil“
Dass die Bayernkolleg-Schulleitung den 27-jährigen Abi-Redner derart unter Druck gesetzt hat, sei empörend, meint eine Lehrkraft. Dass dabei kein Verbindungslehrer anwesend war, spreche für sich. Volljährige Schüler müssten ihrer Reife entsprechend an der Gestaltung des Schullebens beteiligt werden.
Fazit des derzeitigen Zustandes: „Die Stimmung an unserer Schule ist vergiftet“, so die Lehrkraft. Eine reibungslose Kommunikation zwischen Kollegium/Schülerschaft und Schulleitung finde nicht statt. Und: „Der Führungsstil ist unangemessen autoritär.“ Eine Aussprache sei dringend nötig, die aber müsse „auf einer Metaebene stattfinden“. Ob die Beteiligten dazu in der Lage seien, müsse sich zeigen. Schulleiter Rottmann hatte Gelegenheit, zu alledem Stellung zu nehmen. Er beantwortete keine einzige Frage. „Schulinterne Angelegenheiten“ kommentiere er grundsätzlich nicht – „aus Gründen des Datenschutzes“.
Das Bayernkolleg
Das Bayernkolleg in Schweinfurt ist ein staatliches Gymnasium des zweiten Bildungswegs, das junge Erwachsene mit abgeschlossener Berufsausbildung in drei Jahren zur allgemeinen Hochschulreife führt. Die Schüler sind alle volljährig. Seit 1967 haben am Bayernkolleg laut Internetseite der Schule 1700 Absolventen ihr Abitur bestanden. 39 Lehrkräfte unterrichten derzeit rund 300 Schüler.
In Bayern gibt es neben Schweinfurt fünf weitere Kollegs in München, Nürnberg, Augsburg, Bamberg und Wolfratshausen. TEXT: fan