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Schweinfurt: An die Bombardierung Schweinfurts am 14. Oktober 1943 erinnert: 229 schwere US-Bomber luden ihre tödliche Fracht ab

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An die Bombardierung Schweinfurts am 14. Oktober 1943 erinnert: 229 schwere US-Bomber luden ihre tödliche Fracht ab

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    –Auch die Luitpoldstraße wurde schwer getroffen - das Bild soll die Löscharbeiten im Oktober 1943 zeigen.
    –Auch die Luitpoldstraße wurde schwer getroffen - das Bild soll die Löscharbeiten im Oktober 1943 zeigen. Foto: Uhlenhuth

    Einen subversiven Abgesang auf die Nazipropaganda hatte es mehr als eine Woche vor dem großen Sterben gegeben. Das Schweinfurter Publikum soll begeistert mitgesungen haben. Erfolgssängerin Lale Andersen war am 3. und 4. Oktober 1943 im Evangelischen Gemeindehaus aufgetreten, mit ihrem Evergreen "Lili Marleen" und diskret. Die NS-Zensur mochte das "morbide", "depressive" und "wehrkraftzersetzende" Soldatenlied nicht, das auf allen Seiten der Front populär war, über ein im Krieg getrenntes Liebespaar.

    Am 14. Oktober, um 14.40 Uhr, bei schönstem Sonnenschein, erreichten 229 schwere US-Bomber B-17 die Rüstungshochburg am Main, von wo aus mehr als die Hälfte der deutschen Kugellagerproduktion an die Front geworfen wurde. Die Luftschlacht, der zweite von 22 Angriffen, endete für beide Seiten im Debakel. Mehr als 60 "Fliegende Festungen" wurden abgeschossen, an die 600 Amerikaner starben. Am Boden ließen 276 Zivilisten ihr Leben, darunter 78 "Fremdarbeiter".

    Feierstunde am Luftkriegsdenkmal

    Am Luftkriegsdenkmal wurde der Opfer des verheerenden Angriffs vom 14.Oktober 1943 gedacht, mit Zeitzeugen und Ehrengästen aus Militär, Politik und Kirchen.
    Am Luftkriegsdenkmal wurde der Opfer des verheerenden Angriffs vom 14.Oktober 1943 gedacht, mit Zeitzeugen und Ehrengästen aus Militär, Politik und Kirchen. Foto: Uwe Eichler

    In einer Feierstunde am Luftkriegsdenkmal, ebenfalls bei freundlichem Herbstwetter, wurde 80 Jahre später aller Opfer gedacht. "Lili Marleen" wurde hochkarätig interpretiert, vom Blechbläserquintett des Heeresmusikkorps Kassel. "The Last Post" dürfte manchen Schweinfurter an den Zapfenstreich erinnert haben, der bis 2014 allabendlich in der US-Garnison zu hören war. "Ich hatt´ einen Kameraden" erklang ebenso wie der beswingte Jazz-Standard "It don´t mean a thing".

    1998 haben ehemalige Luftwaffenhelfer und Vertreter der amerikanischen Gedenkorganisation SSMA das Mahnmal vor dem Spitalseebunker eingeweiht. Ehrenbürger Georg Schäfer, selbst ehemaliger Flakhelfer, war einer der Initiatoren der Aussöhnung.

    Nur noch wenige Zeitzeugen

    Oberbürgermeister Sebastian Remelé begrüßte die rar gewordenen Zeitzeugen und zahlreiche Ehrengäste, darunter Colonel Aaron B. Dixon aus Ansbach, der selbst noch in der Big Red One, der ehemals in Schweinfurt stationierten 1. Infanterie-Division, gedient hat. Auf Englisch betont Remelé die "starke Brücke zwischen den Nationen", als "freundschaftliche Allianz ehemaliger Feinde, die heute mehr gebraucht werde als zuvor." Der OB erinnerte an den Zusammenhalt im Kalten Krieg ebenso wie im Ukrainekrieg, an die Partnerstadt Luzk sowie die Terrorangriffe in Nahost, "durch islamistische Fanatiker".

    Dekan Oliver Bruckmann und Domkapitular Christoph Warmuth übernahmen den geistlichen Teil: "Alle haben gesündigt und ermangeln des Ruhmes", heißt es im Versöhnungsgebet von Coventry, das 1940 schwer bombardiert worden ist, durch die Luftwaffe. Gebetet wurde für einen gerechten Frieden und die Schwächsten als Hauptopfer jeden Krieges.

    Spurensuche-App vorgestellt

    In der Kunsthalle gab es zwei gut besuchte Vorträge über den Schwarzen Donnerstag 1943, unter anderem mit dem Start einer Spurensuche-App.
    In der Kunsthalle gab es zwei gut besuchte Vorträge über den Schwarzen Donnerstag 1943, unter anderem mit dem Start einer Spurensuche-App. Foto: Uwe Eichler

    "Black Thursday – Bomben auf Schweinfurt", heißt die Spurensuche-App offiziell, die im Anschluss in der gut besuchten Kunsthalle vorgestellt wurde. Stadtarchivar  Gregor Metzig erinnerte daran, dass man von konkreten Räumen und Menschen spreche: "Wir wollen junge Leute animieren, die Stadt mal anders kennenzulernen." Dank App (www.stadtarchiv-schweinfurt.de) und QR-Codes sind nun Originalschauplätze erlebbar, an bislang 13 Stationen.

    Die bombardierte Rathaus-Umgebung 1943, im Fotoalbum von Hans Uhlenhuth.
    Die bombardierte Rathaus-Umgebung 1943, im Fotoalbum von Hans Uhlenhuth. Foto: Hans Uhlenhuth/Stadtarchiv

    Basis der App war der Stadtplan von 1938, auf dem es noch eine Adolf-Hitler-Straße, statt der Spitalstraße, aber keine Panzerkaserne gab, aus Gründen der Geheimhaltung. Auch für die Amerikaner sei die Zeit noch sehr präsent: "Masters of the Air" nennt sich ein Mini-Serien-Projekt von Steven Spielberg und Tom Hanks, in dem es auch um Schweinfurt gehen soll.

    Ein zeitgenössisches Foto nach dem Oktober-Luftangriff, aus dem Album von Hans Uhlenhuth, der die Zerstörungen offiziell dokumentieren sollte.
    Ein zeitgenössisches Foto nach dem Oktober-Luftangriff, aus dem Album von Hans Uhlenhuth, der die Zerstörungen offiziell dokumentieren sollte. Foto: Hans Uhlenhuth/Stadtarchiv

    Pfarrer Dieter Schorn (90) zählt zu den letzten Zeitzeugen, er hat einen eindringlichen O-Ton gesprochen. In der Stadt gab es Fieslinge, wie den mächtigen NSDAP-Kreisleiter Wilhelm Weidling, der sich in der Rückertstraße 2 eingenistet hatte, in der Kanzlei des emigrierten jüdischen Rechtsanwalts Felix Brandis. Es gab stille Helden, wie den Landesschützen Andreas Bauer, von der Widerstandsgruppe "Gelbe Birke", die Kriegsgefangenen geholfen hat. Lili Marleen, Fußballstars, Mitläufer, Chronisten, Bunker als Geburtsorte (oder Notgefängnis): Sie alle haben dank App ihren Auftritt. Ein Farbfilm von 1945 dokumentiert die Zerstörung der Stadt.

    OB Sebastian Remelé, Colonel Aaron B. Dixon sowie der ehemalige Pressesprecher der US-Garnison Schweinfurt, George Ohl,  vor dem Luftkriegs-Mahnmal.
    OB Sebastian Remelé, Colonel Aaron B. Dixon sowie der ehemalige Pressesprecher der US-Garnison Schweinfurt, George Ohl, vor dem Luftkriegs-Mahnmal. Foto: Uwe Eichler

    Über den historischen Rahmen berichtet Harald Potempa, Militärhistoriker in Potsdam. Der Luftkrieg gegen Material und Moral hatte 1943 längst System: "Schweinfurt ist überall". Bomberoffensiven waren schon im Ersten Weltkrieg geplant worden. Novemberrevolution 1918 und Dolchstoßlegende hatten zur fatalen Meinung geführt, wonach im nächsten Krieg der deutsche Durchhaltewille brutal sichergestellt (durch die NS-Diktatur) oder aber gebrochen werden müsse (durch alliierte Massenbombardierungen).

    Es geht um die Logik von Bomberströmen oder Flugabwehr (Flak) und die Stimmung am Boden. Laut Spitzelberichten beklagten 10.000 obdachlose Schweinfurter ihr Ende als "Industriemenschen", mit Rüstungsverlagerung und Furcht der Arbeiter vor Einberufung. Eines war den Volksgenossen nach dem Angriff vom 14. Oktober klar, so Potempa: "Mit der Vergeltung werde es wahrscheinlich nichts."

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