Zum Hintergrund: 1978 und 1979 wurden in der ehemaligen DDR mehrere tausend Frauen nach der Geburt von Kindern einer so genannten "Anti-D"-Immunprophylaxe unterzogen. Mit dem Immunglobulin-Präparat, dessen Abgabe in der DDR gesetzlich zwingend vorgeschrieben war, sollte bei späteren Schwangerschaften eine Rhesusfaktor-Unverträglichkeit zwischen Mutter und Kind vermieden werden. Einige Chargen der an die Geburtsstationen verteilten "Anti-D"-Immunprophylaxe, hergestellt aus menschlichem Serum, waren allerdings mit dem Hepatitis-C-Virus verunreinigt.
Rund 7000 Frauen wurden infiziert, zu ihnen gehört Gudrun Englert aus Lindach. Die DDR gewährte den überlebenden und schwer kranken Frauen eine Einmalzahlung und eine monatliche Rente, die sich in der Höhe nach dem individuellen Grad der Schädigung richtete. Die in der DDR gewährte Entschädigungsregelung wurde im deutsch-deutschen Einigungsvertrag übernommen. Die Entschädigung der betroffenen Frauen erfolgt seit dem Jahr 2000 auf Grundlage des "Gesetzes über die Hilfe für durch Anti-D-Immunprophylaxe mit dem Hepatitis-C-Virus infizierte Personen" (kurz: AntiDHG).
Durch den medizinischen Fortschritt in der antiviralen Therapie konnte Hepatitis C bei den meisten betroffenen Frauen inzwischen geheilt werden. Die ärztlichen Erfolge hatten aber eine dramatische Folge, mit der die geheilten Frauen nicht rechnen konnten: Die monatlichen Entschädigungsleistungen wurden gekürzt oder fielen ganz weg, weil die Frauen jetzt genesen seien oder der Grad der Schädigungsfolgen (GdS) zurückgegangen sei. Gudrun Englert gründete den "Bundesverband HCV-geschädigter Frauen" mit Sitz in Chemnitz. Ihr Ziel: Den Opfern der Arzneimittelstraftat vor über 40 Jahren zu ihrem Recht zu verhelfen, insbesondere denen, denen jetzt die Rente gestrichen wurde.
Englerts langjähriger Kampf war schließlich vom Erfolg gekrönt. Am 1. Januar 2020 trat eine Änderung des "Anti-D-Hilfegesetzes" in Kraft. Neu eingefügt in den Gesetzestext wurde ein Paragraf, der den Bestandsschutz regelt. Danach erhalten die betroffenen Frauen nun auch weiterhin rückwirkend ihre monatliche Rente in der Höhe des GdS vor der Rückstufung oder der Entziehung der Rente. Frauen, die in den Genuss der neuen Regelung kommen wollen, müssen einen Antrag stellen und zwar beim bisherigen Rentenzahler, das ist der Kommunale Sozialverband des früheren Wohnorts in den östlichen Bundesländern.