"Uns wurde der hochradioaktive Müll aufs Auge gedrückt", sagt Christian Keller, Bürgermeister von Grafenrheinfeld im Landkreis Schweinfurt. Anlässlich des "3. Forums Endlagersuche" des Bundesamtes für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) Ende November in Würzburg forderte Keller jetzt einen finanziellen Ausgleich für die Lagerung des Atommülls in Grafenrheinfeld.
Denn solange kein Endlager gefunden ist, so lange wird die 3500-Einwohner-Gemeinde in Unterfranken wohl einer von 16 Zwischenlager-Standorten in Deutschland bleiben. Doch was genau befindet sich in Grafenrheinfeld und wie gefährlich sind die Abfälle? Wie lange halten die Castorbehälter und wie gut sind sie gegen Sabotage oder Terrorismus geschützt?
Antworten auf wichtige Fragen gibt die BZG Gesellschaft für Zwischenlagerung mbH.
Welche Atom-Abfälle lagern in Grafenrheinfeld?
In Grafenrheinfeld gibt es zwei Zwischenlager: das Brennelemente-Zwischenlager (BZR) für hochradioaktive Abfälle sowie das Abfall-Zwischenlager (AZR) für schwach- und mittelradioaktive Abfälle.
Die gefährlichsten Teile lagern in 54 Castorbehältern im BZR: die abgebrannten Brennelemente aus dem Atomkraftwerk Grafenrheinfeld (AKW) aus den Jahren 1982 bis 2015. Seit 1. Januar 2019 ist die BGZ als Betreibergesellschaft für das Zwischenlager verantwortlich.
Verpackte schwach- und mittelradioaktive Abfälle lagern im AZR, das im Mai 2021 in Betrieb ging. Dort werden Reststoffe aus dem Betrieb und dem Rückbau des AKW zwischengelagert, zum Beispiel kontaminierte Anlagenteile, Werkzeuge, Schutzkleidung oder verbrauchte Filter.
Die schwach- und mittelradioaktiven Abfälle sollen später einmal im Endlager Konrad, einem stillgelegten Eisenerz-Bergwerk im niedersächsischen Salzgitter, auf Dauer unter der Erde verschwinden. Wann und wo ein Endlager für die hochradioaktiven Abfälle gefunden ist, ist aktuell nicht absehbar.
Wie gefährlich ist das hochradioaktive Material in Grafenrheinfeld?
88 Stellplätze für Behälter mit maximal 800 Tonnen Schwermetall wären im Brennelemente-Zwischenlager in Grafenrheinfeld erlaubt. Aktuell eingelagert sind 54 Castorbehälter mit 509 Tonnen Schwermetall. Die weiteren 34 Stellplätze sollen dauerhaft leer bleiben, sagt BGZ-Sprecher Stefan Mirbeth.
Ein Behälter vom Typ CASTOR V/19 ist etwa 6 Meter hoch, rund 2,5 Meter breit und wiegt unbeladen annähernd 100 Tonnen. Mit abgebrannten Brennelementen beladen kann ein Behälter bis zu 120 Tonnen wiegen. Jeder Behälter in Grafenrheinfeld ist unterschiedlich beladen.
Laut Genehmigung darf jeder Behälter Material mit einer Radioaktivität von bis zu 1,2 Trillionen Becquerel (Kernzerfälle pro Sekunde) enthalten. In Grafenrheinfeld liege das Aktivitätsinventar der Behälter deutlich unter der genehmigten Menge, teilweise sei die Aktivität bis zu 30 Prozent geringer, so der BGZ-Sprecher.
Zum Vergleich: Bei dem bislang schwersten Reaktorunglück im April 1986 wurden in den ersten beiden Wochen mehrere Trillionen Becquerel freigesetzt und über ganz Europa verteilt. In Grafenrheinfeld lagert also ein Vielfaches an Radioaktivität im Vergleich zu dem, was vor Jahrzehnten bei der Tschernobyl-Katastrophe freigesetzt wurde.
"Umso wichtiger ist, dass wir die Suche nach einem Endlager in Deutschland beschleunigen", sagt BGZ-Sprecher Mirbeth.
Was passiert, wenn die Castorbehälter im Jahr 2046 ihren TÜV-Stempel verlieren?
Das Zwischenlager in Grafenrheinfeld ist auf 40 Jahre befristet, 2046 verlieren die Castorbehälter ihren TÜV-Stempel. "Die Befristung war eine politische Festlegung mit Blick auf die ursprünglich geplante und mittlerweile verworfene Endlagerung am Standort Gorleben", erklärt der BGZ-Sprecher. Technische Gründe, etwa eine "begrenzte Haltbarkeit" der Behälter, gebe es nicht.
Wie viele Jahre die Behälter tatsächlich halten, darauf gibt es bislang keine Antwort. Aktuell läuft Mirbeth zufolge ein "umfassendes Forschungsprogramm" zu den Alterungseffekten der Behälter, der Dichtungen, der Deckel und der Brennelemente.
Darüber hinaus würden die technischen Sachverständigen der atomrechtlichen Aufsichtsbehörden die Zwischenlagerung fortlaufend überwachen.

Wie gut ist das Zwischenlager in Grafenrheinfeld vor Sabotage oder Terroranschlägen geschützt?
Die Zwischenlager "zählen zu den bestgesicherten Anlagen in Deutschland", sagt der Sprecher der BZG Gesellschaft für Zwischenlagerung. Vorkehrungen gegen Erdbeben, Brände oder Blitzeinschläge seien ebenso getroffen wie gegen "zivilisatorisch bedingte Risiken".
So hat das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) zum Beispiel die Folgen eines gezielten Flugzeugabsturzes auf ein Zwischenlager untersucht. Das Ergebnis: Eine Gefährdung sei ausgeschlossen.
Jedes Zwischenlager in Deutschland sei außerdem gegen mutwillige Beschädigung, gezieltes Eindringen oder die Entwendung von Kernbrennstoffen geschützt. Die "umfangreichen Schutzmaßnahmen" - baulich, technisch und personell - würden regelmäßig von Sicherheitsbehörden überprüft und angepasst, sagt BGZ-Sprecher Stefan Mirbeth. "Die Details der Abwehrmaßnahmen unterliegen der Geheimhaltung, weil nur so ein wirksamer Schutz der Zwischenlager gewährleistet ist."
Wie viel kostet die sichere Lagerung des Atommülls?
Die Kosten für die Zwischenlagerung auf dem 3,7 Hektar großen Areal in Grafenrheinfeld betrugen im Jahr 2023 rund 19,6 Millionen Euro. Davon waren 9,4 Millionen Euro Betriebskosten (Personal, Bewachung, Betriebsmittel, Sonstiges) und 10,2 Millionen Euro Investitionen.
Die Kosten wurden vom KENFO, dem Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung, übernommen. Der KENFO ist der erste deutsche Staatsfonds und die größte öffentlich-rechtliche Stiftung in Deutschland. 24 Milliarden Euro hatten die Betreiber der Kernkraftwerke eingezahlt.