"Seelsorge ist immer schwierig, wo Begegnungen eingeschränkt sind." So beschreibt der evangelische Dekan Oliver Bruckmann aus Schweinfurt die derzeitige Situation, wie er als Seelsorger mit der Corona-Pandemie umgeht. Viele Menschen seien verständlicherweise vorsichtig und hielten sich in der Pandemie eher zurück, hat Bruckmann beobachtet. "Als Seelsorger versuche ich, auf Menschen zuzugehen, ihre Fragen, Ängste und Sorgen zu verstehen und mit ihnen darüber ins Gespräch zu kommen." Und dies funktioniere auch über Mail, per Telefon oder im Videomeeting.
Ähnlich sieht es auch Pfarrer Stefan Kömm, der Leiter der Pfarreiengemeinschaft Niederwerrn-Oberwerrn und neu gewählter Dekan für das katholische Dekanat Schweinfurt. "Die aktuelle Situation ist für mich und viele andere Seelsorgerinnen und Seelsorger eine große Herausforderung." Auf der einen Seite sei für viele Gläubige wichtig, gerade jetzt eine Stück Beistand und Halt von ihrer Kirche zu bekommen, auf der anderen Seite sei wegen Corona körperliche Distanz und Vorsicht angesagt. "Wohnungen betrete ich nach wie vor selten. Und Seelsorgsgespräche führe ich jetzt mit Abstand im großen Pfarrheim oder im Freien beim Gehen", so Kömm.
Bruckmann: "Ich bin selbst geimpft und finde das sinnvoll"
Wie stehen die beiden christlichen Kirchen zum Thema Impfen und Impfpflicht? "Ich bin selbst geimpft und finde das sinnvoll", betont Oliver Bruckmann, "ich schütze damit mich und andere." Die Wahrscheinlichkeit, schwer an Corona zu erkranken, sinke durch eine Impfung erheblich. Wenn Medizin und Politik eine generelle Impfpflicht für effektiv halten sollten, würde er die Impfpflicht auch unterstützen – aber nur sofern ein Ende der Pandemie nicht schon anderweitig absehbar sei. Der Dekan sagt auch ausdrücklich: "Ich bin gegen eine partielle Impfpflicht nur im Bereich der Pflege, weil ich diese dadurch gefährdet sehe."
Seitens der Katholischen Kirche bestehe die klare Empfehlung, sich impfen zu lassen, macht Stefan Kömm deutlich. Sowohl Papst Franziskus als auch der Würzburger Bischof Franz hätten bereits zum Impfen aufgerufen. "Einige Pfarrgemeinden in unserem Dekanat haben ihre Räumlichkeiten auch für Sonder-Impfaktionen zur Verfügung gestellt oder selbst welche organisiert und beworben."
Fakten sind nicht ganz klar
Ob eine allgemeine Impfpflicht richtig sei, sei hingegen schwierig zu beantworten, so Kömm. Das liege daran, dass die Fakten nicht ganz klar seien: "Mit welcher Wahrscheinlichkeit schützt die Impfung vor eigener Ansteckung, davor andere anzustecken und vor schweren Verläufen? Wie stark reduziert sie das Risiko angesichts der Omikron-Variante und wie hoch ist voraussichtlich der Schutz bei in der Zukunft neu auftretenden Varianten?" Es brauche hier eine Abwägung zwischen den individuellen Freiheitsrechten, der sozialen Verantwortung und dem Gemeinwohl, betont der Dekan.

"Ich persönlich bleibe – was die Impfpflicht angeht – eher skeptisch", gibt Kömm zu. Eine generelle Impfpflicht sei ein zu schwerwiegender Eingriff in die persönlichen Freiheitsrechte, besonders in das Recht auf körperliche Integrität. Gerade im medizin-ethischen Bereich sei das "Prinzip der informierten Zustimmung" ein Standard geworden, den man auch hier nicht unterschreiten sollte. Er bezweifle zudem, dass sich ganz viele Ungeimpfte am nächsten Tag zum Impfzentren aufmachen, nur weil der Bundestag ein neues Gesetz beschlossen hat.
Kein Verständnis für Gewalt
Zu den so genannten "Spaziergängen" von Gegnern der Corona-Maßnahmen, die nicht nur in Schweinfurt, sondern auch in mehreren anderen Orten der Region derzeit stattfinden, hat Oliver Bruckmann eine klare Meinung. Einerseits würden Menschen dadurch ihre Impfskepsis zum Ausdruck bringen. "Das ist durchaus verständlich und in einer Demokratie auch ihr gutes Recht."

Andererseits würden sich gewalttätige und radikalisierte Gruppen dieser Menschen bemächtigen und ihnen einen Bärendienst erweisen. "Diese Gruppen gehen mit ganz anderen Absichten auf die Straße und nutzen die Pandemie, um gegen eine freiheitliche Demokratie und eine solidarische Gesellschaft zu agieren. Wo Menschen ihre Position mit Gewalt gegen andere durchsetzen wollen, hört mein Verständnis auf", macht der evangelische Dekan klar.
Sein katholischer Amtskollege Stefan Kömm sieht dies auch so. Gewalt könne niemals ein Mittel des Protestes sein. "Auch von der Teilnahme an legalen Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen kann ich nur abraten, weil die Gefahr viel zu groß ist, von antidemokratischen und verfassungsfeindlichen Gruppierungen benutzt und vereinnahmt zu werden."
Glockenläuten ein richtiges Mittel?
Während unangemeldete und somit illegale "Corona-Spaziergänge" im Dezember und Januar durch die Schweinfurter Innenstadt zogen, hatten die Glocken der katholischen Kirchen geläutet. "Und Heilig-Geist-Kirche und Kilianskirche waren geöffnet und luden zum Gebet ein", berichtet Kömm.
Das Glockenläuten gegen Demonstranten sieht Dekan Bruckmann hingegen kritisch. "Es wäre undemokratisch, berechtigte Anliegen einfach zu übertönen." Bei einem Glockengeläut werde außerdem nicht eindeutig klar, ob etwas unterstützt oder übertönt werden soll. "Bei uns laden die Glocken zum Gebet." Die evangelische Kirche organisiere ein sonntägliches Friedensgebet. "Es geht darum, die verschiedenen Positionen in unserer Gesellschaft nicht gegeneinander laufen zu lassen, sondern sie miteinander auszuhalten", so Dekan Bruckmann.