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BISCHWIND: Auf dem Rücken der Pferde durch den Steigerwald

BISCHWIND

Auf dem Rücken der Pferde durch den Steigerwald

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    Wanderrittführer Eberhard Reichert und seine Schülerin Franziska Lang kurz vor ihrer Rast in Wohnau.
    Wanderrittführer Eberhard Reichert und seine Schülerin Franziska Lang kurz vor ihrer Rast in Wohnau. Foto: Foto: Norbert Finster

    Der Außenbereich des Weingasthofs Wohnau ist fast voll besetzt, am helllichten Werktag. Die Laune der Gäste ist gut. Die Schnitzel sind groß, die Schoppen günstig. Doch plötzlich verstummt das Stimmengewirr. Zwei Reiter nähern sich der Gaststätte.

    Kurz vor dem Hoftor steigen die beiden ab und binden ihre Pferde an. Fast wie einst John Wayne vor dem Saloon. Die beiden Reiter sind Wanderrittführer Eberhard Reichert und seine Schülerin Franziska Lang. Sie sind auf dem Rücken der Connemara–Ponys von den Höhen des Steigerwalds hinabgekommen ins kleine Wohnau.

    Über die Höhen des Steigerwalds

    Es ist 14 Uhr. Bereits um 9 Uhr haben sie auf der Koppel von Eberhard Reichert in Bischwind mit den Vorbereitungen für den Wanderritt begonnen. Um 10 Uhr sind sie aufgebrochen. Es ging hinauf in den Steigerwald über Zell am Ebersberg, den Kleinen und den Großen Knetzberg, Neuhaus und Klosterhütte hinab nach Wohnau.

    Der Ritt der beiden ist kein reines Freizeitvergnügen, sondern Ausbildungsarbeit. Denn die 18-jährige Franziska aus Gerolzhofen will Wanderreiterin werden. Und Eberhard Reichert ist ihr Ausbilder.

    Zum praktischen Teil der Ausbildung gehört natürlich ein Ritt im wahrsten Sinn des Wortes über Stock und Stein. Teilweise unwegsam war es auf der zurückgelegten Strecke. Die Förster lassen immer mehr Kronenholz im Wald liegen, teilweise auch über nicht so häufig genutzten Wegen. Was für seltene Arten bei Käfern und Pilzen gut ist, ist für die Wanderreiter ein Hindernis.

    Immer eine Säge dabei

    Deshalb gehört zur Ausrüstung von Wanderrittführer Eberhard Reichert immer eine Säge. Die hat er auch heute benutzen müssen, um den Weg freizumachen.

    Franziska lernt an diesem Tag alles, was man zu einem längeren Ritt, eventuell auch mit Übernachtung im Freien, wissen muss. An der Gaststätte zeigt sie, wie man ein Pferd richtig anbindet. Dazu gilt es erst einmal die passende Stelle zu finden. An einer Seite des Zauns um die Freiterrasse hängen Geranien. Obwohl sie kurz vor der Pause kräftig Gras gefressen haben, besteht die Gefahr, dass die Connemaras sie anknabbern. Unweit davon parkt ein Motorrad. Wenn der Fahrer es in unmittelbarer Nähe anlässt, könnte es sein, dass er damit die Pferde scheu macht. Also entscheiden sich die Reiter für einen Standort zwischen Geranien und Motorrad.

    Mit Karte und Kompass

    Am Vormittag hat Franziska auch gelernt, wie ein Wanderreiter die Satteltaschen für einen längeren Ritt packt, sein Pferd unterwegs versorgt und den Weg mit Karte und Kompass findet. Sie weiß jetzt auch, dass der Reiter seinem Pferd alle zwei Stunden eine Pause gönnen sollte. Und in Zeiten wie diesen, wo es kaum noch saftiges Gras gibt, ist es ratsam, einen Futtervorrat mitzunehmen, hat ihr Eberhard Reichert erklärt.

    Wer sich zum Wanderreiten ausbilden lassen will, darf kein Anfänger auf dem Rücken des Pferds sein. Franziska hat hier gute Voraussetzungen mitgebracht, denn sie ist bereits gelernte Geländereiterin.

    Als Wanderrittführer hat Eberhard Reichert natürlich selbst eine Ausbildung absolviert. Jetzt ist er auch Prüfer für Wanderritt- und Geländeführer unter dem Dach der Vereinigung der Freizeitreiter und -fahrer in Deutschland (VfD). Dieser Vereinigung kommt es darauf an, die größtmögliche Harmonie zwischen Mensch und Pferd herzustellen.

    Eins der letzten Naturerlebnisse

    „Ein Wanderritt, ist darauf angelegt, zu einem der letzten Naturerlebnisse zu werden, die es in unserer Zivilisation noch gibt“, sagt Reichert, der in seinem Berufsleben als Diplom-Ingenieur (FH) selbst viel mit Technik zu tun hatte. Er erzählt von sich, dass er schon immer gerne in freier Natur unterwegs war, anfangs zu Fuß. „Irgendwann wurde mir dann das Tragen von schwerem Gepäck zu viel und ich bin aufs Pferd umgestiegen“, sagt er zu den Anfängen seiner Leidenschaft für Pferde. Ein weiteres Motiv. „Man sollte das machen, was auf dem Land geht, wenn man auf dem Land wohnt.“

    Daheim auf der Koppel in Bischwind hat er fünf Connemaras stehen, die größte Ponyart, die es gibt. Zwei davon sind Jungtiere. Auch das ist Absicht, denn ein Pferd sollte nie alleine in der Koppel stehen. Connemaras sind die idealsten Pferde für Wanderritte, denn sie sind ausdauernd, genügsam und zuverlässig. Im Steigerwald schaffen sie auch die steilsten Hänge, ohne dass der Reiter absteigen muss. Ihren Namen haben sie von der gleichnamigen wilden und dünn besiedelten Landschaft ganz im Westen Irlands.

    Pferd fand alleine nach Hause

    Bei einem Wanderritt kann aus dem Erlebnis manchmal auch Abenteuer werden. Eberhard Reichert hat es selbst erlebt. Vor etwa 20 Jahren machte der heute 64-Jährige Rast in einem Gasthof in Schindelsee. Als er herauskam, war sein Pferd weg. Es hatte sich irgendwie losgemacht und war davongelaufen. Reichert schrieb das Tier schon als Verlust ab, doch als er heimkam, stand es bereits auf der Koppel.

    Seit Januar dieses Jahres ist der Wanderrittführer im Ruhestand. Jetzt hat er noch mehr Zeit für sein arbeits- und kostenintensives Hobby. Die meisten seiner weiten Ausritte führen in den Steigerwald. Doch auch in der Rhön, im Spessart und in der Fränkischen Schweiz war er schon unterwegs.

    Kaum Konflikte im Wald

    Konflikte mit anderen Waldbenutzern gibt es kaum. Höchstens ab und zu kommt es zu leichtem Verdruss mit einem Jagdpächter, wenn der meint, der Reiter habe ihm das Wild vertrieben. Die Förster tolerieren ihn, solange er nicht querwaldein reitet. Normalerweise müssen sich Wanderreiter ohnehin an Forst- und Feldwege halten. Im freien Gelände kann ein Reiter schon einmal über ein abgeerntetes Feld galoppieren, da hat kein Landwirt etwas dagegen. Straßen meidet der Reiter, denn die Connemaras sind nicht beschlagen. Für den Fall, dass es doch einmal länger über hartes Geläuf geht, gibt es Hufschuhe.

    Die Pause in Wohnau ist beendet. Die beiden Connemaras haben sich in dieser Zeit ein Schläfchen im Stehen gegönnt. Das erkennt man daran, dass sie einen Lauf leicht anheben. „Mindestens zwei Drittel der Strecke sollte man bis zur großen Rast geschafft haben“, sagt Eberhard Reichert zur Strategie eines Wanderritts. Das sei gut für Mensch und Tier.

    Prüfung zum Wanderreiter

    Zurück nach Bischwind wird es überwiegend durch freies Gelände gehen. Am Ziel wird Franziska ihren ersten Wanderritt hinter sich haben. Wenn fünf bis sechs Prüflinge aus der Region zusammengekommen sind, wird sie zum Test für Wanderreiter antreten. Er besteht aus einem theoretischen und einem praktischen Teil. Bewertungen gibt es nur zwei: bestanden oder durchgefallen. „Es geht um Wissen, nicht darum, der Beste zu sein“, erklärt Reichert.

    Franziska Lang und Eberhard Reichert binden die Pferde los und führen sie hinaus in die freie Landschaft. Dann steigen sie auf und reiten gen Westen.

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