Unter dem Ackerboden der Frankenwinheimer Gemarkung schlummert ein besonderer Schatz. Schon seit mehreren Jahrzehnten führen einschlägige Lesefunde in der Fachwelt zur Annahme, dass sich östlich des Dorfes die Reste einer Germanensiedlung aus der römischen Kaiserzeit vom ersten bis zum vierten Jahrhundert befinden. Das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege geht nun dem Ganzen auf den Grund.
In den kommenden Monaten wird das fragliche Gebiet von Experten aus München unter die Lupe genommen. Unter der Leitung von Jörg Faßbinder wird eine sogenannte geophysikalische Prospektion durchgeführt. Dieses Verfahren hat Faßbinder war Jahren schon einmal in der Region – und zwar auf dem Kapellenberg an der Gertraudiskapelle bei Gerolzhofen – zum Einsatz gebracht. Damals hatten die Untersuchungen den Grundriss eines längst verschwundenen Gebäudekomplexes zutage gebracht, der heute allgemein als die abgängige Bischofspfalz bei Lindelach angesehen wird.
Magnetfeld wird gemessen
Wie funktioniert diese Prospektion? Auf einem vorher genau eingemessenen Gebiet wird mit hochsensiblen Geräten der Erdmagnetismus gemessen. Verborgen unter der Oberfläche liegende Reste von Bauwerken erzeugen geringste Anomalien im Magnetfeld, die von den Geräten aufgespürt und am Computer dann zu einem Bild umgerechnet werden. Der Vorteil der Prospektion: Man bekommt in der Regel ein recht genaues Bild, ohne graben zu müssen und ohne das archäologische Denkmal möglicherweise zu beschädigen. Wie Beate Zarges, Pressesprecherin des Landesamtes für Denkmalpflege, auf Anfrage dieser Zeitung mitteilt, werde man in diesem Jahr wohl nicht mehr beginnen können. „Vermutlich im Frühjahr“, so Zarges, will man mit den Untersuchungen beginnen.
Erste Funde vor 30 Jahren
In der Fachwelt wird bereits seit Beginn der 80er Jahre über die mögliche Siedlung zwischen Frankenwinheim und Gerolzhofen diskutiert. Vor etwa 30 Jahren waren die ersten Funde von einem Acker in der Nähe des heutigen Radwegs aufgetaucht. Ein ganz offensichtlich mit einem Metallspürgerät ausgestatteter „Schatzsucher“ hatte wertvolle Teile aus dem Boden geholt, die römischen Ursprungs sind. Dazu gehören eine wundervoll gearbeitete, mehrfarbige Email-Scheibenfibel, ein figürlich gearbeiteter Schlüsselgriff, der in einem Widderkopf mit zurückgelegten Hörnern endet, und eine gut drei Zentimeter hohe Bronzeplastik einer Ziege, die gemeinhin als Begleittier des Merkurs, des Gottes der Händler und Reisenden, angesehen wird. Diese Teile wurden 1984 vom Mainfränkischen Museum Würzburg angekauft.
Aber auch Hans Koppelt aus Gerolzhofen wurde fündig. Sein spektakulärster Fund auf dem mutmaßlichen Siedlungsgebiet ist das 13 Zentimeter große Bruchstück eines römischen Bronze-Adlers. Daneben fand er römische Münzen, Beschläge und Fibeln. Diese Funde sind heute in der Dauerausstellung der vor- und frühgeschichtlichen Abteilung des Stadtmuseums Gerolzhofen in der Brunnengasse für die Öffentlichkeit ausgestellt.
Neben den Metallgegenständen fand Koppelt auch römische Hypokausten-Röhrensteine, wie sie zu Römerzeiten zur Beheizung der Fußböden in Badehäusern verwendet wurden.
Das Landesamt geht aufgrund dieser Funde nun davon aus, dass sich unter der Ackeroberfläche bei Frankenwinheim die Reste einer germanischen „Villa rustica“ befinden. In der Regel umfasste eine solche „Villa“ nach dem Vorbild der Römer eine Fläche von 60 auf 60 Metern. So ein ziviles Landhaus ohne jede Befestigung umfasste neben dem Wohnhaus auch Speicherräume, Werkstätten, Badehäuser und Wirtschaftsgebäude.
Welche Funktion soll nun so eine „Villa rustica“, rund 70 Kilometer nördlich des Limes inmitten germanischen Gebiets, gehabt haben? Verschiedene Theorien sprechen etwa von römischen Straßenstationen, oder sehen darin Ankaufstellen der Römer für einheimische landwirtschaftliche Produkte. Denkbar ist es auch, dass hier germanische Verbündete der Römer schon im Vorland die römische Grenze gegen mögliche Feinde schützten.
Am wahrscheinlichsten ist es aber, dass es sich hier um den Sitz eines germanischen Adeligen handelt, der seinen Reichtum auch dadurch zur Schau stellen wollte, in dem er die typisch römische Architektur und den Luxus übernahm. Streng genommen ist es also ein germanischer „Villa-rustica-ähnlicher“ Herrensitz.
Große Zahl von Keramikscherben
Ausführende waren wohl römische Handwerker und technische Berater. Auch bei der Innenausstattung eiferte der edle Germane den Römern nach und schmückte sein Haus mit römischen Importen. So ist auch die auffallend große Zahl von römischen Keramikscherben im Fundgebiet zwischen Frankenwinheim und Gerolzhofen zu erklären. Auch die aufgefundenen Metallgegenstände aus dem römischen Kunstgewerbe dürften nicht – wie früher oft gemutmaßt – von Beutezügen der Germanen ins römische Gebiet stammen, sondern ebenfalls im Wege des friedlichen Handels nach Frankenwinheim gekommen sein. Man darf gespannt sein, inwieweit die bevorstehende Prospektion die eine oder andere Theorie stützen kann.