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GELDERSHEIM: Aufhören, wenn es am besten ist

GELDERSHEIM

Aufhören, wenn es am besten ist

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    Aufhören, wenn es am besten ist
    Aufhören, wenn es am besten ist

    Jetzt muss ich das Papier noch stapeln, wie bei 'Mord ist ihr Hobby'“, meint Ruth Hanna Gube lachend, die erste Frau im Geldersheimer Rathaus. Fürs Zeitungsfoto hat sich die frühere Verwaltungsangestellte noch einmal an die Schreibmaschine gesetzt. Anders als die Autorin in der amerikanischen Serie schrieb Gube die letzten 22 Jahre keine Krimis, sondern federführend mit an der Ortsgeschichte.

    „Ich kenne noch das Zeitalter vor dem Handy“, sagt die erfahrene Lokalpolitikerin, die im Landkreis als zweite Frau in ein Bürgermeisteramt eingezogen ist, nach Irene Gräf-Böhm in Michelau. „Das persönliche Gespräch ist mir wichtig.“ Vorzimmer? Gab es nicht: „Ich bin doch kein Präsident.“ Souverän, aber herzlich hat sie ihr Galderschum durch bewegte Zeiten geführt.

    1992, als Bürgermeister Hubert Hübner aus dem Amt geschieden ist, hatte kaum jemand die Kandidatin der Freien Wähler auf dem Radar: Eine Newcomerin ohne Gemeinderatserfahrung, berufstätige Mutter zweier Kinder, erfüllt von dem Wunsch, mit 40 noch mal etwas völliges Neues anzufangen. Daraus wurde ein überraschend eindeutiger Sieg. Die gelernte Apothekerin musste sich hineinfinden in bayerische Kommunalpolitik, und Ehemann Lutz Gube hinaus: Nach damaliger Gesetzeslage durfte er nicht mehr dem Gemeinderat angehören. Durch den Beruf des Partners habe man ihr zumindest Kompetenz in Sachen Bauplanung zugetraut, sagt Gube. Einführungskurse gab es damals nicht.

    „Die Stövchenzeit war vorbei“, die geruhsamen Teeabende mit dem Mann. „Frau Bürgermeister“ wurde ins kalte Wasser geworfen, es hieß Learning by doing, mit Unterstützung etwa durch Vize Roland Vogel. „Nicht ich war die Überfliegerin, es war einfach ein gutes Klima im Dorf.“ Das Frausein habe keine besondere Rolle gespielt, bis auf wenige Ausnahmen. Eigentlich sei sie durch Martin Netter vorbereitet worden, als Leiter der Schule, wo sie 13 Jahre in der Verwaltung gearbeitet hat. Dazu kamen Jugendbekanntschaften mit späteren Entscheidungsträger(inne)n. Sowohl an der Gemündener Klosterschule, wo unter anderem Barbara Stamm mal die Schulbank gedrückt hat, als auch in der Kugelapotheke am Schweinfurter Hauptbahnhof, wo es frühen Kontakt zur Familie von Sebastian Remelé gab: „Wir hätten nie gedacht, dass wir mal Bürgermeister werden.“ Andererseits hat bereits Vater Willi Dreßler seiner Wahlheimat als Bürgermeister gedient, von 1978 bis zu seinem Tod 1985. Ein waschechter Dresdner, der in Galderschum schon mal mit dem Zwillingsbruder verwechselt wurde.

    Sachsen gelten als umgängliche und verschmitzte Köpfe, die verzwickte Fälle lieber mit Schmunzeln und lachendem Auge lösen, wie Fernsehkommissar Stubbe: Man merkt diesen Erbteil bei Ruth Hanna Gube, verbunden mit fränkischer Bodenhaftung, dank Geldersheimer Mutter. Den Gegenüber ernst und sich selbst zurücknehmen sei wichtig, sagt die Tochter einer Großfamilie.

    Die Amtsauffassung – fast schon preußisch: „Auf dem Papier ist ein Bürgermeister die oberste Person. Aber er ist nur der erste Diener seiner Gemeinde.“ Sternzeichen Löwin, da gilt frau im Konfliktfall als temperamentvoll. Mit einem Hang zur Generosität: „Was mich ärgert, bestimme ich.“ Es gab Niederlagen, wie 1994 bei der Landratswahl gegen Harald Leitherer, der ihr zuletzt die Ehrenurkunde des Landkreises überreicht hat. Gube übernahm Mandate für die Freien Wähler im Kreis- und Bezirkstag, seit 2001 war sie Vorsitzende des Abwasserzweckverbands Oberer Werntalgemeinden – ein weiterer Aufbruch in eine Männerdomäne, mit großer Verantwortung für 17 Ortschaften, und Mitarbeitern, die für sie durchs Feuer gegangen seien. Anderthalb Seiten füllen die Stichworte zu den „gelösten Fällen“ ihrer Bürgermeisterzeit: die Dorferneuerung rund um Gaden, Unter- und Oberdorf, die Flurbereinigung und Renaturierung, der Umbau des Schulgebäudes nach dem Wegzug der Hauptschule, Sanierung nicht nur von Bildstöcken, sondern der gesamten Infrastruktur. Dazu kam Kurioses, wie die Ersteigerung der Kriegervereinsfahne im Internet. Ebenfalls als kurios empfindet sie heute Standort-Querelen um die Freitreppe des Fränkischen Hofs.

    Es wurde gemeinsam löwenhaft gekämpft, gegen den Autobahnbau, mit der Protestschlacht auf den „Golanhöhen“, einem wutgetränkten Erdhügel am Ortsrand: „Mit der A 71 ist ein Ruck durch Geldersheim gegangen. Wir haben zwar verloren, aber auch vieles gewonnen.“ Nicht nur Fördergelder und Ausgleichsflächen als Entschädigung, sondern auch ein neu erstarktes Wir-Gefühl. Der schlimmste Moment? „Als Reiner Lenz gestorben ist“, sagt Gube ohne Zögern, der überraschende Verlust eines rührigen Gemeinderats, Vereinschefs, Menschen. Anfang 2013 war das. Dennoch wurde das Jubiläumsjahr „1250 Jahre Geldersheim“ zur Krönung ihrer Amtszeit, mit dem Kreissieg bei „Unser Dorf hat Zukunft“, Vereinsjubiläen, offenen Gärten. Auch wenn sie den Erfolg zahlreichen Helfern, Organisatoren, der Dorfgemeinschaft und dem Wetterglück zuschreibt. 20 000 Besucher, mindestens, kamen am Festwochenende, die Dimensionen eines Rockfestivals.

    Man soll dann aufhören, wenn es am besten ist, bestätigt Gube: bloß kein „Wetten, dass“-Abschied. Nun übergibt sie das Ehrenamt an Wunschnachfolger Oliver Brust, überlässt ihm die Zukunftsaufgabe Konversion der Conn Barracks, die dank guter Partner mehr Chance als Risiko sei. Allzu viel Ratschläge möchte sie dem Neuen nicht geben: „Jeder hat eine andere Philosophie.“

    Sie selbst muss es erstmal setzen lassen, dass sie nach vier Wahlperioden, fast einem Vierteljahrhundert, nicht länger erste Dienerin Geldersheims ist. Drei Wochen soll es nach Norwegen gehen, außerdem möchte sie endlich wieder mal ein Buch zur Hand nehmen, Roger Willemsen, „Das Hohe Haus. Ein Jahr im Parlament.“ Ganz so schnell wird Ruth Hanna Gube die Politik dann doch nicht loslassen.

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