Das negative Bild, das landwirtschaftlichen Betrieben in Deutschland häufig angeheftet wird, was ihre Saisonarbeitskräfte aus Osteuropa angeht, stört Christian Pretscher. „Die Berichte im Fernsehen sind teilweise extrem. Da werden vor allem die negativen Beispiele herausgezogen.“ Es bestreitet also nicht, dass es schwarze Schafe unter den Landwirten gibt. Doch das seien Ausnahmen, die gebe es in jeder Branche, meint der Landwirt über Kollegen. Über die andere Seite werde kaum berichtet. Dies stört ihn, weshalb er gerne bereit ist, mit dieser Redaktion offen über das Thema zu reden, über das viele seiner Kollegen nur ungern sprechen.
Hierzu bietet der 29-Jährige Einblick in den Hof seiner Familie. Den Betrieb im Kolitzheimer Ortsteil Unterspiesheim führen seine Eltern, Michael und Marlene Pretscher, die beiden Söhne Christian und Julian sind mit dabei. Auf ihren Feldern wachsen auf rund 15 Hektar Spargel sowie einige Hektar Erdbeeren. Außerdem bauen sie Getreide, Dinkel und Roggen, an.
Drei getrennte Unterkünfte stehen bereit
Von April bis Ende Juni ist Hochsaison, gerade beim Spargel und den Erdbeeren gibt es jede Menge Arbeit. Um die Ernte einzubringen, helfen auch dieses Jahr wieder Rumänen. 18 Männer und Frauen sind zurzeit sind bei den Pretschers beschäftigt, sieben weniger als geplant, weil die Ernte wegen des Wetters schlechter ausfällt. Drei getrennte Unterkünfte hat die Familie für sie bereitgestellt.
„Ohne sie könnten wir das gar nicht bewältigen. Das ist schon körperlich anstrengend, bei Wind und Wetter jeden Tag draußen zu sein“, meinte Senior Michael Pretscher. Der Versuch mit deutschen Kräften auf den Feldern habe nicht funktioniert, „die sind am Wochenende oder an Feiertagen nicht gekommen“, schildert er es.

Bereits seit Anfang der 90er Jahre beschäftigen die Pretschers Erntehelfer aus Osteuropa. Anfangs kamen sie aus Polen, seit 20 Jahren etwa sind es nur noch Rumänen. „Mittlerweile haben wir einen Stamm, es sind zu 75 Prozent die gleichen, wie im Vorjahr“, sagt Sohn Christian. Einer komme schon seit zehn Jahren regelmäßig für die Saison.
Die Erntehelfer kommen immer wieder
Für die Pretschers ist es wichtig, dass sie die Frauen und Männer aus Osteuropa fair und gut behandeln. „Wenn es ihnen bei uns schlecht ginge, dann würden sie ja nicht wiederkommen“, meint Christian Pretscher. Oft brächten sie Bekannte oder Verwandte mit, die dann ebenso die Saison über auf dem Hof in Unterspiesheim arbeiten möchten.

So hat es zum Beispiel Christina gemacht. Die 23-jährige Frau war schon im Vorjahr mit ihrem Freund bei den Pretschers. Dieses Mal hat sie ihre Mutter sowie mit Aurora und Bianca zwei Freundinnen mitgebracht, die sich hier ebenso Geld verdienen wollen. Sie kommen aus einer Kleinstadt auf dem Land mit 3000 Einwohnern in der Nähe von Slatina, gut zwei Stunden Fahrzeit westlich von Bukarest gelegen.
Als eine der wenigen spricht Christina einigermaßen Englisch. Sie war an einer Sportschule, ist Trainerin für Fitness und Boxen. In ihrer Heimat muss sie sich, wie auch die anderen drei, mit Gelegenheitsjobs über Wasser halten. Während der drei Monate in Deutschland verdiene sie so viel, dass sie davon den Rest des Jahres in Rumänien gut leben könne, sagt sie.
Der Arbeitstag beginnt um 7 Uhr
Ihr gefällt es bei den Pretschers. „Der Chef und alle hier sind sehr freundlich, das ist wie eine Familie.“ Die Arbeit auf dem Hof sei „nicht anstrengend“, sagt Christina kopfschüttelnd. Für sie, wie für die anderen, beginnt der Arbeitstag um 7 Uhr, und dauert – mit eineinhalb Stunden Pause – etwa bis 17 Uhr.
Sechs Tage pro Woche wird gearbeitet, ein Tag ist frei. Wenn jemand will, und es sich einrichten lässt, dann seien auch zwei arbeitsfreie Tage möglich, erklärt Christian Pretscher. Das sei allerdings selten der Fall, denn die Rumänen wollten arbeiten, viele Stunden machen, um möglichst viel zu verdienen.
Die Frauen würden meist für die Ernte des Grünspargels eingesetzt, das sei leichter, und später zum Waschen und Sortieren der Stangen, erläutert Christian Pretscher. Das Stechen des Spargels ist Männersache.
Einer, der das macht, ist Ion, ein 35-jähriger Familienvater, der seine Frau und die beiden drei und acht Jahre alten Kinder zuhause in Suceava lassen musste. Schweren Herzens, wie er sagt. Es sei für alle eine schwierige Zeit. Er komme nach Deutschland zum Arbeiten, damit es den Kindern besser gehe.
Das Geld erleichtert das Leben zuhause
Das hier verdiente Geld helfe enorm zum Leben. Zuhause, im Nordosten Rumäniens nahe Moldawien, arbeitet Ion in einem Betrieb, der Pflastersteine herstellt. Seit fünf Jahren ist er regelmäßig in Unterspiesheim, wo er geschätzt wird. „Er ist bei uns auf dem Feld so etwas wie der Kapo“, sagt Michael Pretscher und schmunzelt.
Ihn, wie auch die anderen, die schon hier waren, müsse man nicht anlernen, sagt Christian Pretscher. „Sie haben keine falschen Erwartungen, wissen, was auf sie zukommt. Auch die Leute, die sie mitbringen, wissen Bescheid.“ Dass das Verhältnis zwischen ihm und den Angestellten gut ist, diesen Eindruck gewinnt man beim Termin vor Ort.

Die Pretschers, wie auch die Rumänen, gestatten auch einen Blick in die Unterkunft der Saisonarbeiter. „Wir haben nichts zu verbergen.“ Drei Häuser sind es, eines davon wurde angemietet. Einen Wohncontainer hat der Hofbesitzer dieses Jahr zusätzlich angeschafft, in dem jedoch keiner wohnt. Dieser dient lediglich für die Quarantäne, falls eine nötig sein sollte. Bisher wurde er nicht gebraucht.