Ivonne Polizzano wurde gedemütigt. Sie hat blutrote Würgemale am Hals. Über ihrem rechten Auge prangt ein Veilchen. Ihr Blick ist schicksalsergeben – sie erduldet das alltägliche Leid, nimmt die Schläge ihres Mannes ohnmächtig auf sich. Ivonne Polizzano ist gezeichnet – auch auf einer zweiten Fotografie des jungen Schweinfurter Künstlers Jonathan F. Kromer. Aber sie strahlt Kraft aus. Und Mut. Sie will und wird sich wehren, die wiederkehrende häusliche Gewalt öffentlich machen, sich Hilfe holen und dem Treiben ein Ende setzen.
Ivonne Polizzano, bekannt als Visagistin Netty Töppers in der ARD-Vorabendserie Marienhof, ist eine von sechs Schauspieler(inne)n, die ihr Gesicht für das Aufklärungsprojekt „passion“ hergegeben haben. Fotograf und Mediengestalter Kromer und seine Models haben sich am Marienhof-Set kennen gelernt. Alle Schauspieler haben ihre Mitwirkung spontan zugesagt, als der damalige Aufnahmeleiter ihnen seine Idee schilderte. „Verletzte Gesichter“, mal gebrochen, mal entschlossen, sollen Betroffenen Mut zum Outing machen, denn: „Keiner hat es verdient, so behandelt zu werden“ (Kromer).
Die insgesamt zwölf Aufnahmen, in Postergröße aufgezogen, sind seit Montag und noch bis zum 25. Oktober im Foyer des Schweinfurter Rathauses zu sehen. Sie werden von hier aus ihre „Reise in die Welt“ oder zumindest durch Deutschland antreten. Denn seit Bekanntwerden des Projekts, das in Schweinfurt erstmals öffentlich gezeigt wird, häufen sich die Anfragen in Jonathan F. Kromers E-Mail-Postfach. Memmingen und Ingolstadt stehen als nächste Stationen bereits fest, Berlin ist in der Queue. Gezeigt werden zwar ausschließlich Ausdrucksformen körperlicher Gewalt, Kromer verwies bei der Vernissage aber ausdrücklich auf weitere Varianten wie verbale und psychische oder Gewalt an Senioren durch mangelnde Pflege und Unterstützung.
Eine Studie aus Dänemark habe ergeben – so Oberbürgermeister Sebastian Remelé –, dass neben Älteren, Frauen und Kindern inzwischen auch Männer zu 30 Prozent an den Opferzahlen häuslicher Gewalt beteiligt seien. Dass drei der sechs Models männlich sind und Simon Paul Wagner – im Marienhof bekannt als Marlon Berger – mit eindrucksvoll verkratzter Wange daherkommt, passt da gut ins Bild. Die „Verletzungen“ hat übrigens die junge Visagistin Janine Burg ihren schauspielernden „Kunden“ zugefügt. Sie wirken allesamt realistisch, der Betrachter kann sich die ihnen vorausgegangene Gewaltszene leicht ausmalen.
Vertreter der Schweinfurter Anlaufstellen bei häuslicher Gewalt nutzten die Ausstellungseröffnung, um mit dem Künstler und der ebenfalls anwesenden Darstellerin Ivonne Polizzano ins Gespräch zu kommen. Die 31-jährige Schauspielerin, selbst junge Mutter, ist dankbar, „in einer harmonischen, liebevollen Umgebung“ aufgewachsen zu sein. Sie möchte aber auch „Betroffenen Mut machen, ihr Schicksal in die eigene Hand zu nehmen, sich zu befreien und das Leben zu Leben, das ihnen zusteht.“ Für Ausstellungsmacher Jonathan F. Kromer ist das Wunschziel bereits erfüllt, wenn „sich aufgrund der Bilder und der öffentlichen Diskussion nur eine betroffene Person aus Schweinfurt dazu entschließt, Hilfe in Anspruch zu nehmen.“