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Gerolzhofen: Barrierefreiheit in Gerolzhofen: Blinde stoßen an Grenzen

Gerolzhofen

Barrierefreiheit in Gerolzhofen: Blinde stoßen an Grenzen

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    Die Stadratsfraktion von Geo-net und die Arbeitsgruppe "Barrierefreiheit und Inklusion" hatte zum zweiten Rundgang durch Gerolzhofen eingeladen, um Stellen aufzudecken, die für Menschen mit Handicaps eine Gefahr darstellen. Das Bild zeigt die Gruppe in der Kirchgasse. Die glatten Platten auf der Fahrbahn bieten Blinden eine Orientierung, enden dann jedoch an der Johanniskapelle abrupt, ohne Anzeichen, wie es weitergeht.
    Die Stadratsfraktion von Geo-net und die Arbeitsgruppe "Barrierefreiheit und Inklusion" hatte zum zweiten Rundgang durch Gerolzhofen eingeladen, um Stellen aufzudecken, die für Menschen mit Handicaps eine Gefahr darstellen. Das Bild zeigt die Gruppe in der Kirchgasse. Die glatten Platten auf der Fahrbahn bieten Blinden eine Orientierung, enden dann jedoch an der Johanniskapelle abrupt, ohne Anzeichen, wie es weitergeht. Foto: Michael Mößlein

    "Die halbe Miete ist gemacht." Zu diesem Fazit gelangte Karl Depner, als er am Gerolzhöfer Busbahnhof angekommen ist. Der Satz klingt überraschend optimistisch. Denn in den knapp zwei Stunden zuvor ist der Blinde, der Mitglied im Landesvorstand des Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbunds (BBSB) und Referent für Barrierefreiheit ist, beim Rundgang durch die Altstadt quasi auf Schritt und Tritt auf Hindernisse gestoßen, die ihm das Fortkommen auf eigene Faust an manchen Stellen unmöglich gemacht hätten.

    Depner ist am Donnerstagabend als Gast zum zweiten Rundgang durch die Stadt gekommen, zu dem die Stadtratsfraktion von Geo-net zusammen mit der Arbeitsgruppe (AG) "Barrierefreiheit und Inklusion" eingeladen hatte. Mitgebracht hatte er mit Jörg Wöbke, der als Unterfranken-Verantwortlicher des BBSB dem Arbeitskreis bauliche Barrierefreiheit angehört, einen Fachmann, dessen Sehkraft stark eingeschränkt ist. Zudem war mit Christine Thaler eine weitere Vertreterin des BBSB mit dabei, die bereits am ersten Rundgang zur Barrierefreiheit Anfang Juli teilgenommen hatte. 

    Spärliches Interesse der übrigen Stadtratsfraktionen

    Die Gruppe war also hochqualifiziert besetzt. Dennoch blieb die Teilnehmerzahl überschaubar, denn außer Fraktionsmitgliedern von Geo-net, Zweiten Bürgermeister Erich Servatius (SPD) und Mitgliedern der AG "Barrierefreiheit" war zu dem Rundgang kaum jemand gekommen. Die eingeladenen restlichen Mitglieder des Stadtrats sowie der Stadtverwaltung fehlten, ein Teil von diesen, wie Bürgermeister Thorsten Wozniak, zumindest entschuldigt.

    Sie verpassten die Gelegenheit, Gerolzhofens Geh- und Verkehrswege aus der Sicht von Menschen mit Handicap kennenzulernen. Dieses Mal lag der Schwerpunkt auf den Bedürfnissen von Sehbehinderten, wie Anja Burzynski von der AG "Barrierefreiheit" eingangs erklärte. Es gehe nicht darum, Missstände anzuprangern, stellte Thomas Vizl als Vorsitzender der Geo-net-Fraktion klar. "Wir wollen Fehler nachvollziehen und für die Zukunft vermeiden, deren Beseitigung der Stadt auch Geld kosten."

    Brücke über Volkach-Bach stellt erste Hürde dar

    Der Rundgang startete am Parkplatz neben der Grund- und Mittelschule an der Schallfelder Straße. Und gleich im Anschluss an den Parkplatz zeigte sich die Bogenbrücke über den Volkach-Bach, die für den Fußweg Richtung Altstadt überquert werden muss, als für Menschen mit Behinderung wenig geeignet. Denn Rollstuhl- und Rollatorfahrer bleiben an einer Kante am Beginn der Brücke hängen. Und für Sehbehinderte bietet die Begrenzung des Brückengeländers keine sichere Orientierung für den Einsatz des Blindenstocks.

    Der Bayerische Blinden- und Sehbehindertenbund war mit Karl Depner (von links), Mitglied im Landesvorstand, dem Verantwortlichen für Unterfranken, Jörg Wöbke, und Christine Thaler hochrangig vertreten. Das Bild zeigt sie an der Brücke über den Volkach-Bach am Parkplatz an der Schallfelder-Straße, wo das Geländer Sehbehinderten keine sichere Orientierung bietet.
    Der Bayerische Blinden- und Sehbehindertenbund war mit Karl Depner (von links), Mitglied im Landesvorstand, dem Verantwortlichen für Unterfranken, Jörg Wöbke, und Christine Thaler hochrangig vertreten. Das Bild zeigt sie an der Brücke über den Volkach-Bach am Parkplatz an der Schallfelder-Straße, wo das Geländer Sehbehinderten keine sichere Orientierung bietet. Foto: Michael Mößlein

    Die Fußgängerampel an der Grabenstraße ist für Blinde in doppelter Hinsicht eine Falle: Der dort abgeflachte Bordstein lässt sie den Übergang zur Fahrbahn nicht erkennen. Und der Ampel fehlt das akustische Auffinde-Signal, wobei dieses wohl vorhanden, technisch aber nur nicht aktiviert sein dürfte, wie Depner vermutet. Er wirbt dafür, an Fahrbahnübergängen unbedingt sogenannte differenzierte Querungen einzubauen. Bei diesen sind die Bordsteine an der Querung zur Hälfte erhöht, so dass Blinde die Grenze des Gehwegs per Stock ertasten können. Die andere Hälfte ist abgeflacht, damit Rollstuhlfahrer oder Eltern mit Kinderwagen gut auf die Straße gelangen.

    Kantenlose Flächen sind für Sehbehinderte eine Katastrophe

    Denn wie sich auch am Marktplatz, etwa an den Eingängen zu Geschäften, zeigt sich: Barrierefreiheit ist nicht pauschal mit möglichst überall stufenlosen Zutritten gleichzusetzen. Für Sehbehinderte stellen kantenlose Laufflächen eine Katastrophe dar, wenn tastbare Markierungen fehlen. Kanten von sechs Zentimetern Höhe, so Depner, seien für Sehbehinderte und Blinde gut erkennbar – alles darunter seien maximal "faule Kompromisse".

    Karl Depner (rechts) weist Thomas Vizl, den Fraktionsvorsitzenden von Geo-net, an der Fußgänger-Ampel in der Grabenstraße auf das Fehlen eines akustischen Auffinde-Signals hin.
    Karl Depner (rechts) weist Thomas Vizl, den Fraktionsvorsitzenden von Geo-net, an der Fußgänger-Ampel in der Grabenstraße auf das Fehlen eines akustischen Auffinde-Signals hin. Foto: Michael Mößlein

    Der Praxistest geht in der Kirchgasse hinter der Stadtpfarrkirche weiter. Die flachen Gehwegplatten dort in der Mitte der Fahrbahn können Blinden durchaus zur Orientierung helfen. Doch dann münden diese auf dem kleinen Platz vor der Johanniskapelle in eine komplett mit Platten belegte Fläche. Blinde wissen hier nicht mehr weiter. In solchen Situationen, ebenso wie an Straßen ohne passend markierte Übergänge, seien Blinde dann zwingend auf die Hilfe von anderen angewiesen, macht Thaler ihre Hilflosigkeit als Blinde in solchen Situationen deutlich.

    Treppenstufen werden zur gefährlichen Stolperfalle

    Eine Stolperfalle verbirgt sich zudem am benachbarten Zugang zum Gotik-Museum. Dort sind zwei Treppenstufen zwar optisch durch weiße Streifen gekennzeichnet, doch es fehlen abgesetzte Markierungen, die für Sehbehinderte erkennbar wären.

    Am Eingang zum Gotik-Museum in der Johanniskapelle sind die beiden Treppenstufen zwar optisch markiert, doch für Sehbehinderte ist diese Stolperfalle nicht wahrnehmbar.
    Am Eingang zum Gotik-Museum in der Johanniskapelle sind die beiden Treppenstufen zwar optisch markiert, doch für Sehbehinderte ist diese Stolperfalle nicht wahrnehmbar. Foto: Michael Mößlein

    Einem Himmelfahrtskommando gleicht der Versuch, als Blinder von der Bürgermeister-Weigand-Straße kommend die Kolpingstraße zum Busbahnhof zu überqueren. Hier fehlen jederlei Hilfsmittel und Markierungen am Boden. Die beste Lösung wäre hier an der Staatsstraße laut Depner eine Bedarfsampel für Fußgänger. Am Busbahnhof angekommen, zeigt sich, dass die kleingeschriebenen Busfahrpläne nicht nur für Sehbehinderte nicht nutzbar sind: Auch Rollstuhlfahrer oder etwa Kleinwüchsige haben kaum eine Chance, die hoch hängenden Pläne zu entziffern.

    Behindertenbeauftragter: Geo-net kündigt neuen Vorstoß an

    Für Vizl hat der Rundgang erneut bestätigt, dass die Stadt Gerolzhofen einen Behindertenbeauftragen benötigt. Er kündigte für das kommende Jahr einen erneuten Vorstoß seiner Fraktion im Stadtrat an, ein solches Amt, besetzt mit einer Frau oder einem Mann mit Handicap, zu etablieren. Deren oder dessen Hauptaufgabe wäre es, die Stadt in allen Vorhaben zu beraten, die die Interessen von Menschen mit Handicap berühren. Insoweit ist es für Vizl unabdingbar, in die zu bildende Jury für den bevorstehenden Wettbewerb zur Neugestaltung des Gerolzhöfer Marktplatzes jemanden mit einer solchen Funktion zu berufen.

    Der BBSB bietet bauliche Fachberatung für die Berücksichtigung von Bedürfnissen von Menschen mit Einschränkungen über eigene Experten kostenfrei an, erklärte Depner. Er nimmt aus Gerolzhofen den Eindruck mit, dass es hier aus Sicht der Barrierefreiheit zwar "viel zu machen gibt". Doch absolut begrüßenswert ist für ihn die vorhandene Bereitschaft, sich den Aufgaben zu stellen.

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