Fünf Flaschen Parfüm im Wert von 322 Euro ließ ein junger Mann am 10. Januar in einem Schweinfurter Kaufhaus mitgehen. Er wurde erwischt, einen Tag später saß er schon vor Richter Michael Roth im beschleunigten Verfahren: Drei Monate Haft auf Bewährung wegen Diebstahls und 30 Stunden gemeinnützige Arbeit das Urteil. Der Angeklagte akzeptierte die Strafe noch im Gerichtssaal. Es tue ihm leid und werde nicht mehr vorkommen, er habe Schulden bei einem Bekannten bezahlen müssen, hatte er erklärt.
Das "beschleunigte" Verfahren, bei dem die Strafe der Tat quasi auf dem Fuße folgt, gibt es seit 2017 in Schweinfurt und seit 2019 auch in Würzburg. Geregelt in Paragraph 417 der Strafprozessordnung ist dieses juristische Schnellverfahren an Bedingungen geknüpft: Der Sachverhalt muss überschaubar sein, die Beweislage klar.

Zeugen müssen sofort verfügbar sein, die Straferwartung darf nicht über ein Jahr betragen und bei einer zu erwartende Haftstrafe von mehr als sechs Monaten muss der Angeklagte einen Verteidiger haben. Auch Rechtsmittel wie Berufung oder Revision gegen ein Urteil im "Blitzverfahren" sind möglich.
99 beschleunigte Verfahren im Jahr 2021 gegen 115 Beschuldigte
Angewendet wird das Verfahren für Delikte wie Körperverletzung, Sachbeschädigung oder Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Besonders häufig: Diebstahl. In Schweinfurt ist ausschließlich Richter Michael Roth für diese Verfahren zuständig, er hat am Amtsgericht zwei Tage pro Woche dafür reserviert. Im vergangenen Jahr gab es laut dem leitenden Oberstaatsanwalt Axel Weihprecht 99 dieser Verfahren gegen 115 Beschuldigte, "die überwiegende Menge wegen Diebstahls".

Zuletzt hatten die beschleunigten Verfahren, die in Schweinfurt seit Jahren geübte Praxis sind, einen Fokus auf die nicht angemeldeten Corona-Proteste in der Wälzlagerstadt. Seit Beginn der nicht angemeldeten Aufzüge – sogenannter Spaziergänge – Anfang Dezember in Schweinfurt gab es insgesamt sieben beschleunigte Verfahren wegen Körperverletzungen gegen Polizeibeamte. Die Angeklagten wurden zu Geld- beziehungsweise Haftstrafen auf Bewährung verurteilt. Am Dienstag wurde eine 51 Jahre alte Frau wegen Körperverletzung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu fünf Monaten Haft auf Bewährung verurteilt.
Gleichwohl legt Axel Weihprecht, Leiter der Staatsanwaltschaft auf die Feststellung Wert, dass diese Verfahren gängige Praxis sind und nicht wegen der nicht angemeldeten Aufzüge eingeführt wurden. Alle so verhandelten Fälle hätten den Voraussetzungen entsprochen, da die Beweislage jeweils klar war und die Strafe sozusagen "auf dem Fuß " folgen sollte.
Positive Beurteilungen von Staatsanwaltschaft und Polizei
Ob ein beschleunigtes Verfahren tatsächlich mehr "Wirkung" bei den Betroffenen erzielt? Axel Weihprecht geht jedenfalls davon aus, dass es "schon einen Effekt nach sich zieht". Auch von Seiten der Polizei gibt es positive Rückmeldungen. Speziell die Verfahren nach den nicht angemeldeten Demonstrationen wurden auch von der Schweinfurter Politik ausdrücklich gelobt.