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Besuch beim Vorvorbesitzer

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Besuch beim Vorvorbesitzer

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    52 PS unter der Haube.
    52 PS unter der Haube. Foto: Gerd Landgraf

    Bei der ersten großen Ausfahrt wurde der Mercedes 170 S 600 Kilometer weit von Holland nach Niederwerrn gesteuert. Hier war der Oldtimer schon einmal – vor 55 Jahren.

    Knapp drei Jahre ist es her, als sich bei dem Niederwerrner Hans-Peter Gerner ein Holländer meldete und von seinem Auto erzählte, das Gerner einmal gehört hatte. Die Erinnerung kam schnell, und Gerner vergaß in der Aufregung, sich die Telefonnummer oder den Namen von Jan Hofstee zu notieren. Es dauerte dann zwar etwas, doch der Holländer meldete sich wieder. Jetzt kam nun der Besuch aus den Niederlanden zur Kaffeestunde. Irgendwann im Winter 1960/61 hörte Gerner von einem Amerikaner, der zwei Mercedes verkaufen wollte.

    Gerner wollte einen Mercedes kaufen, hatte 100 Dollar angespart. Er fand den Amerikaner und ging mit dem Soldaten in die Conn-Kaserne. Dort stand der 170 S, ein Zweisitzer-Cabrio, und ein 170 V. Der S hatte es Gerner angetan. Auf die Frage nach dem Kaufpreis fragte der Soldat, was der Niederwerrner zahlen wolle. Der Wahrheit entsprechend gab Gerner an, dass er 100 aber keinen Dollar mehr habe. Der Handel klappte. Der Soldat fotografierte noch einmal den damals schwarzen Wagen. Das Foto hat Gerner noch heute.

    Mercedes wurde weiß lackiert

    Er brachte das runtergekommene Prachtstück mit einem Abschleppwagen zum elterlichen Betrieb, ein Autohandel. „Zehn Minuten später“ hatte er in der Garage das Verdeck ab- und die Sitze ausgebaut. Die Holzeinbauten waren vergammelt, der Himmel keine Zierde mehr, an den Kotflügeln hatte der Rost genagt, die blinden Chromteile ließen die ehemalige Pracht des guten Stückes nur noch erahnen, sagt Gerner rückblickend.

    Nach und nach besserte ein Wagner in der Rhön die Holzteile aus. Um die Technik und die Karosserie kümmerte sich Gerner, der den Mercedes weiß lackierte. Mit dem auf das Geschäft – und somit auf die Mutter – zugelassenen Auto ging es im Sommer in den Urlaub nach Italien. Nicht nur das Reiseziel war zu dieser Zeit eher ungewöhnlich. Auf dem Beifahrersitz saß Freundin Helga, mit der Gerner noch nicht verheiratet war.

    1962 suchte Gerner dann einen Käufer. Leicht sei ihm und seiner Frau das wahrlich nicht gefallen. Doch das Geld wurde gebraucht. Gekauft hat ein Soldat der US-Army. Sjoquist Warner hatte zwar nicht die geforderten 5000 Deutschen Mark, aber etliche Dollar, die auf dem Konto des Niederwerrners mit rund 4500 Mark zu Buche schlugen. Warner nahm den Mercedes mit in die Staaten.

    40 Umzüge in den Staaten mitgemacht

    Gerner hörte von dem 170 S nichts mehr – bis zum Anruf von Jan Hofstee. Der Holländer hatte sich im Internet nach einem 170 S in der Ausführung A (Zweisitzer, B = Viersitzer) umgesehen und war 2010 in Los Angeles bei Sjoquist Warner fündig geworden. Der Amerikaner berichtete dem Holländer, dass er das Auto schon lange besitze, dass er es bei 40 Umzügen nicht aufgegeben habe, jetzt aber verkaufen wolle.

    Ungesehen langten Jan und Ehefrau Bellamie zu und zahlten 20 000 Euro. Der Mercedes wurde in einen Container verpackt und per Schiff nach Rotterdam gebracht. Was 2010 aus Übersee kam, das war „eigentlich komplett Schrott“, so der neue Eigentümer. Warner habe zwar viel am Auto gemacht, sei wohl auch wirklich kaum gefahren, doch was sicher gut gemeint war, sei oft das Gegenteil gewesen. Mit seinen „zwei rechten Händen“ und mit 120 000 Euro wurde der Oldtimer von Jan Hofstee aufpoliert. Dies dauerte sechs Jahre. Seit 2016 ist der 170 S einsatzbereit. Allerdings hat der alte Motor mittlerweile schlapp gemacht. Ein Austauschmotor wurde eingebaut.

    „So schön war er nicht mal am ersten Tag“

    Nach Niederwerrn brachte Jan Hofstee Fotos von Sjoquist Warner mit, die das Auto in verschiedenen Jahrzehnten zeigen, aber auch den deutschen Kfz-Brief mit der Adresse von Vorvorbesitzer Gerner und den Überlassungsschein, der bestätigt, dass Mutter Frieda einst ihrem Sohn Hans-Peter das Auto übereignete. In dem alten Kfz-Brief ist 1950 als Baujahr für das Auto mit 52 PS, 1767 Kubik und 1250 Kilogramm Gewicht angegeben.

    Als Gerner den Wagen anschaut, bricht bei ihm der Oldtimerfan durch. „Schick ist er, so schön war der nie, nicht mal am ersten Tag.“ Selbst das Radio ist ein Original, eines mit Röhren. Bei Kaffee und Kuchen denkt Gerner an die kommende Nacht. Träumen werde er, von der Fahrt nach Italien, von der Wildsau, die ihm 1961 bei Wasserlosen in den Mercedes gelaufen ist, und von dem Tanzvergnügen, zu dem er mit Freunden wollte. Daraus wurde übrigens nichts. In einer Kurve bei Bad Kissingen schmiss Gerner den Wagen um. Nach Tanzen war ihm danach nicht mehr.

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