Die in diesem Jahr miserablen Ernteergebnisse beim Mais macht auch Biogasanlagen zu schaffen. Die Anlage bei Oberspiesheim benötigt pro Jahr annähernd 19.000 Tonnen von der klein gehäckselten Futterpflanze. Andernfalls kann sie nicht ausreichend Gas für den Betrieb der Stromgeneratoren erzeugen. Die in diesem Jahr geernteten 10.800 Tonnen Mais-Substrat reichen also bei Weitem nicht aus.
Dass Tino Scheithauer und Bernhard Bedenk als Geschäftsführer der Bioenergie Oberspiesheim GmbH & Co. KG, die die Biogasanlage betreibt, am Tag nach Abschluss der Ernte dennoch ruhig und gelassen im kleinen Büro auf dem Betriebsgelände am Ortsrand in Richtung Herlheim sitzen, liegt an der vorjährigen Mais-Ernte. Diese war – ganz anders als in diesem Jahr – außergewöhnlich gut ausgefallen.
In Zahlen ausgedrückt liest sich das so: Im Jahr 2021 häckselten die Vollernter pro Hektar 57 Tonnen Mais, in diesem Jahr waren es knapp über 21 Tonnen. In einem Durchschnittsjahr sind es laut Scheithauer etwa 40 Tonnen. "Die Extreme werden immer größer", fasst er seine Beobachtungen der vergangenen Jahre zusammen.
Ausgerechnet beim Silieren regnet es in Strömen
Fast wie zum Hohn sind auf dem Hof der Biogasanlage eine Schar Helfer gerade im strömenden Regen damit beschäftigt, den angelieferten Mais in einem großen Fahrsilo mit Kunststoffplanen abzudecken, damit das Substrat ordentlich silieren kann. Zuvor fiel wochenlang kaum ein Tropfen vom Himmel – jetzt durchnässt er die Frauen und Männer, die auf dem aufgeschütteten Häckselgut herumkraxeln. Die diesjährige Dürre hat dazu geführt, dass die 24 Landwirte aus der Umgebung, die an der Biogasanlage beteiligt sind und diese jährlich mit Mais beliefern, bereits ab dem 3. August mit der Mais-Ernte begonnen haben – früher als jemals zuvor, wie Bedenk sagt.

Angesichts der extremen Dürre war allen klar: Nur mit einer Noternte ist wenigstens ein Teil der sonst üblichen Menge einzubringen. Andernfalls sinkt der Trockensubstanzgehalt des Maises unter ein kritisches Level. Am Ende wäre der Mais, der kaum Kolben ausgebildet hat, nicht mehr geeignet gewesen, um überhaupt zu silieren. Dieser Schritt ist im Vorfeld notwendig, um den Mais – wie auch alle anderen Pflanzen, die in die Biogasanlage eingebracht werden – später in den Fermentern vergären zu lassen. Das dabei entstehende Gas wiederum treibt die Motoren der Stromgeneratoren an. Dort verbrennt also nicht der Mais an sich, erklärt Mitarbeiter Ulrich Hegler.
Rettet Hirse über die erwarteten Dürre-Sommer?
Zwar wird in der Oberspiesheimer Biogasanlage nicht nur Mais vergoren, doch macht dieser den absolut größten Anteil des verwendeten Substrats aus. Auch hier hat Scheithauer Zahlen parat: In diesem Jahr wurden auf 520 Hektar Mais für die Anlage angebaut. Auf 20 Hektar steht noch Hirse und wartet auf die Ernte. Dies stellt nach Angaben des Geschäftsführers einen Versuch dar, anstelle von Mais eine andere Frucht zur Ganzpflanzensilage einzusetzen. Was Hirse attraktiv macht: Sie braucht zum Wachsen weniger Wasser als Mais. Bei der Hirse sind es etwa 250 Liter Wasser, die die Pflanzen benötigen, um ein Kilo Trockensubstanz zu gewinnen. Beim Mais sind es dagegen 350 Liter.

Hirse, wie auch andere, mit Trockenheit besser zurecht kommende Pflanzen, könnten also in künftigen Dürre-Sommern durchaus eine größere Rolle in der Biogas-Erzeugung spielen. Im kommenden Jahr möchte man deshalb auf circa 30 Hektar Luzerne anbauen, um aus diesen blühenden Pflanzen Biogas zu gewinnen.
Nicht jeder Grünschnitt ist für die Biogasanlage geeignet
Daneben verbraucht die Anlage in Oberspiesheim pro Jahr 3000 Tonnen Festmist. Doch diesen Anteil zu erhöhen, ist gar nicht so einfach, nicht nur aus technischen Gründen, erläutert Bedenk. Eine entscheidende Rolle, welche Grundstoffe in einer Biogasanlage überhaupt eingesetzt werden dürfen, spielt das EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz). Laut diesem dürfe beispielsweise Altbrot nicht in den Fermentern landen.
Auch bestimmter Grünschnitt von Straßenrändern darf Scheithauer zufolge nicht verwendet werden, etwa der, der entlang von Bundesstraßen und Autobahnen gewonnen wird, weil dort die Belastung durch Reifenabrieb und sonstige Schadstoffe zu groß ist. Grünschnitt von Landstraßen sei zwar erlaubt, doch in der Praxis zeige sich, dass dort zu viel Müll liegt, der über das Schnittgut in die Anlage gelangt. Dieser verseuche dann das Substrat, das am Ende, nach der Vergärung, nicht mehr als Dünger ausgebracht werden kann.

Es ist also gar nicht so einfach, einen Ersatzstoff für den Mais zu finden, um damit die Biogasanlage zu füttern. Die verstärkte Vergärung von Stroh sei zwar denkbar, erfordere aber laut der Geschäftsführer technische Umrüstungen in Millionenhöhe. Doch um diese wird die Biogasanlage kaum umhin kommen, wenn sie über das Jahr 2026 hinaus weiterlaufen soll. Dann endet die zunächst auf 20 Jahre festgelegte Betriebszeit der Anlage – und auch die laut EEG-festgelegte Einspeisevergütung für den produzierten Strom. Wenn die Anlage dann für weitere zehn Jahre weiterlaufen soll, muss deren Betrieb neu ausgeschrieben werden. Klar sei allerdings, sagt Bedenk, dass der Maisanteil beim Substrat künftig nur noch bei maximal 45 Prozent liegen darf.
Maisanbau soll nicht überhand nehmen
Mit dieser Deckelung möchte der Gesetzgeber verhindern, dass der Maisanbau im Vergleich zu anderen Feldfrüchten einen zu großen Anteil einnimmt. Wobei Bedenk diese Sorge zumindest für die hiesige Region für nicht begründet hält, denn hier würden nur auf circa elf Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche Mais angebaut. Getreide mache dagegen einen deutlich größeren Anteil aus.
Seit Inbetriebnahme hat die Oberspiesheimer Biogasanlage sich bereits mehrfach neuen Anforderungen und veränderten Rahmenbedingungen angepasst, erklärt Scheithauer. So laufe die Anlage, deren Bemessungsgrundlage eine Leistung von 1400 Kilowatt (kW) pro Stunde ist, seit Jahren nicht mehr als sogenanntes Grundlastkraftwerk. Vielmehr produziere das Kraftwerk heute täglich etwa acht Stunden lang Strom – zu Zeiten, in denen Strom besonders dringend benötigt wird und entsprechend teuer verkauft werden kann. Hierzu wurden die Gasspeicher erweitert und auch zwei zusätzliche Generatoren (1200 und 1000 kW) installiert, um in Spitzenlastzeiten möglichst viel Strom herzustellen.
Biogasanlage deckt Strombedarf der Einwohner Gerolzhofens
Durchschnittlich sind es rund 30.000 kW-Stunden, die die Anlage pro Tag produziert, sagt Mitarbeiter Hegler. Auf dem Papier deckt dies in etwa den Strombedarf einer Stadt wie Gerolzhofen mit ihren nicht ganz 7000 Einwohnern, allerdings ohne die dortige Industrie. Die entstehende Wärme nutzt übrigens eine benachbarte Gärtnerei, die damit ihre Treibhäuser heizt und so über eine Million Liter Heizöl spart.

Damit die Stromproduktion weiter nicht gefährdet ist, muss allerdings auch die Witterung mitspielen. Zwar reicht die jüngst eingelagerte Silage aus der diesjährigen Maisernte für einen sicheren Betrieb bis zu Ernte 2023, berichtet Scheithauer. Dies sei aber auch nur deshalb der Fall, weil noch Silage aus der herausragenden Vorjahresernte vorrätig ist. Sollte im kommenden Jahr nicht wenigstens eine Durchschnittsmenge geerntet werden, dann könnten Biogasanlagen wie die in Oberspiesheim schnell an den Punkt gelangen, wo die Produktion gefährdet ist.