Der Sirenenalarm kurz nach 19 Uhr kündigte am Donnerstag eine Großübung der Feuerwehren in Gerolzhofen an. Im Rahmen der Feuerwehr-Aktionswoche – früher noch als "Brandschutzwoche" bezeichnet – übten rund 50 Männer und Frauen der Feuerwehren aus Gerolzhofen und Rügshofen, der Betriebsfeuerwehr der Saint-Gobain Abrasives GmbH und des Roten Kreuzes gemeinsam. Ihnen wurde eine schwere Aufgabe gestellt.
Eigentlich wollte der Kommandant der Gerolzhöfer Stützpunktwehr, Martin Zink, das Übungsobjekt bis zuletzt geheim halten. Doch an der Eingangstür im Gebäude des ehemaligen Bürgerspitals hing dieser Tage bereits ein Zettel der Bibliotheksleitung, auf dem zu lesen stand, dass hier am Donnerstag eine größere Übung der Feuerwehr stattfinden wird. Und wie in einer Kleinstadt wie Gerolzhofen üblich, verbreitete sich diese Meldung schnell. Deshalb wussten die meisten Feuerwehrleute schon vorab, was auf sie zukommt.
Gebäude war komplett verraucht
Dieses Wissen änderte aber nichts an der Tatsache, dass die Herausforderungen an die Floriansjünger enorm waren. Angenommen war ein Brand in den Räumen der Stadtbibliothek. Das Treppenhaus, das Stadtarchiv im Erdgeschoss und die Etagen der Bibliothek waren mit Kunstnebel komplett verraucht. Die bei der Sanierung des Gebäudes neu installierte Brandmeldeanlage jaulte pausenlos. Die Sicht war gleich null. Einige Personen standen an geöffneten Fenstern mitten im Qualm und riefen verzweifelt um Hilfe. Weitere Personen – ihre genaue Anzahl war zunächst unklar – galten als vermisst.
Die in einem langen Konvoi anrückenden Einsatzfahrzeuge sammelten sich zunächst im Verfügungsraum in der Grabenstraße. Zwei Löschfahrzeuge und die Drehleiter wurden in die Spitalstraße beordert, um vom Innenhof des Spitals den Innenangriff zu starten. Ein drittes Löschfahrzeug wurde in der engen Schulgasse positioniert, um die Westseite des Gebäudekomplexes abzusichern und die Personenrettung über die vor nicht allzu langer Zeit aus Brandschutzgründen neu angebaute Fluchttreppe zu organisieren.

300 Meter lange Schlauchleitung
Da die Versorgung mit Löschwasser ausschließlich über die Hydranten angesichts des alten Leitungsnetzes in der Spitalstraße und am Marktplatz zu unsicher war, wurde mithilfe des Schlauchwagens eine rund 300 Meter lange Schlauchleitung zum Wasserbunker gegenüber der ehemaligen Post gelegt. Dort war die Feuerwehr Rügshofen für das Einspeisen des Wassers zuständig.

Überraschenderweise traten dort massive Probleme auf. Als die Pumpe zuerst an dem einen, dann auch am anderen Zugang zur Zisterne angeschlossen wurde, konnte kein Unterdruck erzeugt werden. Offenbar, so die Vermutung, sind die unterirdischen Anschlüsse zum Wasserbunker, der schon seit zig Jahren nicht mehr benutzt wurden, zerrostet und zusammengefallen.
Schnell Saugschläuche gekuppelt
Das Rügshöfer Feuerwehrteam reagierte aber perfekt. Auf der Grünfläche neben dem Kiosk suchte man den Kontrollschacht der Zisterne, konnte dessen schweren Eisendeckel öffnen und dann mit eilig zusammengekuppelten Saugschläuchen doch noch – mit Verspätung – Löschwasser in Richtung Bürgerspital pumpen.
Dass man auf den Defekt an den Zisternen-Zugängen entdeckt hat, ist ein positiver Nebeneffekt dieser Übung. Die Stadt muss nun möglichst zügig den Schaden am Wasserbunker reparieren. Im Ernstfall wäre natürlich auch die Wasserentnahme im aufgestauten und etwa gleich weit entfernten Volkach-Bach möglich gewesen. Doch angesichts des Klimawandels sollte man sich nicht mehr darauf verlassen, dass zu jeder Jahreszeit noch ausreichend Wasser im Bach ist. Den insgesamt drei Löschwasser-Bunkern in der Innenstadt kommt deshalb eine gestiegene Bedeutung zu.
Drehleiter-Einsatz ist nicht möglich
Während der laufenden Übung ist man auf weitere Probleme gestoßen. Es zeigte sich, dass ein Einsatz der Drehleiter an der Westseite des Spital-Komplexes derzeit nicht möglich ist. Der Grund ist die Baustelle des Hotels "Wilder Mann". Normalerweise fährt die Drehleiter im Ernstfall hier vorwärts in den Pausenhof der Grabenschule rein, um dann rückwärts in den Spitalgarten zu stoßen. Momentan geht dies aber nicht.

Ein Drehleiter-Angriff über die enge Spitalstraße in den Spital-Innenhof hinein ist ebenfalls sehr schwierig. Das große Fahrzeug müsste dazu erst ein Stück weit in die Brunnengasse fahren, um dann rückwärts durch die sehr schmale Zufahrt in den Hof zu stoßen. Ob so ein heikles Fahrmanöver beispielsweise mitten in der Nacht gelingt, darf bezweifelt werden. Außerdem würde die Drehleiter im Hof dort die Bewegungsfreiheit der Feuerwehrleute dann stark einschränken.
Steckleitern kamen zum Einsatz
Aus einsatztaktischen Gründen spricht auch der Umstand, dass sich die Leiter im Hof im Ernstfall im Trümmerschatten eines Brands befinden würde, gegen das Vorziehen des Fahrzeugs in den Hof. Denn sollte im Bürgerspital tatsächlich mal ein Brand ausbrechen, dann könnte er auf das Dach übergreifen, das sich durchgehend von der Bibliothek, über die Musikschule bis vor zur Spitalkirche zieht. Die Einsatzleitung der Übung verzichtete deshalb am Donnerstagabend auf den Einsatz der Drehleiter. Statt dessen wurden Personen über Steckleitern aus den Fenstern gerettet.

Sechs Trupps unter schwerem Atemschutz suchten das verrauchte Gebäude ab und retteten die "Vermissten", die von Mitgliedern der Jugendfeuerwehr dargestellt wurden. Eine besondere Herausforderung für die Retter war es, als eine Person entdeckt wurde, die sich von den Toiletten im Keller aus in einen Lichtschacht verkrochen hatte. Das Gitter des Schachts war von innen mit einer Kette als Einbruchschutz gesichert. Nach einigen Mühen gelang es dann doch, das Gitter zu beseitigen und die Person mit einer Leiter nach oben in den Hof zu holen.

Zum Abschluss der Übung trafen sich die Führungskräfte und die Übungsbeobachter, unter ihnen auch Mitglieder der Kreisbrandinspektion, zur Manöverkritik. Die Übung habe wertvolle Erkenntnisse gebracht, hieß es. Insbesondere habe sich der neue Notausgang an der Südseite des Spitals als sehr hilfreich erwiesen. Aus den aufgetretenen Fehlern werde man lernen und sie in die künftigen taktischen Überlegungen einfließen lassen.