Der Blick in die Statistik ist ernüchternd: Die Stadt Schweinfurt steht beim Sammeln von Biomüll aus Haushalten so ziemlich an letzter Stelle in Bayern. Nur ein Kilogramm Küchenabfälle werden hier pro Einwohner im Jahr verwertet, das Gros wandert in die Restmülltonne und damit in die Müllverbrennungsanlage. „Hier muss etwas passieren“, sagt die örtliche Bürgeraktion „Müll und Umwelt“.
„Die Stadt Schweinfurt hätte die Chance, bayernweit die Nummer eins zu werden“, ist Josef Metzger, der Vorsitzende des Landesverbandes „Das bessere Müllkonzept“, überzeugt. Bei der Delegiertenversammlung in der Disharmonie in Schweinfurt präsentierte er die neuesten Zahlen des bayerischen Umweltministeriums.
Danach haben 15 von 86 Müllzweckverbänden in Bayern noch keine flächendeckende Biomüllsammlung, obwohl diese seit Jahren gesetzlich vorgeschrieben ist. Die Stadt Schweinfurt gehört hier dazu. Grüngut können die Bürger zwar an städtischen Sammelstellen abgeben oder abholen lassen, Küchenabfälle hingegen wandern größtenteils in die graue Tonne. Nach Schätzung der Bürgeraktion werden 4000 Tonnen pro Jahr über den Restmüll verbrannt.
Bürgeraktion fordert Umdenken
„Dabei ist der Biomüll der wichtigste Wertstoff“, sagt der Vorsitzende der Bürgeraktion, Peter Möhringer, und fordert ein Umdenken. Statt Verbrennung über die Restmülltonne könnte eine Vergärung mit anschließender Kompostierung eine wesentlich höhere Energieausbeute sowie zusätzliche Organik liefern. Viele Städte und Landkreise hätten dies erkannt und deshalb eine Biotonne eingeführt, um eine maximale Verwertung auch von Küchenabfällen zu erreichen. Nicht so die Stadt Schweinfurt, sie hat ihre Biotonne 2005 abgeschafft. Folglich rangiert sie unter den 86 Gebietskörperschaften in Bayern nur an 72. Stelle.
Der Landkreis Schweinfurt positioniert sich da schon besser. Er sammelt über die Biotonne 64 Kilogramm Küchenabfälle pro Einwohner im Jahr und landet auf Platz 42. Spitzenreiter ist der Landkreis Aichach-Friedberg mit 140 Kilogramm.
Dabei ist die Stadt in Sachen Biomüll ja nicht untätig, wie die Grüngutverwertung zeigt. 157 Kilogramm werden pro Einwohner im Jahr kompostiert. Das ist mehr als im Landkreis Schweinfurt (115 Kilogramm) und bringt der Stadt Platz 17 im Bayernranking ein. In der Gesamtbiomüllbilanz – Grüngut und Küchenabfälle – wird die Stadt mit 158 Kilogramm und Platz 51 aber vom Landkreis abgehängt, der mit 179 Kilogramm an 33. Stelle rangiert. Spitzenreiter ist der Nachbarlandkreis Rhön-Grabfeld mit 371 Kilogramm.
Bionmüll-Potenzial nutzen
„Im Biomüll liegt unwahrscheinlich viel Potenzial“, sagt der stellvertretende Bürgeraktionsvorsitzende Johannes Neupärtl, man müsse dieses nur nutzen. Die Bürgeraktion erwartet dabei keine „Hauruck-Aktion“ von der Stadt, sondern erst einmal mit dem Umdenken anzufangen und die Bürger dabei einzubinden, damit der Müll auch ordentlich getrennt wird. Das hat in früheren Jahren nicht so gut funktioniert, ein häufig vorgebrachtes Argument gegen die Wiedereinführung der Biotonne. Auch die räumliche Enge in der Stadt wird genannt, wenn es darum geht, noch eine dritte Tonne neben der für Restmüll und Altpapier aufzustellen. Hinzu kommt, dass zusätzliche Müllfahrzeuge angeschafft werden müssten, um den Biomüll separat abfahren zu können. Ein Kostenfaktor für den städtischen Abfallwirtschaftsbetrieb.
„Da ist halt Kreativität gefragt“, hält Neupärtl diese Probleme für lösbar und verweist auf viele positive Beispiele in Bayern, unter anderem den Landkreis Schweinfurt. Er betreibt seit 2008 am Abfallwirtschaftszentrum Rothmühle eine Biomüllvergärungsanlage, in der aus dem gesammelten Biomüll Kompost und Biogas gewonnen wird, das wiederum in Blockheizkraftwerken Strom und Wärme liefert. Nach Rechnung der Bürgeraktion könnten Stadt und Landkreis mit einer gemeinsamen Vergärung ihres Biomülls rund 18 Millionen Kilowattstunden Wärmeenergie im Jahr erzeugen. „Das entspricht 1,8 Millionen Liter Heizöl oder 60 Heizöl-Lkw“, rechnet Landesverbandsvorsitzender Metzger vor. Damit könnte man 3600 Niedrigenergiehäuser für 9000 Personen beheizen.
Geruchsbelästigungen durch Zwischenlagerung
„Das Wichtigste ist, den Biomüll nicht zu verbrennen“, betont Neupärtl. Ganz davon abgesehen, dass die Müllverbrennungsanlage in Schweinfurt seit Jahren immer wieder an ihre Kapazitätsgrenzen stoße und der Restmüll auf der Deponie Rothmühle zwischengelagert werden müsse. Durch das viele Auf- und Abladen entstünden starke Geruchsbelästigungen für die Nachbargemeinden. Außerdem benötige der An- und Abtransport unnötige Energie, die man sparen könnte, wenn man den Biomüll getrennt vom Restmüll sammeln würde.
Dass sich die Restmüllmenge mit der Einführung einer Biotonne erheblich reduzieren lässt, beweisen die Zahlen des Umweltministeriums. Das Restmüllaufkommen in Bayern beträgt demnach durchschnittlich 60 Kilogramm pro Einwohner im Jahr. In der Stadt Schweinfurt ist es mit 232 Kilogramm fast um das Vierfache höher. Oberstes Ziel müsse es deshalb zuerst einmal sein, so wenig wie möglich Lebensmittelabfall entstehen zu lassen und dann die verbleibenden Abfälle sinnvoll zu verwerten. „Wir würden uns wünschen, dass die politisch Verantwortlichen in der Stadt hier aktiv werden“, so Vorsitzender Möhringer.
Unterstützung bekommt die Bürgeraktion vom Dachverband, den die Schweinfurter 1988 mit aus der Taufe gehoben haben. Dieser will bayernweit eine Initiative zur flächendeckenden Einführung der Biomülltonne starten. In einer Resolution wird der Aufbau einer Biomüllvergärungsanlage mit Nachkompostierung und die Einspeisung des Biogases in das Erdgasnetz gefordert. „Hierzu werden wir uns Verbündete suchen, im Umweltministerium, im Landtag und bei den Parteien“, kündigt Verbandsvorsitzender Josef Metzer an.