Angesichts des gerade in Bayern durch schrille Töne des CSU-Ministerpräsidenten Markus Söder gegenüber den Grünen geprägten Wahlkampfs, möchte man meinen, das Gespräch mit Stefan Weidinger, Grünen-Direktkandidaten im Wahlkreis Schweinfurt/Kitzingen, wäre gezeichnet vom Zurückpoltern. Vom Verweis darauf, was die CSU in Bayern alles selbst falsch macht. Doch das Gegenteil ist der Fall.
Weidingers Motto auf seinem Wahlflyer prägt das Gespräch: "Gemeinsam. Ein Mensch, ein Wort". Der Quereinsteiger in die Politik ist erst seit fünf Jahren bei den Grünen Mitglied und sitzt seit 2020 in Grafenrheinfeld im Gemeinderat. Natürlich seien die Geschehnisse rund um den 5-Punkte-Plan von Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz und die anschließenden Massenproteste mit zuletzt über 250.000 Menschen in München, die für den Erhalt der Demokratie eintraten und gegen radikale Tendenzen, aufwühlend gewesen.
Doch Weidinger hat den nüchternen, analytischen Blick eines IT-Spezialisten auf Themen, und da ist er überzeugt, dass man viel mehr über die "abgearbeitete Riesenliste in der Ampel-Koalition" sprechen sollte. Darüber, was man erreicht hat. Zumal im Gegensatz zu Koalitionspartnern FDP, der um den Wiedereinzug in den Bundestag bangt, und der SPD die Grünen die Partei sind, die nach wie vor in etwa die Umfragewerte wie bei der Wahl 2021 hat.

Den Markenkern von Bündnis 9/Die Grünen weiter stärken
Für Weidinger bedeutet das, dass es richtig ist, auf den grünen Markenkern zu setzen. Sich klar zu positionieren, nicht nur bei Themen wie Klima- und Umweltschutz, sondern auch in der Wirtschafts- und Sozialpolitik, bei der Friedenspolitik, beim Thema Atomausstieg. "Die Grünen stehen für Zuversicht", findet Weidinger.
Dass Wirtschaftsminister Robert Habeck nicht nur wegen der Debatte im Vorfeld des Heizungsgesetzes sowie Außenministerin Annalena Baerbock wegen ihrer Herangehensweise an das Amt aus konservativen Kreisen kritisiert werden, kann Weidinger nicht nachvollziehen. "Das ist despektierlich und frech", verweist er auf Erfolge seiner Parteikollegen. Vor allem wie Habeck nach dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine im folgenden Winter die Energiesicherheit in Deutschland gewährleistet hat, nötigt ihm Respekt ab.
Natürlich stelle der immer noch tobende Krieg in der Ukraine "eine Zerreißprobe" für die Partei dar, so Weidinger. Doch die früheren Parteivorsitzenden Omid Nouripour und Ricarda Lang hätten da einen sehr guten Job gemacht. Dass die Partei derzeit eine Welle von neuen Mitgliedern erlebe, sei Beleg für die Kontinuität.
Die Menschen vor Ort mit ihren Anliegen ernst nehmen
Sein Herzensthema, so Weidinger, sei "Zuversicht auszustrahlen und gemeinsam in die Zukunft gehen". Die Menschen mitnehmen, sie ernst nehmen mit ihren Anliegen, ist sein Thema, bei dem er auch seine Lebenserfahrung einbringt.

Weniger Föderalismus beim Thema Bildung tue ebenso Not wie eine deutlich schnellere Digitalisierung, so der IT-Experte. Er kennt sich, auch beruflich bedingt, beim Thema Bürokratie aus, wobei nicht nur auf Bundes- und Länderebene ein Ruck durch die Verwaltungen gehen müsse, sondern die kommunale Selbstverwaltung mindestens ebenso gefragt sei. Ein Blick in Richtung Baltikum lohne sich, um bei Digitalisierung und Entbürokratisierung zu lernen: "Wo wären wir in Deutschland, wenn die IT so wie in Estland wäre?", so Weidinger.
"Pragmatismus, nicht Ideologie", das müsse man als Politiker leben und danach handeln, findet Stefan Weidinger, der sich zwar vor 2020 nicht politisch engagiert hatte, für den aber immer klar war, "dass es nur die Grünen sein konnten."
Beim Thema Migration warnt er davor, "der AfD auf den Leim zu gehen." Man müsse tätig werden, und die von der Ampel beschlossenen Schritte gingen in die richtige Richtung. Für völlig falsch hält Weidinger aber den Unions-Ansatz: "Wie soll man als Exportweltmeister alle Grenzen dichtmachen?"
"Gemeinsam in die Zukunft", dieses Motto gilt für Weidinger auch beim Thema klimafreundliche Energieerzeugung in der Region. Als Gemeinderat in Grafenrheinfeld sind die Themen Atomkraftwerk, Castor-Lager und neues Leitungsnetz wie SuedLink allgegenwärtig, genauso wie die Probleme der Industriebetriebe in Schweinfurt. Doch eines ist für Weidinger klar: "Ich glaube nicht, dass das Strecken von Klimazielen Arbeitsplätze in Schweinfurt sichert." Nur grüne Mobilität sichere die Zukunft.
Zur PersonStefan Weidinger ist 62 Jahre alt, verheiratet und hat vier Kinder sowie vier Enkel. Er lebt mit seiner Frau in Grafenrheinfeld, wo er auch seit 2020 als Gemeinderat in der Kommunalpolitik tätig ist. Stefan Weidinger arbeitet als IT-Servicemanager bei einer bundesweit tätigen Firma in Grafenrheinfeld. Quelle: oli