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Schweinfurt: Corona in Schweinfurt: Wie sich der Ordnungsreferent eine "1G-Regel" vorstellt

Schweinfurt

Corona in Schweinfurt: Wie sich der Ordnungsreferent eine "1G-Regel" vorstellt

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    Ordnungsreferent Jan von Lackum äußert sich im Interview zur aktuellen Corona-Lage in der Stadt.
    Ordnungsreferent Jan von Lackum äußert sich im Interview zur aktuellen Corona-Lage in der Stadt. Foto: Anand Anders

    Unternimmt die Stadt genug, um der Corona-Lage Herr zu werden? Im Gespräch mit der Redaktion erklärt Schweinfurts Ordnungsreferent Jan von Lackum, wo die größten Herausforderungen liegen und warum man über Impfpflicht und eine Änderung der Teststrategie nachdenken sollte.

    Frage: Herr von Lackum, hat die Stadt die aktuelle Corona-Lage eigentlich noch unter Kontrolle?

    Jan von Lackum: Kontrolle ist ein schwieriges Wort, gerade durch die geteilte Zuständigkeit in Bayern. Wir haben ein Gesundheitsamt, das für den medizinischen Teil zuständig ist, also für die Kontaktnachverfolgung und Quarantäne. Und wir haben die Kreisverwaltungsbehörden, die verantwortlich dafür sind, den Infektionsschutz sicherzustellen. Im Griff haben kann man Dinge immer nur dann, wenn man Handlungsoptionen hat. Wenn das Gesundheitsamt die Herkunft der Infektionen nicht feststellen kann, dann tun wir uns natürlich schwer. Man kann Maßnahmen ergreifen, wenn man einen Ansatzpunkt hat, was in der Vergangenheit immer wieder passiert ist. Das ist jetzt nicht mehr ganz so einfach möglich. Aber, auch wenn wir jetzt über Inzidenzen von über 300 reden, bin ich noch relativ entspannt.

    Aber sind das nicht Besorgnis erregende Werte?

    von Lackum: Wenn man jetzt nur die reine Inzidenz betrachtet, dann wäre man bei diesen Werten noch vor einem halben Jahr in Panik verfallen. Heute ist man relativ gelassen, weil man weiß, dass rund 65 Prozent der Bevölkerung geimpft sind und, dass schwere Verläufe im Wesentlichen Ungeimpfte treffen. Ob wir die Lage also im Griff haben? Ja. Unsere Intensivstationen laufen noch nicht mit Covid-Patienten über. Dennoch ist es bei zu über 80 Prozent ausgelasteten Intensivstationen und einer reduzierten Zahl an verfügbaren Intensivbetten Zeit geworden, dass Gegenmaßnahmen ergriffen werden, etwa über die bayernweite Krankenhaus-Ampel und über unsere Allgemeinverfügung.

    "Ich glaube tatsächlich, dass man durch eine breite Testpflicht, auch für Geimpfte und Genesene, viel schneller zum Ziel käme."

    Jan von Lackum, Ordnungsreferent der Stadt Schweinfurt

    Welche Möglichkeiten gibt es darüber hinaus, die aktuelle Entwicklung zu stoppen?

    von Lackum: Es muss überlegenswert sein, die Testpflicht wieder auszubreiten. Ich sehe die aktuelle Regelung kritisch, wonach das Testangebot kostenpflichtig ist. Dadurch wird einfach weniger getestet und möglicherweise streuen einige Menschen dadurch die Infektion. Im Übrigen würde ich die Testpflicht auch auf Geimpfte ausweiten. Es ist meiner Meinung nach nicht schlüssig, auf der einen Seite davon zu sprechen, dass Geimpfte und Genesene das Virus in sich tragen und weitergeben können, auf der anderen Seite schließe ich sie von der Testpflicht aus.

    Wie stellen Sie sich das vor?

    von Lackum: Ich würde komplett weggehen von 3G und 2G, hin zu 1G. Und G würde ich im Sinne von getestet verstehen wollen. Dann muss jeder einen Testnachweis erbringen, der kostenlos sein muss. Impfen lässt man sich dann, um sich selbst zu schützen. Ansonsten werden eben Kontakte reduziert, indem ich immer, auch als Geimpfter, einen Test vorlegen muss. Denn es weiß heute keiner mehr, woher die hohen Inzidenzwerte kommen. Natürlich sieht man die geöffneten Clubs und die vollen Stadien. Das kann aber nicht die alleinige Erklärung sein. Denn auch dort muss man davon ausgehen, dass 65 Prozent der Besucher vollständig geimpft sind. Insofern spielt die Impfung in meinen Augen nicht die größte Rolle. Ich glaube tatsächlich, dass man durch eine breite Testpflicht, auch für Geimpfte und Genesene, viel schneller zum Ziel käme. Wenn nämlich tatsächlich nur der reinkommt, der negativ getestet wurde, kann er auch keinen anstecken.

    Nur würde eine solche "1G-Regel" nicht den Wert einer Corona-Impfung herunterspielen? Immerhin wirbt die Stadt doch seit langem dafür.

    von Lackum: Die Impfung ist ja in erster Linie mal sinnvoll, gerade im Hinblick auf die Entlastung der Intensivstationen. Und es ergab grundsätzlich auch Sinn, die Impfung, mit dem Ziel eine Herdenimmunität zu erreichen, zu bewerben. Aber im November 2021, nach fast einem Jahr Impfung, muss man doch feststellen, dass die Herdenimmunität schwer zu erreichen ist. Und deshalb muss ich mir überlegen, ob ich an diesem ursprünglichen Ziel festhalte, oder nicht. Ich persönlich würde nicht daran festhalten, wir kriegen die Herdenimmunität nicht mehr. Jeder kann und sollte die Entscheidung zur Impfung dennoch treffen. Für mich steht der Sinn der Impfung in keiner Weise infrage.

    Eine Impfpflicht ist für Sie aber keine Option?

    von Lackum: Man kann über bestimmte Bereiche diskutieren, für die eine Impfpflicht sinnvoll wäre, auch dafür bin ich offen. Ich kann nicht nachvollziehen, warum man als Krankenpflegerin oder Krankenpfleger, die oder der täglich mit vulnerablen Personengruppen hochbetagten Alters zu tun hat, sich nicht impfen lässt. Hier halte ich eine Impfpflicht für geboten. Beispielsweise auch in der Kindertagesbetreuung oder im schulischen Bereich. Insgesamt glaube ich aber, dass wir die hohen Inzidenzwerte nur durch eine Ausbreitung der Testpflicht runterbringen können. Denn nur auf die Impfung zu setzen, halte ich für gefährlich, sie schützt eben nicht vollständig vor Infektionen.

    Ordnungsreferent von Lackum hält eine Impfpflicht in gewissen Bereichen wie der Pflege "für geboten". (Symbolbild)
    Ordnungsreferent von Lackum hält eine Impfpflicht in gewissen Bereichen wie der Pflege "für geboten". (Symbolbild) Foto: Sven Hoppe, dpa

    Im Frühjahr machte die Stadt öffentlich, dass vermehrt größere Familienverbände mit Migrationshintergrund betroffen waren. Spielt der hohe Migrationsanteil eine Rolle beim Infektionsgeschehen, etwa durch Sprachbarrieren?

    von Lackum: Ich würde mich dagegen wehren, den Migrationshintergrund als Ursache für die hohen Zahlen zu nennen. Im Frühjahr hatten wir tatsächlich Hinweise darauf, dass entsprechende Familien betroffen waren, das ist derzeit nicht der Fall. Ganz generell besuchen wir seitens der Stadt betroffene Familien ab vier Personen und bieten Unterstützung an. Sollte es dabei auch mal Sprachbarrieren geben, ziehen wir Sprachmittler hinzu, einfach um das Risiko zu minimieren, dass jemand nicht versteht, was er zu tun hat, etwa bei Quarantäneanordnung. Zurzeit verteilt sich das Infektionsgeschehen aber breit, wir haben keine Mehrungen unter bestimmten Ethnien vom Gesundheitsamt mitgeteilt bekommen.

    "Aber im November 2021, nach fast einem Jahr Impfung, muss man doch feststellen, dass die Herdenimmunität schwer zu erreichen ist."

    Jan von Lackum, Ordnungsreferent der Stadt Schweinfurt

    Könnte die Stadt aber noch mehr tun, um die Impfbereitschaft in der Bevölkerung mit Migrationshintergrund zu erhöhen?

    von Lackum: Alle Menschen zu erreichen, ist immer schwierig. Ich glaube schon, dass wir ein gutes Angebot gemacht haben und tun das immer noch. Wir haben die direkte Ansprache gesucht, zum Beispiel mit den Moschee-Vereinen, haben Impfangebote zum Freitagsgebet vor der Moschee organisiert. Wir haben in den Stadtteilen, in denen wir eine Häufungen an Infektionen feststellen konnten, als Erstes unsere örtlichen Impfangebote gemacht, beispielsweise auch mit unseren Migrationslotsen. Als Stadt haben wir gerade multilingual einiges geleistet.

    Woher kommen die Infektionen derzeit in Schweinfurt?

    von Lackum: Es sind beispielsweise die Senioren- und Pflegeeinrichtungen. Wenn es dort Ausbrüche gibt, dann sind natürlich schnell mal zehn bis 15 Menschen auf einmal betroffen, die für einen Anstieg der Inzidenzwerte sorgen. Ansonsten trifft es viele Schulen, wenngleich in den meisten Fällen immer nur ein bis zwei Schüler je Klasse infiziert sind. Überwiegend bleibt das Infektionsgeschehen aber diffus. Als Infektionsschutzbehörde fehlt uns dadurch ein konkreter Ansatzpunkt. Bei der Ursachenfindung tun wir uns in Schweinfurt nach wie vor schwer. Über das Gesundheitsamt ist derzeit auch nicht erkennbar, dass ein einzelner Stadtteil besonders betroffen wäre, die Infektionen verteilen sich. Auch bei unseren zahlreichen Kontrollen seitens des Ordnungsamtes, etwa inwiefern Gastronomen die Zutrittsbeschränkungen einhalten, wurden keine flächendeckenden Verstöße festgestellt.

    Und dennoch steigen die Zahlen unaufhörlich. Haben Sie Verständnis für die Unzufriedenheit vieler Bürgerinnen und Bürger?

    von Lackum: Natürlich kann ich Kritik verstehen. Wenn ich etwa versuche, mich in einen Gastronomen oder Geschäftsinhaber hineinzuversetzen, der um seine Existenz bangt, dann ist das natürlich nachzuvollziehen. Schwierig ist immer, dass wir als Stadtverwaltung auch für die Dinge angefeindet werden, die wir nicht ändern können. Wir versuchen Dinge umzusetzen, im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten. Ich denke, wir haben bisher insgesamt gut gehandelt im Stadtgebiet, wenn auch sicherlich nicht fehlerlos.

    Wie geht es Ihrer Meinung nach in den kommenden Monaten weiter?

    von Lackum: Klar ist, dass es einen Lockdown nicht mehr geben wird. Ich denke, man wird über eine Impfpflicht in gewissen Bereichen diskutieren und man wird in meinen Augen auch eine Wirkung der ausgeweiteten 2G-Regel wahrnehmen. Man sieht in Österreich, dass es relativ erfolgreich funktioniert, was einen Ansturm auf die Impfzentren angeht. Ich befürchte aber, dass dies ein Strohfeuer sein wird, das relativ schnell wieder erlischt. Möglicherweise wird man sich als Staat, wie eingangs erwähnt, komplett neu aufstellen und das Impfen nicht mehr einzig in den Vordergrund stellen, sondern eher eine erweiterte Teststrategie vorantreiben. Für Schweinfurt speziell wird es wohl keine gesonderten Maßnahmen geben, da künftig nach Plänen der designierten Regierungskoalition ein einheitlicher Rahmen geschaffen werden soll.

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