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Würzburg/Schweinfurt: Corona-Protest: Was Polizeigewerkschafter Grimm zum Schlagstock-Einsatz sagt

Würzburg/Schweinfurt

Corona-Protest: Was Polizeigewerkschafter Grimm zum Schlagstock-Einsatz sagt

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    Thorsten Grimm, der Personalratsvorsitzende der unterfränkischen Polizei und Bezirkschef der Deutschen Polizeigewerkschaft, beim Gespräch mit der Redaktion.
    Thorsten Grimm, der Personalratsvorsitzende der unterfränkischen Polizei und Bezirkschef der Deutschen Polizeigewerkschaft, beim Gespräch mit der Redaktion. Foto: Fabian Gebert

    Thorsten Grimm ist seit Juli 2021 Personalratsvorsitzender bei der unterfränkischen Polizei. Der 40-jährige Polizeihauptkommissar aus Schwebheim (Lkr. Schweinfurt) ist zudem Bezirkschef sowie stellvertretender Landes- und Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). Im Interview blickt er auf die jüngsten Corona-Einsätze - und sagt, was er von einer Impfpflicht für Polizistinnen und Polizisten hält.

    Frage: Sie haben in den vergangenen Wochen immer wieder auf eine Gefahr hingewiesen, die von den sogenannten Corona-Spaziergängen ausgeht. Vor allem Schweinfurt war hier durch gewaltsame Proteste an Weihnachten im Fokus. Ist die Gefahr weiterer Eskalationen gebannt?

    Thorsten Grimm: Wir dürfen das nicht unterschätzen. Die Lage bleibt sehr diffus. Wir haben viele Einsätze wegen der Corona-Proteste in Unterfranken. Nicht nur in Schweinfurt, sondern auch in Würzburg, Ebern, Hammelburg, Bad Kissingen oder Aschaffenburg. Die Allgemeinverfügungen der Kommunen waren wichtig, so haben die Bürger, die sich friedlich versammeln möchten, Maßgaben, an denen sie sich orientieren können. Wir beobachten aber auch, dass diese Verfügungen durch diverse Gruppen gezielt umgangen werden: Man trifft sich an anderen Örtlichkeiten, weg vom eigentlichen Versammlungsgelände – gesteuert über soziale Netzwerke wie Telegram. Aus meiner Sicht mit einem Ziel: die Polizei zu beschäftigen.

    Ist diese "diffuse Lage" der Grund, warum die Polizei mit teilweise massivem Aufgebot die Proteste begleitet? In Schweinfurt waren zuletzt mehrere Hundertschaften vor Ort.

    Grimm: Die braucht es auch, um die Sicherheit zu gewährleisten und den Menschen ein subjektives Sicherheitsgefühl zu geben. Die Polizei muss da ein Zeichen setzen. Schweinfurt ist ein Paradebeispiel dafür, wie sich eine Lage dynamisiert. Wir haben dort seit Wochen diese "Spaziergänge" mit dem negativen Höhepunkt am zweiten Weihnachtsfeiertag. Das beunruhigt die Bevölkerung.

    Zuletzt wurde seitens der Demonstranten auch Kritik an der Polizei laut. Die Einsatzkräfte hätten provoziert und schnell zum Schlagstock gegriffen.

    Grimm: Die Kritik ist ungerechtfertigt. Der Einsatz von Pfefferspray oder Schlagstock war Reaktion auf das Fehlverhalten einzelner Teilnehmer und ist staatlich legitimiert. Das hat nichts mit Polizeigewalt zu tun. Es gab entsprechende Anordnungen, denen nicht folgegeleistet wurde. Einige haben versucht, gewaltsam Polizeiketten zu durchbrechen, damit war eine Grenze überschritten.

    Es kursierten Videos, auf denen der Einsatz von Schlagstöcken zu sehen war. Das wirkte teilweise schon martialisch.

    Grimm: Das ist ein heikles Thema: Alle bei der Polizei sind sich bewusst, dass sie in keinen Einsatz mehr gehen, ohne dass ein Handy auf sie gerichtet ist – mit der Gefahr, dass alles online gestellt wird. Das Problem ist: Die Vorgeschichte, also was vor einer polizeilichen Maßnahme passiert ist, wird nie gezeigt. So war es auch in Schweinfurt. Das ist eine bewusste Fehlinformation, um die Polizei zu diskreditieren. Dabei muss jedem klar sein: Gewalt lassen wir uns nicht gefallen. Es gehört leider mittlerweile zur Tagesordnung, dass man angespuckt oder beleidigt wird. Gerade auf solchen Veranstaltungen. Aber darauf reagiert man im Gegensatz zu früher ja schon gar nicht mehr.

    Warum nicht?

    Grimm: Das ist zwar nicht zu tolerieren, aber da käme man aus dem Anzeigenschreiben gar nicht mehr raus. Dabei ist jede Beleidigung für sich genommen eine Straftat – vielen ist aber gar nicht mehr bewusst, was es heißt, eine Straftat zu begehen.

    Apropos Anzeigen: Am Sonntag wurden in Schweinfurt zahlreiche Personalien aufgenommen von Leuten, die mutmaßlich gegen die Allgemeinverfügung verstoßen haben. Wenn die Beschuldigten sagen, sie seien einfach nur spazieren gegangen – glauben Sie, dass denen dann noch eine Strafe droht?

    Grimm: Wir stellen die Personalien auch deshalb fest, um zu wissen, wer dort unterwegs ist. Das dient der Prävention bei künftigen Veranstaltungen. Trotzdem wollen wir, dass von uns dokumentierte Verstöße sanktioniert werden. In Schweinfurt passiert das sehr konsequent. Dort steht auf die Teilnahme an den nicht angemeldeten "Spaziergängen" eine Geldbuße von 750 Euro.

    Gewalt und Beleidigungen gegen die Polizei, Kritik an der Arbeit: Mit welchem Gefühl gehen Ihre Kolleginnen und Kollegen in solche Einsätze?

    Grimm: Es gibt Einheiten, zum Beispiel bei der Bereitschaftspolizei, die sind jeden Tag auf einer solchen Versammlung. Die kommen nicht mehr aus den Stiefeln. Wir gehen das natürlich professionell an. Aber irgendwann macht sich da auch Frustration breit.

    Wie wird das personell gestemmt?

    Grimm: Mit allen Kräften, die wir aufzubieten haben, auch mit Unterstützung außerhalb Unterfrankens. Dabei wird in Kauf genommen, dass die Überstundenkonten wieder überlaufen.

    Wie ist hier der aktuelle Stand?

    Grimm: Bayernweit hatten sich vor einigen Monaten 2,1 Millionen Überstunden bei der Polizei angesammelt. 2021 konnten, auch weil einige Veranstaltungen ausgefallen sind, einige Stunden abgebaut werden. Jetzt schätze ich, sind wir bald wieder auf dem alten Stand. Angesichts des Programms 2022 sind das keine guten Aussichten. Wir werden da in ganz andere Sphären vorstoßen. Hier darf niemand später die Diskussion führen, dass die hohen Stundenstände schnell abgebaut werden müssen.

    Inwiefern?

    Grimm: Vor uns liegt das ereignisreichste Jahr seit langem. Die Sicherheitskonferenz in München. Die Versammlungslage, die sich nicht entspannen wird, solange die Frage über eine Impfpflicht offen ist. Die Innenministerkonferenz in Würzburg Anfang Juni. Der G7-Gipfel in Elmau. Die European Championships – die größte Sportveranstaltung im Münchener Olympiapark seit den Spielen 1972. Und irgendwann wird auch der Profifußball wieder mit Zuschauern stattfinden.

    Dazu kommen auch die Kontrollen der Corona-Regeln.

    Grimm: Richtig. Da badet die Polizei gerade Versäumnisse in anderen Verwaltungsbereichen aus. Ordnungs- oder Gesundheitsämter hätten sich da besser vorbereiten können. Wir unterstützen gerne, wo wir können. Etwa bei der Kontaktverfolgung. Aber wir kommen auch an unsere Grenzen.

    Die Impfquote innerhalb der unterfränkischen Polizei ist relativ hoch. Aber wie geht man bei der Polizei eigentlich mit ungeimpften Polizistinnen und Polizisten um? Und kontrollieren ungeimpfte Beamtinnen und Beamte die Einhaltung von Corona-Regeln?

    Grimm: Kontrollen zur Einhaltung der 2G-Regel werden nicht von ungeimpften Polizisten durchgeführt. Das ist unterfränkische Leitlinie. Einige wenige Kolleginnen und Kollegen haben Vorbehalte gegen das Impfen – teils aus nicht nachvollziehbaren Gründen. Wir versuchen da zu überzeugen. Wo es nicht geht, arbeiten wir mit regelmäßigen Tests, Homeoffice-Möglichkeiten, Einzelbüros.

    Bei der Polizei gibt es keine Impfpflicht. Wären Sie dafür?

    Grimm: Ich bin für eine allgemeine Impfpflicht. Wenn die kommt und für bestimmte Berufsgruppen wie die Polizei früher gilt, würde ich auch dahinterstehen.

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