In der Unterfranken-CSU glauben sie trotz schwacher Umfrageresultate weiter an Markus Söder. Während draußen der Sturm wütet, jubeln über 500 Zuhörer dem Ministerpräsidenten bei der öffentlichen Kundgebung auf dem CSU-Bezirksparteitag in Schweinfurt zu. Söder hält im Festzelt auf dem Ufra-Gelände eine kämpferische, phasenweise auch von nachdenklichen Tönen geprägte Rede.
Gut eine Stunde lang redet Söder, und es dauert tatsächlich 28 Minuten, bis er zum ersten Mal von Zuwanderung und Migration spricht. Noch bemerkenswerter ist, wie er davon spricht: Ein „persönliches Dankeschön“ richtet er an die vielen bayerischen Flüchtlingshelfer und an die Kirchen, bevor er seine Politik der „Ordnung“ mit Hinweis auf Ankerzentren, Grenzpolizei und konsequente Abschiebungen lobpreist. Die Zeiten, dass man in der CSU glaubte, die Leute allein mit Härte und starken Worten zu erreichen, sind vorbei. Die AfD ist endgültig zum Feindbild avanciert. Wie „dieser Herr Höcke“ Seite an Seite mit NPD, Hooligans und ausgerechnet einer weißen Rose im Knopfloch durch Chemnitz marschiert ist, sei „unappetitlich“ und „geschichtsvergessen“. Gleiches gelte für AfD-Plakate mit dem Slogan „Strauß würde AfD wählen“. Söder: „Strauß hätte die AfD bekämpft, dies zu tun, sind wir ihm und uns schuldig.“ Zuvor hatte schon Landtagspräsidentin Barbara Stamm, die unterfränkische CSU-Spitzenkandidatin, davor gewarnt, Bayern einer Partei zu überlassen, „deren Vertreter wir gar nicht kennen; geschweige denn, dass sie etwas für das Land geleistet haben“.
Politik ist kein Robinson-Club
Der Ministerpräsident mahnt die Zuhörer, in einer Welt, in der man sich auf die US-Amerikaner nicht mehr verlassen könne, in der der Brexit zum „Rosenkrieg“ werde und ein Land wie China zeige, dass Wohlstand und Reichtum „auch ohne Demokratie möglich sind“, das „Wesentliche“ nicht aus den Augen zu verlieren. Statt Deutschland und Bayern zu „verzwergen“ und zu hoffen, dass Politik „wie der Robinson-Club“ jedes Ego-Interesse befriedigen könne, gelte es, ein „starkes und lebenswertes Bayern“ und damit die Demokratie als Ganzes zu sichern. Sätze, die viele Politiker auch anderer Couleur unterschreiben würden. Nur der Schluss, den sie ziehen, wäre ein anderer. Laut Söder kann jedenfalls allein die „Volkspartei CSU“ die Errungenschaften der vergangenen Jahrzehnte – und damit die Stabilität Bayerns – sichern.
Der Ministerpräsident sieht den Freistaat denn auch als Gegenentwurf nicht nur zu Ländern wie Brandenburg oder Berlin, wo es bis zu einem Jahr dauern könne, bis ein verloren gegangener Pass ersetzt werde, sondern vor allem auch zum Bund. Die Verantwortlichen dort drehten sich „endlos im Kreise“ statt zu entscheiden. Kein Mensch wisse, „was der gemeinsame Geist dieser Koalition ist“. Mehr als ein Seitenhieb auch gegen die eigenen Leute. Den Namen Horst Seehofer erwähnt Söder nicht, aber er hängt wie dicker Nebel über diesem CSU-Treffen.
Seehofer-Rücktritt als Wahlkampf-Schub?
„Es könnte so gut laufen, wenn es Seehofer mit seinen Störmanövern nicht gäbe“, ist ein CSU-Verantwortlicher sicher. Namentlich zitieren lassen will sich in dieser heißen Wahlkampf-Phase niemand, nach außen hält man die Reihen geschlossen – und freut sich lieber wie Bezirkschef Gerhard Eck über den „großartigen Auftritt von Markus Söder“. Aber die Kandidaten für die Landtags- und Bezirkswahl sind sich weitgehend einig in Ärger und Wut über den Parteichef. „Wir dringen mit Landespolitik nicht durch“, klagt einer. „An den Infoständen wollen alle nur noch über den Fall Maaßen reden – und schimpfen“. Die vergangene Woche sei einmal mehr für den Wahlkampf eine verlorene gewesen. Während man im Bezirksvorstand mit der großen parteiinternen Abrechnung noch am Wahlabend rechnet, sagt ein Delegierter: „Vielleicht sollten wir Horst Seehofer noch vor dem 14. Oktober zum Rücktritt zwingen. Das könnte der Schub sein, den wir im Wahlkampf jetzt brauchen.“