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SCHWEINFURT: Das legendäre "Shepherd's": Eine Wurst – drei Menüs

SCHWEINFURT

Das legendäre "Shepherd's": Eine Wurst – drei Menüs

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    Er hatte eine gute Stelle als Buchhalter bei einer renommierten Schweinfurter Firma. Alles gut? Nein. Dieter Pickel kämpfte innerlich mit dem Gedanken, noch mal „was ganz anderes zu machen“ und entschied sich innerhalb von 14 Tagen, obwohl das Geld dazu fehlte, eine Kneipe aufzumachen. Vorgabe Nummer eins: ein „hervorragendes Lokal für hervorragende Leute“. Nummer zwei: Dieter Pickel war und ist Musikfan, hörte und hört noch immer leidenschaftlich gerne vor allem Jazz. Miles Davis, Ella Fitzgerald, Stan Getz, deren Konzerte hat er besucht. Zu einem Lokal seiner Vorstellung gehört also auch „tolle Musik“.

    Dass das am 7. Oktober 1969 eröffnete „Shepherd's“ zu einer Kultkneipe und er dementsprechend zur Schweinfurter Einrichtung schlechthin werden sollte, wusste der damals 27-Jährige nicht. Fünf Jahre wollte er Wirt sein, 30 Jahre wurden daraus.

    Name möglichst amerikanisch

    Die Kneipen, die es damals schon gab in Schweinfurt, die zählt der mittlerweile 68-Jährige wie aus der Pistole geschossen auf: Geronimo (noch heute), Töff Töff in der Schultesstraße, Rauchfang am Bergl, Bobs Bierbar und das Lodge, wie sein Shepherd's ebenfalls in der Hadergasse angesiedelt. Aber: Seine Kneipe sollte anders sein. Gut: Der damaligen Zeit angepasst, musste der Name für die Kneipe prägnant und möglichst amerikanisch sein. In Heidelberg hatte er ein Lokal gesehen, das ihm gefiel. Von „Shepherd's Lounge“ genügte ihm der erste Teil.

    Das Brotzeitstüble in der Hadergasse stand leer. Pickel zauberte daraus die Kneipe seiner Vorstellung. Große Theke, 26 Sitzplätze, Holzschindeln an der Wand und Schiebetüren, die zu den Toiletten führten – fertig war der „Schäfer“. Verändert hat Dieter Pickel, der mehr war als Wirt, in all den Jahren nichts.

    Drei Menüs

    Kult war auch das Essen. Es gab nur drei Menüs – eins bis drei. Das waren Polnische mit Brot und Meerrettich für Nummer eins. Bei Menü zwei gab's Senf statt Meerrettich, bei drei reichte Pickel zu den Polnischen Senf und Meerrettich für 6 Mark. Ein Schmalzbrot für 4 Mark war die kulinarische Alternative. „Ich war ja ein Einmannbetrieb“, sagt er. Zuständig für Musik, Ausschank, Stimmung, da blieb nicht auch noch Zeit, sich lange in der Küche aufzuhalten.

    Pickel, der von Gästen oft als Dieter Shepherd's angesprochen wurde, erinnert sich genau an die Anfänge. Horst Müller, mit dem er bis heute dick befreundet ist, war als junger Arzt im St.-Josefs-Krankenhaus beschäftigt. Für viele seiner Kollegen war das Shepherd's in der Hadergasse schnell Stammkneipe. Oder die Kanzlei von Rainer Wichtermann. Die Anwälte brachten die anderen Juristen in die Hadergasse. Bald war Werbung nicht mehr nötig, das Shepherd's war in, das Who ist Who aus Schweinfurt gab sich die Ehre.

    Längst liegen mehrere Fotoalben auf dem Tisch. Der Reporter erkennt nicht alle Abgebildeten sofort, aber als er die Namen hört, staunt er schon, wer da alles sein Bierchen im Shepherd's trank. Natürlich sei damals viel „politisch diskutiert worden“, erinnert sich Dieter Pickel an die Zeit Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre. Die Gäste waren „aller Couleur“, die Thekengespräche entsprechend vielseitig und „spannend“.

    Musik: Die Beatles favorisierte er vor den Rolling Stones. Dann legt er bei sich zu Hause in der Gartenstadt eine Kassette mit dem Klassiker „Sergeant Pepper's Lonely Hearts Club Band“ auf. Pickels Augen glänzen – „das haben die Leute geliebt“, sagt er. Noch einmal kramt er in einer Kiste, Bill Haley, Jerry Lee Lewis, Paul Anka, Fats Domino und schließlich Little Richard. Er drückt auf den Knopf des alten Rekorders, dreht laut und hat schon wieder diese feuchten Augen: „Beim King of Rock'n'Roll haben 250 Leute Kopf gestanden“, erinnert er sich. Ja, so viele waren da manches Mal drin im Shepherd's.

    Jetzt ist er der 68-Jährige nicht mehr zu halten, er erzählt Anekdote auf Anekdote. Nennt richtige Größen, die im Shepherd's waren. Manager der Großfirmen, Schauspieler, Unternehmer, die über die Menüs staunten, sich meist aber für Nummer zwei entschieden: Polnische mit Senf. 1999 hat Dieter Pickel endgültig zugesperrt.

    Viele haben sich danach im Shepherd's versucht, alle sind gescheitert. Wenn er heute an seinen Mut damals denkt, alles hinzuwerfen? „Nein, Mut war das nicht, auch keine Aufbruchstimmung, es musste sein“, sagt Dieter Pickel. Er würde also alles noch einmal so machen? „Klar, das war eine schöne Zeit.“

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