Es ist, man kann es nicht anders sagen, ein Schmuckstück geworden. Das Alte Rathaus in Oberlauringen wurde zum „Rückert-Poetikum“, der Umbau des schönen, ortsbildprägenden Fachwerkhauses unterhalb der Kirche im Stadtlauringer Gemeindeteil ist mittlerweile fertig.
Am Tag des offenen Denkmals am 11. September wird es der Öffentlichkeit vorgestellt, danach wird die Dauerausstellung eingerichtet und eingebaut. Die große Eröffnung des Hauses zu Ehren des Dichters Friedrich Rückert wird wohl Ende des Jahres sein.

Gelbe Balken, weißes Fachwerk, rotes Dach und eine Hausseite mit dunkelgrauem Schiefer gedeckt – die 440 000 Euro Sanierungskosten waren gut investiertes Geld für das Gebäude, in dem zuletzt die Sparkasse eine Dependance hatte und im Obergeschoss Seniorengruppen Platz fanden. Beide haben eine neue Bleibe, die Senioren treffen sich nur wenige Meter entfernt im Alten Pfarrhaus, wo auch die Rückert-Herberge im Obergeschoss untergebracht ist.
Der Weg war frei für das Rückert-Poetikum, das natürlich gerade im Jahr des 150. Todestages Friedrich Rückerts mit all den Ausstellungen in und um Schweinfurt gut ins Bild passt. Das Rückert-Poetikum im Rückert-Dorf Oberlauringen ist aber noch viel mehr – ein Identifikationspunkt für die Bürger des Ortes, die sich viel mehr als in der Öffentlichkeit wahrgenommen mit dem großen Dichter des 19. Jahrhunderts identifizieren.
Kinderjahre in Oberlauringen
Rückert wurde zwar 1788 in Schweinfurt geboren, er wuchs aber zwischen 1793 und 1802 in Oberlauringen auf, wo sein Vater Amtmann beim Freiherrn Carl August Truchsess von Wetzhausen war. Vom Elternhaus gibt es nur noch die Pforte, die heute als Eingang zum Rückert-Garten dient, wo auf zahlreichen Stelen Rückert-Gedichte zur Natur zu finden sind.

Doch der Weltpoet – der nun wieder in Mode zu kommen scheint, da interessanterweise seine Gedanken und Ansichten zu den gewaltigen gesellschaftlichen Umbrüchen im 19. Jahrhundert auch im 21. Jahrhundert angesichts der Globalisierung, des Internets, der vielen Kriege und der vielen Kriegsflüchtlinge Aktualität haben – hat seine Heimat als Kind nie vergessen.
1829 schrieb er 43 Gedichte, seine „Erinnerungen aus den Kinderjahren eines Dorfamtmannssohnes“. Schon länger gibt es deswegen einen 2,4 Kilometer langen Rückert-Rundweg in Oberlauringen, wo man an neun Stationen den Erinnerungen nachspüren kann. Rund 15 Hausbesitzer fanden den großen Sohn des Dorfes sogar so gut, dass sie Strophen aus seinen Gedichten an ihre Fassade oder auf Schilder im Vorgarten schrieben.

„Es ist wirklich ein echtes Rückert-Dorf, die Identifikation ist sehr groß hier in der Bevölkerung“, weiß Stadtlauringens Bürgermeister Friedel Heckenlauer, den dieser Umstand sehr freut, schließlich erleichtert das damit einhergehende ehrenamtliche Engagement später auch der Gemeinde den Betrieb des Rückert-Poetikums.
Ein Schmuckstück
Das Poetikum, das den Markt dank großzügiger Förderung durch das Amt für Ländliche Entwicklung, den Bezirk Unterfranken, die Landesstiftung und die nicht-staatlichen Museen sowie den Landkreis Schweinfurt nur etwas über 100 000 Euro für die Sanierung gekostet hat, ist zwar ein kleines Gebäude, dafür aber sicher ein feines. Die hellen, weiß gestrichenen Räume wirken großzügiger, als sie schlussendlich sind.
Ein denkmalpflegerisches Schmuckstück gibt es im ersten Stock, wo die Holzverschalung der Außenwand aus dunkler Eiche im Inneren freigelegt wurde. Ungewöhnlich, weil man normalerweise Fachwerkwände nicht auf solche Weise aufbaut. Dafür aber ein echter Hingucker.
Multifunktionales Museum
Für die Inneneinrichtung des Museums, die das Büro FranKonzept aus Würzburg konzipiert, sind 380 000 Euro Kosten geplant, gefördert wird das über das Leaderprogramm. „Mit dem Poetikum soll das Rückert-Themendorf um ein modernes und multifunktionales Museum in historischem Gebäude und umgeben von einer malerischen Dorfkulisse ergänzt werden“, erklärt Dagmar Stonus von FranKonzept.

Der Schwerpunkt liegt natürlich auf der Darstellung der Gedichte aus den Kinderjahren, die nach modernen museumspädagogischen Aspekten aufbereitet werden und Rückerts Wirken auch im Kontext seiner Zeit zeigen. Im Erdgeschoss ist eine Foyer- und Veranstaltungszone, wo man unter anderem mit einem Scherenschnitt des Dichters begrüßt wird und die Einführung in seinen lyrischen Kosmos stattfindet. Die Ausstellung im ersten Stock ist eine Symbiose aus „Vers-Erlebnis und Kulturgeschichte“, so FranKonzept.
Wichtiger Baustein für Dorferneuerung
Friedel Heckenlauer ist stolz auf dieses Kleinod in Oberlauringen und freut sich auf die Eröffnung. Eine erste Generalprobe gibt es im Übrigen schon am 17. Juni, wenn die Jury für den Europäischen Dorferneuerungspreis im Markt gastiert. Als einzige Gemeinde in Bayern ist Stadtlauringen in der Endauswahl, das Poetikum ein wichtiger Baustein für die Jury.

Vielleicht führt sie Friedel Heckenlauer nach der Besichtigung noch einmal kurz durch die Rückert-Pforte in den Garten, in dem einst das Haus der Familie stand. Da steht eine Stele mit Heckenlauers Lieblingszeilen von Rückert: „Das sind die Weisen, die durch Irrtum zur Wahrheit reisen, die bei dem Irrtum verharren, das sind die Narren.“