Die kriegswichtige Wälzlagerindustrie machte Schweinfurt zu einem der obersten Ziele der Alliierten. Die großen Angriffe waren die am 17. August und 14. Oktober 1943, der als „Black Thursday“, schwarzer Donnerstag, mit fast 300 zivilen Opfern Geschichte schrieb. Das gilt auch für die dritte große Welle, die Luftangriffe von Amerikanern und Engländern am 24. und 25. Februar 1944.
Auf dem Boden hielten Flakhelfer dagegen. Viele waren erst 15, 16 Jahre alt. Auch die 33 Jungs der 5. Klasse des damaligen Realgymnasiums Würzburg waren längst nach Schweinfurt „abkommandiert“. Sieben Flakhelfer kamen damals ums Leben, ein Drittel der Luftwaffenhelfer lebt heute noch, neun von ihnen trafen sich nun anlässlich des 70. Jahrestags im Bürgerspital Würzburg und luden dazu diese Zeitung ein. Die 85- bis 87-Jährigen kommen regelmäßig zusammen, weil die „Erlebnisse uns zusammengeschweißt haben“, sagt Achim Schürer, der Motor und Organisator der Treffen.
Seinen Plan, ein Buch über die Ereignisse zu verfassen, hat er wegen der vielen bereits erfolgten Veröffentlichungen verworfen. Schürer hat aber alle Daten, Fakten und Erinnerungen seiner 5. Klasse mit Hilfe einiger Mitschüler zusammengetragen und sie nun anlässlich des Jahrestages in einer mehrseitigen Dokumentation zusammengefasst.
Die Schrift erstaunt durch ihre Details, offenbart die Kriegs-Schrecken. Schürer spricht von einem Höllenszenario, das sie durchmachten. Tief geht die Passage vom Tod „unseres Anton Steffan“. Es waren einige Schulfreunde von einer Mine, die am Geschützstand im Westen von Schweinfurt detonierte, getötet worden. Anton lebte noch. Schürer und Karl-Heinz Korn brachten ihn in einen Sanitätsbunker. „Mir ist so kalt“, flüsterte Anton.
Dass er seine schweren Verletzungen nicht überleben würde, war den beiden klar, als der Arzt „zu uns hin mit ernstem Gesicht den Kopf schüttelte“. Anton Steffan erhielt eine schmerzstillende Spritze, Schürer blieb bei ihm am Notbett, versuchte ihn anzusprechen, eine Antwort bekam er nicht mehr. Er erinnert sich der gemeinsamen Erlebnisse mit Anton. „Plötzlich erschlaffte Antons Hand und seine Atmung setzte aus, bestürzt blieb ich noch einige Minuten sitzen“, schreibt Schürer.
Die Dokumentation hat er an alle Ex-Mitschüler geschickt. Dass sie berührt, muss hier nicht erwähnt werden. Am 6. Januar 1944 saßen sie, die da noch „gut gelaunten“ Fünftklässler aus Würzburg, in einem Personenzug nach Schweinfurt. Sie gehörten zum Ausbildungszug der 4. Batterie der leichten Flak. Ihr Quartier war die Friedenschule in der Stadtmitte. Nach vier Wochen Grundausbildung ging es zu „ihrer“ Stellung auf den Mainwiesen gegenüber dem Werk II der Vereinigten Kugellagerwerke, heute SKF.
Dann kam der 24. Februar. Alarm um 13 Uhr. Es war der erste Angriff der Amerikaner an diesen beiden Tagen. Obwohl vom Twin Blow (Doppelschlag) die Rede war, waren es drei Angriffe. Die Jungs wurden zum Löschen im Stadtteil Oberndorf eingesetzt, aus einem brennenden Haus holten sie noch Gegenstände heraus.
Gerade im ersten Schlaf, gab es um 21.30 Uhr den zweiten Alarm. Wie immer nachts, waren nun britische Kampfverbände im Anflug. 21.59 Uhr: „Um unsere Stellung ging ein Regen von Stabbrand- und Sprengbomben herunter, von Grafenrheinfeld herüber waren die schrecklichen Schreie von Schweinen zu hören, die verbrannten“, schildert Schürer diesen 36-Minuten-Angriff. Dem folgte nur eine gute Stunde später die dritte Welle, die weit schlimmste mit sieben toten Luftwaffenhelfern, fast alle erlitten Verletzungen.
„Da ging uns damals schwer die Muffe“, sagt Dieter Wilhelm. Über den Marschbefehl damals haben sie nicht viel nachgedacht, sie seien sogar „ein wenig stolz darauf gewesen“, berichtet Erich Schramm. Man habe das „als selbstverständlich hingenommen“, ergänzt Wilhelm. „Es gab aber auch Bedenken“, schildert Manfred Scharnberger, die sich, je länger man im Krieg war, steigerten.
Die früheren Flakhelfer wissen von den regelmäßigen Treffen von Flakhelfern in Schweinfurt, dem mit der Veteranenvereinigung der 8. US-Luftwaffe erstellten Mahnmal am Spitalseebunker in Schweinfurt. Hätten sie dazu eine Einladung erhalten, wären sie gerne gekommen, sagen die Würzburger Luftwaffenhelfer. „Schließlich haben wir Schweinfurt verteidigt“, lacht Walter Raeth, der nach dem Krieg 1955 in die USA auswanderte und 2005 wieder „heimging“ nach Würzburg.
Warum die Treffen? „Weil wir eine schwere Zeit gemeinsam durchgestanden haben“; „wir waren 13 Monate aufeinander angewiesen“; „das hat uns geprägt“, lauten die Antworten. Alle haben nach dem Krieg geheiratet, haben Kinder – insgesamt 22 – in die Welt gesetzt und kümmern sich heute um 33 Enkelkinder. Einer, Franz Klein, ist mit einer Schweinfurterin verheiratet.