Der Speisesaal der Geomed-Kreisklinik Gerolzhofen platzte am Donnerstagabend aus allen Nähten. Über 80 Personen interessierten sich für das Thema „Beckenbodenschwäche“, über das im Rahmen des Arzt-Patienten-Seminars gesprochen wurde.
Die Referenten Dr. Michael Dietrich, Chefarzt der Allgemein-, Gefäß- und Viszeralchirurgie der Kreisklinik, und die Physiotherapeutin Katrin Gröber waren sichtlich überrascht von der großen Resonanz. „Dieser Zuspruch freut uns sehr. Es zeigt, dass das Thema viele Leute anspricht“, sagte Dietrich zu Beginn der Veranstaltung. Das Thema „Beckenbodenschwäche“ interessierte nicht nur Frauen, auch mehrere Männer lauschten den Worten der Vortragenden.
„Beckenbodenschwäche ist oft ein Tabuthema bei den Menschen“, sagte der Chefarzt eingangs. Nach seinen bisherigen Erfahrungen könne man viele Beschwerden und damit verbundene Operationen verhindern, wenn schon in jungen Jahren mit dem Trainieren des Beckenbodens begonnen würde.
Dabei sei es doch relativ einfach, den Beckenbodenmuskel zu stärken. Viele Menschen entdecken ihren Beckenboden erst im Alter, wenn die Beckenorgane abgesunken sind und es eventuell zu Blasen- und Darminkontinenz gekommen ist. Dietrich nannte einige statische Zahlen, wonach 25 Prozent aller Frauen in Deutschland unter einer Harninkontinenz leiden, über 50 Prozent bei den über 70-Jährigen. Jede Frau habe ein Risiko von elf Prozent, einmal im Leben wegen einer Genitalsenkung operiert zu werden. Die Lebenserwartung der Menschen steige von Jahr zu Jahr. Die der Frauen liege derzeit bei 81,5 Jahren und soll 2030 über 90 Jahre betragen, so der Referent.
Der Beckenboden besteht aus einer drei Zentimeter dicken Muskel- und Bindegewebsschicht, welche den Körper nach unten hin abschließt. „Die Muskeln des Beckenbodens sind dafür verantwortlich, dass ein Mensch Gegenstände hochheben und tragen kann, ohne Harn oder Stuhl zu verlieren“, erläuterte der Arzt.
Besonders wichtig sei die Fähigkeit des Beckenbodens sich reflektorisch anzuspannen, dass beim Husten, Niesen oder Hüpfen nicht ungewollt Urin austritt. Beckenbodenschwäche könne man an verschiedenen Anzeichen erkennen, wie beispielsweise Harninkontinenz, Stuhlentleerungsstörung, Verstopfung, Stuhlinkontinenz, Gebärmuttersenkung, Unterleibsschmerzen, Schweregefühl und Druck im Bereich der Scheide.
Bei den erforderlichen Untersuchungen sei die Zusammenarbeit von spezialisierten Urologen, Gynäkologen und Chirurgen wichtig. Um die Schwäche zu behandeln gebe es zwei Therapiemöglichkeiten. Die konservative Therapie setze auf Beckenbodentraining, Gewichtsabnahme, Nikotinverzicht und Elektrostimulation. Die operative Therapie sieht unter anderem Blasenhebung, Scheidenhochzug, Enddarmraffung oder Hämorrhoiden-Operation vor. Die physiotherapeutischen Aspekte erläuterte Katrin Gröber. Ein fundierter Befund sei die Grundlage einer gezielten Beckenbodentherapie, so die Referentin. Hieraus ergäben sich als Ziele eine konservative Therapie oder Begleittherapie bei Belastungs-, Drang- oder Misch-Inkontinenzen. Auch die Sicherung eines postoperativen Ergebnisses spiele eine bedeutende Rolle.
Beckenbodentraining beginne bereits in der Erziehung durch das richtige Verhalten und könne präventiv, kurativ und postoperativ erfolgen. Die Voraussetzung für eine optimale Therapie beinhalte das anatomische und physiologische Verständnis für das Beckenbodensystem.
„Sowohl in der konservativen, wie auch in der postoperativen Therapie nimmt die Wahrnehmungsschulung und Atemtherapie einen großen Stellenwert ein, da der Beckenboden ein unsichtbarer Bereich ist“, sagte Gröber. Die Übungen müssen physiologisch, funktionell und gezielt sein, um in den Alltag integriert und dadurch ein Leben lang trainiert zu werden.
Der speziell in diesem Gebiet geschulte Physiotherapeut biete je nach Indikation in Kombination mit der medikamentösen und operativen Therapie ein reichhaltiges Repertoire, um eine Regulation des Beckenbodenbereiches zu erzielen. Am Ende des Seminars beantworteten Katrin Gröber und Michael Dietrich die Fragen aus dem Publikum.