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BAMBERG: Denzler: „Niemand hat die Staatsregierung ausgetrickst“

BAMBERG

Denzler: „Niemand hat die Staatsregierung ausgetrickst“

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    Dr. Günther Denzler war bis Mai 2014 Landrat des Landkreises Bamberg und ist „Vater“ des Waldschutzgebiets „Der Hohe Buchene Wald im Ebracher Forst“.
    Dr. Günther Denzler war bis Mai 2014 Landrat des Landkreises Bamberg und ist „Vater“ des Waldschutzgebiets „Der Hohe Buchene Wald im Ebracher Forst“. Foto: Foto: Denzler

    Zwei Wochen bevor er nach 18 Jahren aus dem Amt als Landrat des Landkreises Bamberg geschieden ist, hat Dr. Günther Denzler (CSU) am 16. April mit seiner Unterschrift die Verordnung für das Waldnaturschutzgebiet „Der Hohe Buchene Wald im Ebracher Forst“ in Kraft gesetzt. Seitdem lassen die Gegner des Schutzgebietes kein gutes Haar mehr an ihm, insbesondere auch aus den eigenen CSU-Kreisen. Der Bezirkstagspräsident von Oberfranken gilt seit langem auch als klarer Verfechter eines Nationalparks im nördlichen Steigerwald, der zugleich den Titel „Unesco-Welterbe“ für die Steigerwaldregion anstrebt. Ein Gespräch mit dem 66-Jährigen über sein angeblich rechtswidriges Verhalten und die Zukunft des Steigerwaldes.

    Frage: Herr Denzler, es heißt, die Verordnung für das 775 Hektar große Schutzgebiet sei juristisch „nicht haltbar“. Was sagen Sie als Jurist dazu?

    Günther Denzler: Die Untere Naturschutzbehörde am Landratsamt Bamberg hat diese Verordnung auf der Grundlage des Paragrafen 29, Absatz 1 des Bundesnaturschutz-Gesetzes nach vielen Gesprächen mit Fachleuten und übergeordneten Stellen erlassen. Das Schutzgebiet umfasst 775 Hektar – das ist ein Bruchteil des Naturparks Steigerwald (128 000 Hektar). Nach jenem Paragrafen wurden in Norddeutschland Landschaftsbestandteile mit über 3000 Hektar erfolgreich unter Schutz gestellt. Bundesrecht gilt in ganz Deutschland – also auch in Bayern!

    Wie tönern sind die rechtlichen Füße, auf denen die Verordnung steht, aus Ihrer Sicht? Oder wie sehen Sie die Chancen, dass „Ihr“ Schutzgebiet, „wieder aus dem Weg geräumt wird“?

    Denzler: Jede Verordnung kann natürlich auch aufgehoben werden, zum Beispiel wenn der Schutzzweck entfällt. Die Aufhebung muss aber nach rechtsstaatlichen Grundsätzen und im gleichen förmlichen Verfahren erfolgen wie der Erlass der Verordnung. Zuständig ist auch hier die Untere Naturschutzbehörde am Landratsamt Bamberg und nicht der Bayerische Landtag, nicht der bayerische Landwirtschaftsminister und auch nicht unser Ministerpräsident. Laut Medienberichten haben Landwirtschaftsminister und Umweltminister gemeinsam erklärt, dass die Verordnung „außer Vollzug gesetzt“ wird beziehungsweise werden soll. In einem Rechtsstaat würde das den Straftatbestand der Rechtsbeugung erfüllen.

    Was war Ihre Intention, als Sie sich zum Ende ihrer Amtszeit an die Unterschutzstellung des Staatswaldgebietes gemacht haben? Es ist immerhin das drittgrößte Waldschutzgebiet in Bayern.

    Denzler: Der Kreistag zu Bamberg hat nahezu einstimmig den Landrat beauftragt, „die Potenziale des Steigerwaldes zu fördern und die Voraussetzungen für die Anerkennung als Weltnaturerbe zu schaffen“. Die Anerkennung als Weltnaturerbe setzt das Vorhandensein eines Schutzgebietes zwingend voraus. Vor diesem Hintergrund hat der Markt Ebrach bei der Regierung von Oberfranken die Ausweisung eines Schutzgebietes beantragt. Nach einem ersten Gespräch an der Höheren Naturschutzbehörde in Bayreuth geschah nichts mehr – wohl auf entsprechende Weisung übergeordneter Stellen. Um den Auftrag des Kreistages dennoch zu erfüllen, wurde seitens der Verwaltung nach anderen Möglichkeiten gesucht und Anfang 2013 das erwähnte Verfahren nach dem Bundesnaturschutzgesetz eingeleitet.

    Haben Sie die Staatsregierung ausgetrickst, wie behauptet wird, indem Sie den Weg über das Bundesrecht gegangen sind?

    Denzler: Niemand hat die Staatsregierung ausgetrickst. Das Verfahren zog sich über ein Jahr hin, weil die Bayerischen Staatsforsten vorhandene Bestandspläne nicht zur Verfügung stellten, sodass die Untere Naturschutzbehörde gezwungen war, eigene Gutachten in Auftrag zu geben. Im Verfahren wurden die Träger öffentlicher Belange gehört, das heißt die Staatsregierung wusste frühzeitig Bescheid. Alle Einwendungen wurden sorgfältig gewürdigt. Dass die Staatsforsten nicht begeistert waren ist verständlich – aber „Eigentum verpflichtet“ (Artikel 14 Grundgesetz) nicht nur die Bürger, sondern auch die Staatsforsten: der öffentliche Wald dient nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht nur der Gewinnmaximierung, sondern auch dem Klimaschutz und der Umwelt/Artenvielfalt.

    Trifft es zu, dass nicht nur Umweltminister Marcel Huber und Forstminister Helmut Brunner, sondern sogar Ministerpräsident Horst Seehofer in ihre Pläne einbezogen gewesen sein sollen?

    Denzler: Anfang 2014 habe ich in einem Acht-Augengespräch mit Ministerpräsident Horst Seehofer, Umweltminister Marcel Huber und Landwirtschaftsminister Helmut Brunner ausführlich erläutert und dargelegt, warum die Ausweisung eines „Geschützten Landschaftsbestandteils“ sinnvoll und notwendig ist. Wir haben dann in guter Atmosphäre vereinbart, Mitte April 2014 gemeinsam den Nordsteigerwald (ohne Öffentlichkeit!) zu besichtigen. Leider wurde der Termin durch Indiskretion öffentlich und deshalb von der Staatskanzlei Anfang April gecancelt. Daraufhin wurde die Verordnung erlassen.

    Neuerdings lautet im Steigerwald das Zauberwort „Unesco-Weltnaturerbe“. Ein Status, den Sie sich immer gewünscht haben. Sind Sie am Ziel?

    Denzler: Unesco-Weltnaturerbe ist seit 2007 unser Ziel. Damals hieß es, als Weltnaturerbe können nur Flächen ausgewiesen werden, die in einem Nationalpark oder in einem Biosphärenreservat liegen. Heute ist nach überwiegender Meinung für dieses Prädikat ein Großschutzgebiet ausreichend, das heißt mit dem vom Landratsamt Bamberg ausgewiesenen Geschützten Landschaftsbestandteil „Der Hohe Buchene Wald im Ebracher Forst" ist diese Voraussetzung erfüllt. Der Nordsteigerwald mit den hochwertigsten Buchenbeständen in Deutschland, ja sogar in Europa, stand auf Platz vier der vom Bundesamt für Naturschutz erstellten Vorschlagsliste für Weltnaturerbe der Unesco. Fünf Gebiete wurden an die Unesco gemeldet und anerkannt. Der Nordsteigerwald war nicht dabei. Hätten wir ein Schutzgebiet gehabt, wie es jetzt ausgewiesen wurde, wären wir heute Weltnaturerbe.

    Gibt es den Weltnaturerbe-Titel überhaupt ohne ein richtiges Schutzgebiet?

    Denzler: Ich bin fest davon überzeugt, dass das vom Forstbetrieb Ebrach vorgeschlagene „Trittsteinkonzept“ – ein Fleckerlteppich mitten im Wirtschaftswald – nicht ausreicht, um Weltnaturerbe zu werden. Aber vielleicht ist das von der Staatsregierung auch gar nicht ernsthaft gewollt. Eine Bewerbung mit Alibifunktion nach dem Motto: „Wir haben’s ja versucht . . . wir haben’s ja immer gewusst, dass es hier nichts zu schützen gibt.“ Die Staatsforsten können dann weiter Biotopbäume umsägen und die Wälder ausräumen.

    Würde der Titel „Welterbe“ für den Steigerwald einen Nationalpark erübrigen?

    Denzler: Ein klares „Nein“. Beides sollte angestrebt werden! In Nationalparks boomt der Tourismus, die Besucher- und Übernachtungszahlen steigen, Gastronomie und Hotellerie, Handwerk und Einzelhandel verbuchen wachsende Umsätze, die Absatzmärkte für regionale Produkte werden gestärkt und zusätzliche Arbeitsplätze entstehen. Für Gemeinden in Nationalparkregionen stehen Förderprogramme des Staates, der EU und diverser Umweltstiftungen zur Verfügung. Da die Gegner dies bestreiten, habe ich wiederholt vorgeschlagen, eine Machbarkeitsstudie in Auftrag zu geben. Obwohl die erforderlichen Mittel zur Verfügung standen, haben die Gegner eine solche Studie stets verhindert – warum wohl? Hinzu kommt, dass es in Naturwaldgebieten ohne Holznutzung die größte Vielfalt an Tier- und Pilzarten gibt, die Biomasse verdoppelt bis verdreifacht sich, und das Totholz reichert den Kohlenstoffvorrat im Boden an. Dies belegen unzweifelhaft die Forschungsergebnisse des Max-Planck-Instituts für Biochemie in Jena. Ein Buchen-Nationalpark Nordsteigerwald könnte als echter Kohlenstoffspeicher zu einem Leuchtturmprojekt moderner bayerischer Klimapolitik werden.

    Welche Chancen räumen Sie überhaupt der Forderung nach einem Buchen-Nationalpark im Steigerwald ein?

    Denzler: Ich bin davon überzeugt, dass der Nordsteigerwald eines Tages Nationalpark sein wird. Das Thema steht bei uns seit sieben Jahren auf der Tagesordnung. Auch bei den Nationalparken Kellerwald und Hainich hat es lange gedauert bis die Bürger überzeugt waren, dass mit einem Nationalpark mehr Vorteile als Nachteile verbunden sind. Heute schreiben die Gemeinden stolz auf ihr Ortsschild „Nationalparkgemeinde“. Bei uns wird es nicht anders sein.

    Wie sehen Sie in diesem Zusammenhang die Gründung des Vereins Nationalpark Nordsteigerwald, in dessen Kuratorium Sie berufen wurden?

    Denzler: Die Gründung des Vereins Nationalpark Nordsteigerwald und der große Zulauf zeigen, dass sich diese Erkenntnis zunehmend auch bei uns durchsetzt – darüber freue ich mich!

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