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GEROLZHOFEN: Der alte Mann mit der Zigarre

GEROLZHOFEN

Der alte Mann mit der Zigarre

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    Beste Stimmung beim Besuch des Altkanzlers im Gerolzhöfer Kugelfischer-Werk: (von links) Georg Schäfer sen., Landrat Ernst Kastner, Georg Schäfer jun., Ludwig Erhard und der CSU-Bundestagsabgeordnete Max Schulze-Vorberg.
    Beste Stimmung beim Besuch des Altkanzlers im Gerolzhöfer Kugelfischer-Werk: (von links) Georg Schäfer sen., Landrat Ernst Kastner, Georg Schäfer jun., Ludwig Erhard und der CSU-Bundestagsabgeordnete Max Schulze-Vorberg. Foto: Foto: Stadtarchiv

    In wenigen Tagen wird in der Bundesrepublik ein neuer Bundestag gewählt. Vor 44 Jahren war ebenfalls Wahlkampf. Und damals wie heute waren die örtlichen Parteivertreter bemüht, sich im Glanze überregional bekannter Bundespolitiker zu sonnen. Im September 1969 reiste auf Einladung der CSU Altkanzler Ludwig Erhard durch Mainfranken und machte auch in Gerolzhofen Station.

    Erhard war von 1949 bis 1963 Bundesminister für Wirtschaft. Mit seiner Person und seiner Amtszeit wird der wirtschaftliche Aufstieg der jungen Bundesrepublik verbunden, das deutsche Wirtschaftswunder in der sozialen Marktwirtschaft. Von 1963 bis 1966 war Ludwig Erhard dann zweiter Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland.

    Im Alter von 72 Jahren kam der inzwischen „einfache“ Bundestagsabgeordnete am Dienstag, 16. September 1969, in die Region. Die Rundreise hatte mit einigen Widrigkeiten begonnen. Wegen schlechter Wetterverhältnisse erhielt das Flugzeug, das Erhard von Bremen nach Mainfranken bringen sollte, am nebelverhangenen Kitzinger Flugplatz keine Landeerlaubnis, sondern wurde nach Nürnberg umgeleitet. Von dort ging es dann mit dem Auto erst wieder zurück. Die dadurch verlorene Zeit konnte nicht mehr wettgemacht werden. Dies hatte zur Folge, dass einige Besuchstermine kurzfristig gestrichen werden mussten, um einigermaßen im Zeitplan zu bleiben.

    „An Popularität nichts eingebüßt“

    Im Hotel Leicht in Biebelried tauschte sich der Alt-Bundeskanzler mit Mitgliedern der Industrie- und Handelskammer über die wirtschaftliche Situation in Westdeutschland aus. Der geplante Besuch im Kitzinger Gusswerk wurde abgesagt, nächste Station des Fahrzeugkonvois mit dem Zigarren-Dauerraucher Erhard war Großlangheim. Von dort ging es nach Kleinlangheim. An der Grenze zum damaligen Landkreis Gerolzhofen bei Feuerbach wurde Erhard schließlich vom Gerolzhöfer Landrat Ernst Kastner und der Feuerbacher Schuljugend begrüßt. „Der Altkanzler hat an Popularität und Beliebtheit nichts eingebüßt, wie überall der Empfang bewies“, war damals in der Main-Post zu lesen.

    In Gerolzhofen hatten sich auf dem Platz unterhalb des Zehnthofs laut Main-Post rund tausend Zuhörer versammelt, als die Wagenkolonne mit Erhard und der regionalen CSU-Politprominenz eintraf. Der Altkanzler wurde umringt unter anderem vom Bundestagsabgeordneten Max Schulze-Vorberg und den Landtagsabgeordneten Maria Wiederer und Albert Meyer. Die Terrasse des Zehnthofs diente für den prominenten Redner als Podium. Zu Beginn seiner rund 15-minütigen Rede, so ist es im Steigerwald-Bote nachzulesen, begrüßte Erhard seine „fränkischen Landsleute“ – denn er war am 4. Februar 1897 in Fürth geboren worden. Sein Vater, der Textilwarenhändlers Wilhelm Philipp Erhard, stammte aus Rannungen im heutigen Landkreis Bad Kissingen.

    Der Begriff des deutschen Wirtschaftswunders sei nicht von ihm geprägt worden, sagte Erhard, sondern es handle sich um eine Einschätzung des Auslands. Letztlich sei es das Verdienst des Fleißes und der Tüchtigkeit aller Schaffenden, dass „das deutsche Volk aus Not und Elend innerhalb kurzer Zeit wieder zu seiner derzeitigen stolzen Höhe emporgestiegen ist“.

    Festakt muss ausfallen

    Infolge des Zeitmangels entfiel der vorgesehene Festakt der Stadt im Rathaus. Statt dessen ging es vom Zehnhof direkt weiter zum neuen Kugelfischer-Werk, wo Erhard und sein Gefolge von den beiden Fabrikanten Georg Schäfer sen. und Georg Schäfer jun., von Prokurist Heinrich Hahn, Ingenieur Rainer Schildt und Dipl.-Techniker Georg Zeck empfangen wurden. Auch die Abordnung der Stadt mit Bürgermeister Franz Kreppel, Zweiter Bürgermeister Alois Lutz und den Stadträte war in das Schleifscheibenwerk gekommen.

    Nach einer kurzen Werksbesichtigung fand in der Kantine ein kleiner Festakt statt, in dessen Verlauf sich der Altkanzler Zigarre rauchend auch in das Goldene Buch der Stadt eintrug.

    Bei Erhards Besuch im Kugelfischer-Werk wurde natürlich nicht erwähnt, dass es noch wenige Jahre zuvor um die Ansiedelung des Betriebs einigen Ärger gegeben hatte. Bürgermeister Kreppel war es im Jahr 1960 durch geschicktes Taktieren gelungen, Georg Schäfer sen. zu überzeugen, in Gerolzhofen östlich der Wasenmühle ein neues Werk zu bauen.

    Der Stadtrat war dem Unternehmen im Gegenzug finanziell stark entgegengekommen – im Glauben, dass eine mitarbeiterstarke Schwerindustrie entstehe. Doch die Kugelfischer-Tochterfirma „Industriegesellschaft Steigerwald mbH“ zweifelte das vom Stadtbauamt vorgelegte Bodengutachten an. Eigene Untersuchungen der Firma ergaben dann angeblich, dass die Tragfähigkeit des Geländes für eine Kugellager-Fabrikation nicht ausreiche. Georg Schäfer sen. machte dem verärgerten Bürgermeister Kreppel klar, dass er der Stadt sogar entgegenkomme, wenn er nicht gänzlich vom Kaufvertrag zurücktrete, sondern statt dessen die Schleifscheiben-Produktion von Ebern nach Gerolzhofen verlege.

    Letztlich segnete der Stadtrat zähneknirschend das Schleifscheibenwerk ab. Nur der CSU-Mann Hans Mattmann stimmte dagegen. Das Argument des Schneidermeisters: Angesichts der von der Stadt eingeräumten finanziellen Zugeständnisse an Kugelfischer hätte es schon ein größerer Betrieb sein können und keine so „kleine Quetsche“.

    Im Kugelfischerwerk endete dann auch die Stippvisite Ludwig Erhards in Gerolzhofen. Die Wagenkolonne setzte sich in Richtung Steigerwald in Bewegung. Denn der Alt-Bundeskanzler wurde noch in Dingolshausen, Michelau und Donnersdorf erwartet.

    In loser Folge greift die Main-Post eines der in der Facebook-Gruppe „Du bist ein echter Gerolzhöfer, wenn...“ diskutierten Themen auf. Weitergehende Informationen per Mail an den Administrator der Gruppe Klaus.Vogt@mainpost.de oder telefonisch in der Lokalredaktion Gerolzhofen unter Tel. (0 93 82) 97 20 53.

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