Freitag, 16. August 2024: Ein heißer Sommertag neigt sich dem Ende zu. Tausende Schaulustige wollen um 18.30 Uhr die geplante Sprengung der beiden Kühltürme des stillgelegten AKW Grafenrheinfeld möglichst aus nächster Nähe sehen. Sie sorgen für lange Staus auf den Straßen südlich von Schweinfurt und auf der A 70. Selbst im einige Kilometer entfernten Egenhausen bevölkerten Interessierte eine Streuobstwiese auf einer Anhöhe.

Um 19.56 Uhr war es so weit. Nachdem Sprengmeisterin Ulrike Matthes von der mit der Sprengung beauftragten Thüringer Sprenggesellschaft die Zündung der Sprengladungen eingeleitet hatte, dauerte es nicht einmal eine Minute, bis die beiden Türme in einer großen, weithin sichtbaren Staubwolke in sich zusammenfielen. Zuerst wurde der nördliche Turm gesprengt, 15 Sekunden später folgte der südliche.

Die Kühltürme waren zwar nicht das Herzstück des AKW, aber das sichtbarste Zeichen der Anlage. Daher hatte ihre Zerlegung auch einen großen symbolischen Charakter, und sie hat in der Bevölkerung gemischte Gefühle ausgelöst. Aus technischem Gesichtspunkt hätte man die Türme auch zu einem späteren Zeitpunkt einreißen können. Man habe aber ein Zeichen setzen wollen, um den Rückbau auch nach außen sichtbar zu machen, sagten Werksleiter Bernd Kaiser und Projektleiter Matthias Aron, der für Betreiber Preussen-Elektra die Sprengung koordinierte.


Drei Jahre Vorlaufzeit waren vor der Sprengung nötig. Preussen-Elektra verwies auf zahlreiche notwendige Gutachten und Genehmigungen. Denn durch das Ereignis durften der laufende Rückbau des Atommeilers sowie weiterbetriebene Anlagen wie der dortige, europaweit wichtige Stromnetzknoten und die beiden atomaren Zwischenlager nicht in Mitleidenschaft gezogen werden. Die beauftragte Spezialfirma hat Erfahrung mit der Sprengung solcher Kühltürme, unter anderem in Philippsburg im Frühsommer 2020.
Am 16. August hatten die Menschen nicht nur Klappstühle, Snacks und Getränke im Gepäck, sondern auch Geduld. Denn die für 18.30 Uhr angekündigte Sprengung musste verschoben werden, weil sich im Sperrgebiet neben dem AKW-Gelände ein Aktivist, der sich für den Erhalt der Atomenergie einsetzt, an einem Strommast festgekettet hatte. Er sorgte für eine Verzögerung von knapp eineinhalb Stunden. Die straf- und zivilrechtliche Abwicklung des Falls steht noch aus.

Begleitet wurde das Spektakel laut Polizei von mehreren tausend Zuschauerinnen und Zuschauern. 200 Polizisten waren im Einsatz. Bereits in den Tagen vor der Sprengung kamen Hunderte Menschen noch einmal zum Kernkraftwerk, um letzte Bilder von den noch stehenden Kühltürmen zu machen. Auch in den Tagen danach war reger Publikumsverkehr vor dem westlichen Teil des Betriebsgeländes zu beobachten: Viele wollten sich anschauen, wie das Areal nach dem Zusammenfall der Türme aussieht.

Seit 2018 wird das Atomkraftwerk bereits zurückgebaut, außerhalb des Geländes ist dies aber kaum zu bemerken. Stillgelegt wurde es bereits am 27. Juni 2015, was die Gegner der Atomkraft damals

Der Rückbau der Anlage soll bis zum Jahr 2035 beendet sein. Noch deutlich länger allerdings stehen das Zwischenlager für Castor-Behälter mit hochradioaktivem Material sowie das Lager für schwach- und mittelradioaktiven Abfall auf dem Gelände. Das Atomkraftwerk Grafenrheinfeld wurde 1981 in Betrieb genommen und produzierte in 34 Jahren rund 333 Milliarden Kilowattstunden Strom.
