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SCHWEINFURT: Der Slam-Poet aus Wuppertal

SCHWEINFURT

Der Slam-Poet aus Wuppertal

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    Bärenstarkes Newcomer-Kabarett servierte Jan Philipp Zymny in der Disharmonie.
    Bärenstarkes Newcomer-Kabarett servierte Jan Philipp Zymny in der Disharmonie. Foto: Foto: Uwe Eichler

    Er schaut ein bisschen aus wie der kleine Bruder von Wolverine, dem klauenfingrigen X-Man, nur eben mit prachtvollem Bärenbackenbart statt Wolfsgewuschel auf den Wangen. Die Fingernägel nutzt Jan Philipp Zymny lieber zum Gitarrespielen. Ansonsten steht ein echter Sprachberserker auf der Bühne der ausverkauften Disharmonie: Der Wuppertaler Slam-Poet und Standup Comedian, Jahrgang 1993, ist Deutschsprachiger Meister im Poetry Slam der Jahre 2013 und 2015.

    Nach Schweinfurt geholt hat den Champion die neue Agentur „wortspektakel“, dahinter steht der Schweinfurter Autor und Slamveranstalter Manfred Manger. Weitere Wortkünstler sollen folgen. Nein, das Solo-Programm „Bärenkatapult – eine Expedition in den Nonsens“ ist kein Poetry Slam. Auch wenn der Newcomer zweifellos zum Dichterwettstreit mit sich selbst in der Lage wäre, als Verfasser von Hirnpicker-Büchern wie „Hin und zurück – nur bergauf“, „Henry Frottey: Sein erster Fall: Teil 2 – Das Ende der Trilogie“ oder „Es war zweimal“, mit surrealen Meditationen über den Sinn und Unsinn des Lebens.

    Das Bärenkatapult zielt dabei auf ein junges Kabarett-Publikum, das es sich gar nicht mehr leisten kann, klare Weltbilder zu hegen: in einer mit widersprüchlichen Reizen und Infos überfluteten Welt. Bei so viel Schwachsinn hilft nur, tapfer dagegenzulabern.

    Da wäre die Liebe, die notgedrungen meist mit Zurückweisung endet: Bei sieben Milliarden Menschen weltweit ist es einfach verdammt unwahrscheinlich, genau den Richtigen zu erwischen. „Statistisch gesehen verlieben wir uns am ehesten in einen chinesischen Reisbauern.“ Was ja nicht verkehrt sein muss: Zymny ist zwar dem anderen Geschlecht zugeneigt, spricht aber dennoch mit Schwulen. Nein, da muss kein Mann Angst haben, beruhigt er, dass zur Strafe nachts die Homo-Fee kommt, mit Glitzerstaub wirft und der Regenbogen über dem Neuzugang leuchtet.

    Dann die Politik: Ein Vertreter der aktuellen Generation Y (bis Z) sieht da vor allem brennende Asylantenheime. Nazis sind die Brandstifter nach eigenem Bekunden ja nicht. Motto: „Wir haben viel getrunken und waren plötzlich rechts.

    “ Egal, wie niedrig der Ausländeranteil in der Realität ist, Grund zur Angst besteht eigentlich immer: „Der Mond könnte uns alle nachts in Bananen verwandeln.“ „Wir sind das Volk!“ ruft's am rechten Rand, was dem 23-Jährigen zu denken gibt: Vielleicht ist da wirklich eine eigene Spezies aus dem Erdinneren gekrabbelt, Echsenmenschen oder so was.

    Es gibt Batman-Hörspiele, Zwangsentspannung mit schamanistischer Obertonmusik, viel Wortsalat und Improvisation, ab und zu sogar mal ein sinnvolles Gedicht. Als schwerblütiger Wuppertaler verfällt der Gitarrist zwischendurch dem Mittelstandsblues des „Weißen Jungen“, der eigentlich alles hat und mit seinem Leben zufrieden sein muss. Irgendwie auch traurig. Bleibt das Thema Religion. In einer genial lästerlichen Sonntagspredigt wird eine Welt voll absurder Heilsversprechen endgültig durch Nonsens erlöst. Mit dem Brief des kleinen Paulus an seine Mutti oder Jesus mit den Zaubersprüchen von Harry Potter.

    „Er wird sich vor Gott dafür verantworten müssen“, lautete ein Kommentar auf youtube: „Ja, und das habe ich gemacht“, meint der Dampflaberer sanft. Er erhielt ein O.k. von ganz oben. „Gott mag es nur nicht, wenn man ihm Worte in den Mund legt.“ Wow. Auch wenn das Bärenkatapult an manchen Stellen etwas rumpelig daherkommt und den Bogen immer überspannt: So viel destruktive Kreativität, voll farbenfroher Fantasie, tut der Szene richtig gut. Nur der Mond, der scheint nachts wirklich beunruhigend helle.

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