Wenn die Mitarbeiter der gemeinnützigen Kaltenhof gGmbH des Vereins Levi wieder einmal eine Wohnung ausräumen und entrümpeln, dann können auf 70 Quadratmetern schon mal 70 Kubikmeter Müll zusammenkommen. Viel wichtiger aber ist, dass auf diesem Weg psychisch erkrankte Menschen eine jeweils auf ihre Belastbarkeit abgestellte Beschäftigung finden, die zur Stabilisierung und Stärkung ihrer Persönlichkeit beiträgt. Durch die neue Perspektive wird so in gewissem Maß auch die Seele entrümpelt.
Und es sieht bei Weitem nicht in jeder Wohnung so aus, wie eingangs beschrieben, wo gerade noch die Gänge frei sind und sich die Kaltenhof-Leute vor lauter Müll Meter für Meter vorkämpfen müssen. In der Überzahl sind die Wohnungen, in denen es ganz normal aussieht.
Und es gibt auch ganz andere Erlebnisse. So ist es Geschäftsführer Michael Herterich passiert, dass ihm aus dem Schrank 1500 Euro in Form dreier nagelneuer 500-Euro-Scheine „entgegenkamen“, als er mit den Mitarbeitern ein Jugendzimmer abholte. Auch kann mitunter ein schönes antikes Möbelstück oder Meisner Porzellan unter den Dingen sein, doch sind diese Fälle eher die Ausnahme. Michael Herterich: „So etwas kommt vielleicht einmal im Jahr vor. Normalerweise wissen die Angehörigen schon darüber Bescheid, was sich in der Wohnung befindet.“
Der Verein Levi hat es sich zur Aufgabe gemacht, psychisch kranke Menschen zu einem Leben in eigener Verantwortung zu befähigen. Die sozialtherapeutische Lebens- und Arbeitsgemeinschaft auf christlicher Basis soll helfen, die Lücke zwischen psychiatrischer Klinik und dem Alltagsleben zu schließen.
Nicht zuletzt die Wohnungsauflösungen, Möbelabholungen und -entsorgungen, aber auch Umzüge, Kleintransporte und die Abholung von Flohmarktartikeln sorgen für Beschäftigung.
Michael Herterich: „Was klein angefangen hat, hat sich im Lauf der Jahre immer mehr gesteigert.“ Der Hinweis auf den Abfuhrkalendern der Stadt und des Landkreises Schweinfurt, die Mund-zu-Mund-Propaganda und neuerdings die Internet-Werbung auf der Seite der Suchmaschine Google unter dem Stichwort „Wohnungsauflösung“ haben die Nachfrage gesteigert.
Im Schnitt rücken die Kaltenhof-Mitarbeiter im Auftrag von Angehörigen oder von Wohnungsbaugesellschaften inzwischen fünf bis acht Mal im Monat zu Haushaltsauflösungen und Entrümpelungen aus, um das, was am Ende von einem ganzen Leben bleibt, in einen Lkw und Müll-Container zu verfrachten. In der Hauptsache geht es ins Schweinfurter Stadtgebiet, aber auch in die Landkreisgemeinden.
Ein Anruf genügt, um einen Termin zu vereinbaren. Dann schauen sich Michael Herterich oder sein Geschäftsführerkollege Michael Weichold die Wohnung zunächst an, um einen konkreten Kostenvoranschlag zu erstellen. Kommt das Geschäft zustande, rücken fünf bis sechs Leute mit dem Lkw und, falls erforderlich, einem bestellten Container an. Je nach Anfall vier bis sechs Stunden benötigt das Team für eine gewöhnliche Dreizimmer-Wohnung, für ein komplettes Haus vom Keller bis unters Dach bis zu zweieinhalb Tage. Michael Herterich: „Am liebsten ist es uns, wenn die Angehörigen vorher neben den persönlichen Sachen, auch sonst alles ausräumen, was sie selbst an Einrichtungsgegenständen behalten wollen.“
Oft ist es ein Geschäft auf Gegenseitigkeit. Denn das, was die Kaltenhof gGmbH des Vereins Levi an gut erhaltenen und zeitgemäßen Sachen für den eigenen Floh-, Kleider-, Bücher- und Möbelmarkt als den „größten Flohmarkt Unterfrankens“ benötigen kann, wird kostenlos mitgenommen. In den Scheunen und Hallen auf dem Kaltenhof hoch über Mainberg beginnt dann das große Sortieren durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Alles, was nicht weiter verkauft werden kann, wandert auf die Mülldeponie.
Jobs für 28 Zuverdiener
28 Menschen mit psychischen Problemen profitieren im Rahmen des Zuverdienst-Projekts auf dem Kaltenhof über die Aufträge von den verschiedenen, angebotenen Dienstleistungen. Wie andere Beschäftige auch, müssen sie sich an die Regeln halten, also sich etwa krank melden oder den Urlaub offiziell beantragen. Das geschieht mit hoher Zuverlässigkeit, so Michael Herterich.
Je nach der körperlichen und seelischen Belastbarkeit arbeiten manche die ganze Woche über, andere wieder nur zweimal vormittags für drei Stunden. Die Beschäftigten wohnen entweder eigenständig in den eigenen vier Wänden, in Wohngruppen der Lebenshilfe oder, wie derzeit 15 Menschen im Alter von etwa 30 bis 55 Jahren, im „Betreuten Wohnen“ auf dem Kaltenhof.
Michael Herterich: „Unser Ziel ist es, die Leute auf den ersten Arbeitsmarkt weiter zu vermitteln oder zurückzubringen. Oft sind sie aber durch ihre Erkrankung so stark beeinträchtigt, dass die Chancen leider gering sind.“
Kontakt: Tel. (0 97 21) 5 09 96 11, www.verein-levi.de