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GEROLZHOFEN: Die Bratsche gibt wieder den Takt vor

GEROLZHOFEN

Die Bratsche gibt wieder den Takt vor

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    Heimspiel: Dieser Tage war die international bekannte und erfolgreiche Bratschistin wieder einmal zuhause bei ihren Eltern Marian und Dagmar in der Bahnhofstraße in Gerolzhofen. Auf dem Flügel liegen die Noten zum Chanson „Deszcz w Wiedniu“ (Regen in Wien), für das Vater Marian die Musik komponiert hat.
    Heimspiel: Dieser Tage war die international bekannte und erfolgreiche Bratschistin wieder einmal zuhause bei ihren Eltern Marian und Dagmar in der Bahnhofstraße in Gerolzhofen. Auf dem Flügel liegen die Noten zum Chanson „Deszcz w Wiedniu“ (Regen in Wien), für das Vater Marian die Musik komponiert hat. Foto: Foto: Norbert Vollmann

    Als wir uns 2008 das letzte Mal in ihrer Heimatstadt begegnet sind, war Danusha Waskiewicz gerade ausgestiegen und mit ihrer zweiten Tochter schwanger. Die Bratsche, mit der sie 2001 aufgrund ihrer Virtuosität als erste Frau überhaupt bei den Berliner Philharmonikern in eine in eine bis dahin uneinnehmbar scheinende Männerbastion eingedrungen war, indem sie die Führungsposition als Solistin erklomm, spielte im Atlantik auf den Azoren nur noch die zweite Geige. Dort bestimmten in erster Linie Ziegen, Schafe, Hühner, Kinder und weniger die Musik ihr Leben.

    Die neue CD im Gepäck

    Jetzt sitzen wir uns nach der langen Zeit im elterlichen Wohnzimmer bei von der Mutter selbst gebrautem Kaffee wieder gegenüber. Im Gepäck hat Danusha Waskiewicz, die eigentlich Danuta heißt, ihre soeben im Decca-Plattenverlag erschienene neueste Klassik-CD.

    Während draußen vor dem Fenster die vom Vater mit seinen polnisch-österreichischen Wurzeln aufgehängte Flagge der Europäischen Union zum Europatag am Haus im Wind flattert, stellt Danusha Waskiewicz in einem leichten Anflug von Melancholie fest: „So treibt man sich in der Welt herum und kommt wieder nach Gerolzhofen zurück.“

    Die leer stehenden Läden in Gerolzhofen sind ihr gleich aufgefallen

    Es bleibt nicht viel Zeit auf der Durchreise. Doch ist ihr gleich die zunehmende Zahl leer stehender Läden in der Innenstadt aufgefallen. Man sieht: Trotz aller Erfolge und Weltenbummelei hat die 43-Jährige ihre Wurzeln nicht vergessen. In Gerolzhofen wuchs sie ab 1980 in der Bahnhofstraße mit ihren Schwestern Cornelia und Natascha auf.

    Das Gespräch zeigt, dass sich seit 2008 bei Danusha Waskiewicz viel getan hat, in ihrem Leben, in der Liebe und natürlich in der Musik. Tochter Meena ist inzwischen zehn, die im September 2008 auf die Welt gekommene Cleo auch schon wieder acht Jahre alt.

    Die Zeit bei den Berliner Philharmonikern

    Und gerade hat sich für sie „wieder eine neue Tür für eine neue Erfahrung“, wie sie sagt, aufgetan. Ihr Engagement als Jurorin ist der Grund für den Zwischenstopp in Gerolzhofen. Diesmal ist sie als Jurymitglied auf dem Weg vom Comer See, wo sie jetzt lebt, zu einem Bratschenwettbewerb im Vogtland.

    Im Leben immer wieder Neues auszuprobieren, um sich durch die Erfahrungen persönlich wie musikalisch weiter zu entwickeln, das war ihr schon immer sehr wichtig. Dazu gehört die Entscheidung, sich die Freiheit zu nehmen, nach einem halben Jahr den Traumjob als erste Frau an einer Soloposition der Streicher bei den Berliner Philharmonikern aufzugeben und als Bratschistin ins Orchester zurückzutreten.

    Der freiwillige Verzicht auf den Traumjob

    Ein solcher Schritt war bei den Berlindern bis dahin noch nie vorgekommen. Rückblickend stellt die Musikerin fest: „Ich habe bereits in der Probezeit gemerkt, dass dies nicht mein Platz ist.“ Auf dem Weg zu neuen Ufern hatte sie nach fünf erfahrungsreichen Jahren 2004 die Berliner Philharmoniker verlassen und ihr Leben stark verändert.

    Es kam die Zeit als sie bei unserem letzten Zusammentreffen 2008 noch zwischen den Azoren, wo sie Anker auf der Suche nach einem autonomen Leben geworfen hatte, gelegentlichen Abstechern nach Gerolzhofen und den musikalischen Kurz-Gastspielen als Solo-Bratschistin im Mozart-Orchester von Claudio Abbado in Bologna pendelte. Die Musik war in den Hintergrund getreten.

    Der Ausstieg vom Aussteigerleben auf den Azoren

    2010 die Abwendung vom Aussteigerleben. Sie wurde Mitglied im Luzerner Festivalorchester und kehrte bis Juni 2011 in den Heimathafen Gerolzhofen zurück.

    Es folgte die erneute Auswanderung, diesmal nach Italien. Den Ausschlag gaben zwei Männer. Zum einen war da Claudio Abbado, der Leiter des Mozart-Orchesters, dem sie seit 2004 angehörte. Mit dem weltberühmten Meister-Dirigenten hatte sie bereits bei den Berliner Philharmonikern zusammengearbeitet. Sie sagt: „Er hatte immer Vertrauen in mich gehabt und die Verbindung nie abbrechen lassen. Ich weiß nicht, ob ich ohne ihn nach dem Aussteigerleben noch einmal die Bratsche in die Hand genommen hätte.“

    Neue Liebe und neues Engagement am Comer See

    Sie hat es getan und zwar in Colico am Comer See bei dem von einem Kollegen vom Mozart-Orchester organisierten Festival „Musik am Wasser“. Dort lernte sie Michele Fumeo kennen. Er hat bei dem Festival gefilmt. So kam man sich näher. Micki, wie sie ihn ruft, hat selbst eine Musikausbildung absolviert. Heute dreht er Musik-Videos und Musik-Dokumentationen. Der neuen Liebe und der schönen Gegend wegen blieb sie in Colico.

    An dem „wunderschönen Platz“ lernte Danusha Waskiewicz als Dozentin an der örtlichen Musikschule einmal mehr dazu. Von 2011 bis 2016 leitete sie hier das Kinderorchester und lehrte die Jugend in Kammermusik. Dabei konnte sie feststellen, wie viel Spaß ihr das Unterrichten macht.

    Der Tod des großen Mentors als tiefer Einschnitt

    Sie hatte eben ihr neues privates Glück gefunden, da drohte sie der Tod von Claudio Abbado im Januar 2014 aus der künstlerischen Bahn zu werfen. Danusha Waskiewicz: „Sein Tod war ein harter Schlag. Ich habe ihm viel zu verdanken.“ Der herbe Verlust ihres Mentors habe sie in eine Sinnkrise gestürzt, räumt sie ein. Sie wollte schon die Bratsche an den Nagel hängen. „Doch dann habe ich mir gesagt, das ist Quatsch und wäre ganz und gar nicht im Sinne von Claudio.“

    Mittlerweile seien es nicht mehr so viele stets mit Reisen verbundene Engagements, die sie annehme, schließlich würden zuhause auch die Töchter warten, so Danusha Waskiewicz weiter. Dafür versuche sie, stets auf höchstem Niveau zu arbeiten und zu spielen.

    Zu den aktuellen Aktivitäten für 2017 und 2018 zählen Meisterkurse, die sie an verschiedenen Hochschulen für Bratsche und Kammermusik gibt, Orchesterprojekte und Gastspiele vorwiegend in Deutschland und Italien sowie die jüngeren Tätigkeiten als Jurymitglied bei Wettbewerben oder als Komponistin und Interpretin von Filmmusik.

    Das Konzert mit dem Vater

    Ein besonderer emotionaler Höhepunkt war für sie 2015 das gemeinsame Konzert mit ihrem Vater im polnischen Walbrzych, dem früheren Waldenburg. Auf dem Programm stand die Aufführung einer überarbeiteten Version des Violakonzerts von Bela Bartok (Viola ist das italienische Wort für Bratsche). Während der Vater das örtliche Philharmonische Sudeten-Orchester dirigierte, spielte sie die Solobratsche. Gefilmt hat Michele Fumeo.

    Unvergesslich ist für sie auch das Freiluft-Konzert mit der Geigerin Isabelle Faust und dem Cellisten Mario Brunello beim Festival „Klänge der Dolomiten“. Auf 2400 Meter Höhe in den Bergen spielten sie eine Bearbeitung von Bachs Goldbergvariationen.

    Wenn ein Konzert auch ohne Gage als Geschenk empfunden wird

    Sie möchte auch die Teilnahme am Kammermusikfestival in Mantua nicht mehr missen, wo 300 internationale Musiker umsonst in Alltagskleidung in Museen, Kirchen, Theatern und Sälen der Stadt spielen. In der Rundkapelle San Lorenzo spielte sie dort Bachs erste Violinsonate mit dem Pianisten Alexander Lonquich.

    Danuta Waskiewicz betont: „Obwohl man nicht bezahlt wird, empfinde ich es eher als ein Geschenk, dort spielen zu dürfen. Mantua ist für mich ein fixer Punkt geworden.“ Gerolzhofen ist es für sie bis heute geblieben.

    Hier möchte sie in naher Zukunft bei einem Konzert ihre neueste CD „Songs for Viola and Piano“ präsentieren.

    Mehr zu Danusha Waskiewicz im Internet unter www.danushawaskiewicz.com

    Danusha Waskiewicz Danuta „Danusha“ Wakiewicz wurde 1973 in Würzburg geboren. Sie kommt aus einer sehr musikalischen Familie. Vater Marian war erfolgreicher Konzertpianist und Dirigent, Mutter Dagmar Dozentin für Tanz und Musik am Orff-Institut in Salzburg. Bei dessen Aufbau arbeitete sie eng mit Carl Orff zusammen. Auf seinen Wunsch hin übernahm sie die erste Planstelle für elementare Musik und Bewegungserziehung an der Musikhochschule in Würzburg, von wo die Familie 1980 nach Gerolzhofen zog. Die Musik wurde Danusha Waskiewicz somit quasi in die Wiege gelegt. So lag es nahe, dass auch sie ein Instrument erlernte. Mit sechs Jahren bekam sie den ersten Geigen-Unterricht, bald auch für Bratsche. Im Anschluss an die Mittlere Reife studierte sie bei Professor Gerd Hoelscher an der Musikhochschule Würzburg und bei Professor Walter Forchert an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt Violine. 1994 nahm sie zusätzlich ein Viola-Studium bei Professor Tabea Zimmermann, ebenfalls in Frankfurt, auf. novo

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