Kaum ein Baum wird in Asien mehr verehrt als der Ginkgo: Um seine Naturkräfte ranken sich Legenden, eine kraftspendende und lebensverlängernde Wirkung wird der Pflanze nachgesagt. In Schnackenwerth ist die unbestrittene Heilkraft dieses Baumes ebenfalls bekannt: Mehrere hundert Bäume wachsen dort, in viel Handarbeit gepflegt von ihrer Besitzerin Margit König.
Vor 18 Jahren hatte ihr Mann die Ginkgo-Bäume im Rahmen seines Heilkräuteranbaues gepflanzt. Ihm war nicht nur die heilende Wirkung von Sonnenhut oder Goldrute bekannt, die er in biologischer Anbauweise in seinem Familienbetrieb erntete. Er setzte bei seinem nachhaltigen Wirtschaften auch auf die langlebigen Ginkgo-Bäume. Schließlich reichen die Wurzeln dieses ältesten Baumes der Erde 250 Millionen Jahren zurück, in eine Zeit, in der weder Vögel noch Saurier lebten.
Seiner einzigartigen Zähigkeit wegen und weil der Ginkgo unempfindlich gegenüber Luftschadstoffe sowie widerstandsfähig gegen Insektenfraß und Krankheiten ist, wird er gern in Städten an den Straßen oder in Parks gepflanzt. In Schnackenwerth dagegen stehen die ungewöhnlichen, zweigeteilten Blätter des Baumes im Fokus. Denn Spezialextrakte aus diesen Blättern werden in der Pharmazie und Homöopathie genutzt, also als Arzneimittel.
Seit dem Tod ihres Mannes führt Margit König den biologischen Heilpflanzenanbau in mittlerweile reduzierter Form fort. Jedes Jahr im Frühherbst erntet sie die Blätter der Ginkgo-Bäume und verkauft sie. Von Hand streift sie das dunkelgrüne Laub von den Zweigen. „Man muss vorsichtig damit umgehen, die Spitzen sind empfindlich“, weiß sie.
Ihre Kunden sind Zulieferer für den pharmazeutischen Bereich. Denn Ginkgo-Spezialextrakte werden bei der Behandlung von arteriellen Durchblutungsstörungen verwendet. Der Schwerpunkt liegt mittlerweile allerdings bei der Behandlung von Demenz. Ginkgo-Arzneimittel können für einen gewissen Zeitraum die geistige Leistungsfähigkeit steigern und das Lernvermögen verbessern. Bei Gedächtnis- oder Konzentrationsstörungen, bei Schwindel, Ohrensausen und Kopfschmerzen werden Ginkgo-Präparate eingesetzt.
Der Mythos um diese Pflanze ist groß. Denn einzigartig ist nicht nur das zweigeteilte Blatt, ungewöhnlich ist auch die Eingeschlechtigkeit des Baumes: Es gibt entweder rein männliche oder weibliche Blüten, in der Regel auf verschiedenen Bäumen verteilt. Deshalb wurde der Ginkgo in seiner Heimat China schon früh mit dem Symbol des Yin-Yang in Verbindung gebracht, der gegensätzlichen Beziehung zwischen zwei Dingen.
Im Laufe der Jahrhunderte erhielt der Ginkgo auch eine Vielzahl von Namen: Entenfußbaum, Silberaprikose, Weißnussbaum, Großvater-Enkel-Baum, Salisburie. Selbst nach Johann Wolfgang von Goethe ist er benannt. Dieser widmete einst sein „Ginkgo biloba“-Gedicht seiner späten Liebe Marianne von Willemer. Das Ginkgo-Blatt wird aufgrund seiner Form als Sinnbild der Freundschaft dargestellt.
Zur modernen Mythenbildung hat auch wesentlich die Geschichte des Tempelbaumes in Hiroshima beigetragen: Bei der Atombombenexplosion 1945 ging dieser in Flammen auf, trieb aber noch im selben Jahr wieder aus und lebte weiter.
Gingko-Museum: Wer sich näher mit dem Ginkgo beschäftigen möchte, findet mitten in der Altstadt von Weimar ein sehenswertes Ginkgo-Museum. Internet: www.ginkgomuseum.de