Für den Auftakt in eine neue Theatersaison wünscht man sich natürlich einen schönen Publikumserfolg. Und den bringt die 2016 in Paris uraufgeführte Komödie des Franzosen Florian Zeller "Die Kehrseite der Medaille" ins gut besuchte Evangelische Gemeindehaus.
Das mag natürlich auch daran liegen, dass mit Timothy Peach, Nicola Tiggeler und Martin Armknecht drei TV-bekannte Schauspieler (unter anderem SOKO, Tatort, "Ein Fall für Zwei") zu sehen sind, zu denen sich mit Mia Geese ein jugendlich frisches Gesicht gesellt.
Und darum geht es: Patrick hat seine Frau verlassen und besucht in seinem zweiten Frühling nun mit der viele Jahre jüngeren Emma, eine Barfrau und anscheinend wenig erfolgreiche Schauspielerin, das viele Jahre deutlich ältere Paar, den etablierten Lektor Daniel und die Geschichtsdozentin Isabelle. Denen kommt die neue Liaison schon ein wenig seltsam vor, wenngleich Daniel ("Ich bin 55, fühle mich wie 70 und benehme mich wie 16") schnell Gefallen an der jungen Frau, "einer Frühlingsbrise", findet.
Man bewegt sich in intellektuellen Kreisen. Die Wohnung von Daniel und Isabelle ist großbürgerlich. Monika Maria Cleres hat sie mit erkennbar teuren Polstern ausgestattet, hinter einem Vorhang öffnet sich eine Küchenzeile.
Die Bühne lässt eine Seite offen, sodass die Figuren aus ihr hinaustreten können. Hinaustreten ist das Besondere der Inszenierung von Pascal Breuer. Er lässt seine Akteure immer wieder erstarren, einfrieren, aber immer wieder auch einen zum Publikum sprechen, zeigen, dass das untereinander Gesagte nicht immer ihrem wirklichen Denken entspricht: "Kehrseite" ist.
Das ist eine uralte Theatertechnik, schon in der Antike bekannt, die jedoch weitgehend verloren gegangen ist, das "Beiseitesprechen". Das gibt dieser Aufführung ihren besonderen Reiz.
Das Stück und seine Dialoge sind jedoch nicht sonderlich witzig, aber durchaus unterhaltsam. Es lebt vor allem von vier glänzenden, sichtlich gut aufgelegten Schauspielern, die für das Euro-Studio damit seit drei Jahren erfolgreich auf Tournee sind.
Bei der Begrüßung in den Start in die Saison konnte Intendant Christof Wahlefeld stolz erfolgreiche Besucherzahlen nennen. Der Kartenvorverkauf sei gegenüber dem Vergleichszeitraum um ein Vielfaches gestiegen.
Am Rande der Aufführung kündigte Wahlefeld zudem an, dass ein Projekt gestartet werde, mit dem man verstärkt Kinder und Jugendliche für das Theater gewinnen wolle. Das tut mit Blick in den Zuschauerraum tatsächlich Not.