Tausende Schaulustige wollten am Freitag um 18.30 Uhr die geplante Sprengung der beiden Kühltürme live verfolgen, doch ein Pro-Atomkraft-Aktivist hatte das Vorhaben zunächst verzögert. „Aktuell läuft ein Polizeieinsatz“, bestätigte Almut Zyweck, Pressesprecherin von Preussen Elektra, um 18.40 Uhr.
Wenig später wurde bekannt, dass ein Pro-Atomkraft-Aktivist auf einem abgeschalteten Strommast im Sperrbereich saß und ein Banner ausgerollt hatte. Feuerwehr und Polizei waren im Einsatz, auch das Höhenrettungsteam aus Nürnberg wurde angefordert. Gut eine Stunde später dann die Info: Der Aktivist ist runter vom Mast und in Gewahrsam genommen. Die Sprengung soll noch am Abend durchgeführt werden.
Pro-Atomkraft-Aktivist protestierte gegen die "sinnlose Zerstörung der Kraftwerke"
Landrat Florian Töpper betonte: „Da steckt kriminelle Energie dahinter.“ Er sei froh, dass der Aktivist keinen Erfolg hatte. Jeder dürfe seine Meinung natürlich kundtun, aber nicht in diesem Rahmen.

Kurz nach Beginn der Protestaktion veröffentlichte die umstrittene Internet-Plattform Nius ein Foto, das angeblich den Aktivisten mit Helm und Klettergeschirr auf dem Mast in acht Meter Höhe zeigt. Die Echtheit des Fotos konnte am Abend nicht überprüft werden. Nius, die Plattform des Ex-Bild-Chefredakteurs Julian Reichelt, gab an, mit dem Mann gesprochen zu haben. Er wurde zitiert mit den Worten „Das ist ein Protest gegen den Atomausstieg und die sinnlose Zerstörung der Kraftwerke.“ Zwar sei das AKW schon weit zurückgebaut, aber seiner Meinung nach sei es günstiger, Grafenrheinfeld wieder ans Netz zu bringen, „als neue Kraftwerke zu bauen“.
Um 19.56 Uhr war es dann so weit, die Türme wurden gesprengt. Nachdem Sprengmeisterin Ulrike Matthes von der mit der Sprengung beauftragten Thüringer Sprenggesellschaft die Zündung der Sprengladungen eingeleitet hatte, dauerte es nicht einmal eine Minute, bis die beiden Türme in einer großen, weithin sichtbaren Staubwolke in sich zusammenfielen. Zuerst wurde der nördliche Turm gesprengt, 15 Sekunden später folgte der südliche.
Der europaweit wichtige Stromnetzknoten durfte nicht in Mitleidenschaft gezogen werden
Die Kühltürme waren zwar nicht das Herzstück des AKW, aber das sichtbarste Zeichen der Anlage. Daher hat ihre Zerlegung auch einen großen symbolischen Charakter und hat in der Bevölkerung gemischte Gefühle ausgelöst. Aus technischem Gesichtspunkt hätte man die Türme auch zu einem späteren Zeitpunkt einreißen können. Man habe aber ein Zeichen setzen wollen, um den Rückbau auch nach außen sichtbar zu machen, sagten Werksleiter Bernd Kaiser und Projektleiter Matthias Aron, der für Betreiber Preussen-Elektra die Sprengung koordinierte. „Das Thema Atomkraft bleibt dem Landkreis Schweinfurt erhalten, es ist die große ungelöste Frage des Endlagers“, betonte Landrat Florian Töpper.

Drei Jahre Vorlaufzeit waren vor der Sprengung nötig. Preussen-Elektra verweist in diesem Zusammenhang auf zahlreiche notwendige Gutachten und Genehmigungen. Denn durch das Ereignis durften der laufende Rückbau des Atommeilers sowie weiterbetriebene Anlagen wie der dortige, europaweit wichtige Stromnetzknoten und die beiden atomaren Zwischenlager nicht in Mitleidenschaft gezogen werden. Die beauftragte Spezialfirma hat Erfahrung mit der Sprengung solcher Kühltürme, unter anderem in Philippsburg im Frühsommer 2020.
Mehrere tausend Schaulustige wohnten der Sprengung der Kühltürme bei
Die Vorbereitungen für die Sprengung waren in den vergangenen Wochen auch von außerhalb des Areals zu beobachten. Turmmauern und Turmstützen wurden mit Löchern und exakt berechneten Schlitzen für die Sprengladungen versehen. Durch die Sprengung sorgte man dafür, dass die Türme instabil wurden und sich durch ihre einstürzenden Betonmassen selbst zerstörten.

Begleitet wurde das Spektakel laut Denis Stegner, Sprecher des Polizeipräsidiums, von mehreren tausend Zuschauerinnen und Zuschauern. 200 Polizisten waren im Einsatz. Bereits in den Tagen vor der Sprengung kamen Hunderte Menschen noch einmal zum Kernkraftwerk, um letzte Bilder von den noch stehenden Kühltürmen zu machen. Seit 2018 wird das Kernkraftwerk bereits zurückgebaut, außerhalb des Geländes ist dies aber kaum zu bemerken.

Stillgelegt wurde es bereits am 27. Juni 2015, was die Gegner der Atomkraft damals mit die beiden Zwischenlager für Castor-Behälter mit hochradioaktivem Material auf dem Gelände, die Genehmigung ist bis mindestens 2046 erteilt. Das Atomkraftwerk Grafenrheinfeld wurde 1981 in Betrieb genommen und produzierte in 34 Jahren rund 333 Milliarden Kilowattstunden Strom.
Der Rückbau der Anlage soll bis zum Jahr 2035 beendet sein. Noch deutlich länger allerdings stehen