Eigentlich waren für Sonntagmittag Regen und Wind in Schweinfurt angekündigt. Als die Rednerinnen und Redner von "Schweinfurt ist bunt" um 12 Uhr das Wort auf der Bühne am Schweinfurter Marktplatz ergriffen, brachen dann aber doch noch Sonnenstrahlen durch die graue Wolkendecke. Das zivilgesellschaftliche Bündnis hatte zu einer Demonstration aufgerufen, um sich dem voranschreitenden Rechtsruck in der deutschen Politik entgegenzustellen.
Hunderte Menschen und über 80 verschiedene Organisationen aus der gesamten Region waren dem Aufruf gefolgt. Laut Schätzung der Polizei fanden sich etwa 500 Personen auf der Kundgebung ein. Mit Schildern und Sprechchören wollten sie ein Zeichen gegen die rechte Diskursverschiebung, Desinformation und menschenfeindliche Positionen der AfD setzen.

Diese versucht nach dem schrecklichen Messerangriff in Aschaffenburg vor vier Tagen die Tat politisch für sich zu nutzen. Am vergangenen Mittwoch hatte ein 28-jähriger, psychisch kranker Mann aus Afghanistan dort in einem Park einen zweijährigen Jungen und einen
41 -Jährigen aus dem Raum Hammelburg (Lkr. Bad Kissingen) erstochen. Drei weitere Personen wurden schwer verletzt.

Bündnis kritisiert rassistische Diskursverschiebung
Um den Toten und Hinterbliebenen zu gedenken, hatten die Demonstrierenden die Versammlung in Schweinfurt mit einer Schweigeminute begonnen. Danach ergriffen dutzende Rednerinnen und Redner das Wort. "Unsere Debatten, Nachrichten und Social-Media-Kanäle [...] sind gefüllt mit Informationen über die Täter", kritisierte Marietta Eder, Vorsitzende des Bündnisses "Schweinfurt ist bunt".
"Wir erleben leider jetzt wieder, dass Menschen in Schubladen gesteckt werden."
Marietta Eder, Vorsitzende des Bündnisses "Schweinfurt ist bunt"
Vielmehr sollten jedoch die Erwartungen an die Daseinsfürsorge, das Gesundheitssystem und die Ausstattung der Justiz im Fokus der Debatte stehen, bekräftigte Eder. "Wir erleben leider jetzt wieder, dass Menschen in Schubladen gesteckt werden." Menschen bekämen Schuldzuweisungen wegen ihrer Herkunft, ihrer Religion oder anderer vermeintlicher Merkmale. "Und dazu kommen jene Parteien, die Demokratie und Zusammenhalt zerstören wollen", sagte Eder mit Blick auf den inszenierten Besuch des rechtsextremen und faschistischen Thüringer Landesvorsitzenden Björn Höcke am Freitag in Aschaffenburg. "Gegen all das wollen wir uns wehren. Wir stehen hier für Zusammenhalt."
Rechte und Freiheiten nicht gegenseitig aberkennen
Die Sorge, dass aufgrund der Debatte um die Tat Humanität und demokratische Grundwerte wegbrechen, war unter den Teilnehmenden hoch. Zuletzt hatten vor allem Politikerinnen und Politiker der CDU/CSU eine deutliche Verschärfung des Asylrechts gefordert. Einen entsprechenden Antrag möchte die Fraktion in der nächsten Woche im Bundestag einreichen. Die noch Regierungsparteien SPD und Grüne halten etliche Punkte für verfassungs- und EU-rechtswidrig. Seither ist darüber eine Debatte entbrannt, ob die Union einen Beschluss auch mit Stimmen der AfD in Kauf nehmen würde.

"Wir dürfen in diesen rechtspopulistischen Diskurs nicht einsteigen", sagte Agnes Conrad, Vorstandsmitglied von "Schweinfurt ist bunt". Die Rechtsextremen würden demokratische Ideale instrumentalisieren und für ihre antidemokratische und intolerante Propaganda nutzen. "Wir müssen alle auf Augenhöhe diskutieren können – egal woher wir kommen, welche Hautfarbe oder Religion", fügte sie hinzu und forderte die Versammelten dazu auf, am 23. Februar eine demokratische Partei zu wählen.

Ähnlich sahen das auch zahlreiche weitere Rednerinnen und Redner. Eine Schülerin der FOS/BOS Schweinfurt, die Mitglied im Netzwerk "Schule ohne Rassismus" ist, hatte der AfD in einem Gedicht Selbsthass und Menschenfeindlichkeit vorgeworfen. Weniger harsch, aber ebenso klar und kritisch äußerten sich auch die Vertreterinnen und Vertreter der Gewerkschaften IG Metall, Verdi und des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB).
Protestaktion in Schweinfurt verlief laut Polizei ruhig
Die Tatsache, dass 20 Prozent der Menschen in diesem Land Gesinnungen und vermeintliche Lösungen der AfD als den richtigen Weg ansehen, treibe ihn um, sagte Thomas Höhn, Erster Bevollmächtigen der IG Metall. Viel zu viele, meinte daraufhin Grünen-Stadtrat Holger Laschka. "Aber das wäre verkraftbar, wenn die restlichen 80 Prozent [...] dem entschlossen entgegenstehen würden", kritisierte er mit Blick auf das Fehlen einiger CSU-Vertreter. Die ließ sich von Schweinfurts Zweiter Bürgermeisterin Sorya Lippert am Mikrofon vertreten. Lippert bat die Versammelten um ihr Vertrauen, dass "unser Grundgesetz goldrichtig ist und steht – trotz aller schrillen Töne".
Neben den erwähnten Rednern traten auch Vertreter des Bund Naturschutz sowie anderen politischen Parteien wie der SPD, den Freien Wählern, der ÖDP, der MLPD, des Integrationsbeirats, der Kirchen, der evangelischen Jugend sowie weiterer Organisationen auf. Oberbürgermeister Sebastian Remelé nahm nicht an der Veranstaltung teil. Die Versammlung verlief bis auf die Beschädigung eines Wahlplakates ruhig, bestätigte die Polizei Schweinfurt auf Nachfrage.
Hinweis: Die Redaktion hat die Aufzählung der teilnehmenden Organisationen im Nachhinein ergänzt. Aufgrund der Menge an Wortbeiträgen ist es unseren Reporterinnen und Reportern nicht möglich, alle Rednerinnen und Redner auf einem Podium oder einer Kundgebung im Artikel ausführlich aufzuführen. Sollten Sie Fragen dazu haben, nach welchen Kriterien Wortbeiträge im Artikel aufgeführt werden oder nach welchen journalistischen Standards diese Redaktion arbeitet, setzen Sie sich gerne mit unseren Autorinnen und Autoren in Verbindung!