Nele, Nick und David sind als Erste da. Dann kommen Frida, Sina und Maximilian und peu a peu alle anderen. Pünktlich um 8 Uhr begrüßt Daniela Behr ihre Erstklässer im Klassenzimmer in der Grund- und Mittelschule Dittelbrunn. Doch kein Kind sitzt dort leibhaftig. Alle Stühle sind hochgestellt, das Klassenzimmer ist leer. Die Lehrerin sitzt allein an ihrem Pult. Vor sich das Laptop mit ihrem digitalen Klassenzimmer auf dem Bildschirm.
Aufgrund des Corona-Infektionsgeschehens ist seit Ende der Weihnachtsferien an allen bayerischen Schulen in allen Jahrgangsstufen Distanzunterricht angeordnet. Zum zweiten Mal. Schon beim ersten Lockdown im Frühjahr 2020 gab es Homeschooling. Und die meisten Schulen waren damit überfordert. Es mangelte an der Technik und an funktionierenden Konzepten. Von allen Seiten gab es Kritik am Homeschooling.

Jetzt ist wieder Lockdown, wieder Distanzunterricht und wieder viel Negatives zu hören. Da lassen positive Nachrichten vom Homeschooling aufhorchen. An der Grund- und Mittelschule Dittelbrunn macht man nämlich sehr gute Erfahrungen damit. Dort hat sich das Lehrerkollegium gleich nach dem ersten Lockdown für einen weiteren Fall des Stillstands gerüstet und für jede Jahrgangsstufe ein passendes Konzept erarbeitet, für das es seitens der Eltern großes Lob gibt. "Im Büro werde ich um die Homeschooling-Gestaltung schon von anderen Eltern beneidet", schreibt die Mutter einer Erstklässerin. Auch aus den anderen Klassen sind die Rückmeldungen positiv. Bei einer Umfrage zum Distanzunterricht der Klasse 2a wünschten sich einige Kinder sogar noch mehr Video-Treffen.
Jeder Schultag beginnt mit einer Online-Konferenz
Wie läuft so ein digitaler Schultag ab? Ein Besuch in der Grund- und Mittelschule Dittelbrunn. Von 8 bis 9.30 Uhr begleiten wir den Unterricht von Daniela Behr in der Klasse 1c, ab 9.30 Uhr sind wir in der fünften Klasse von Christian Riel zu Gast.
Daniela Behr beginnt jeden Schultag mit einer Online-Konferenz. Sie hat ihre Klasse in zwei Gruppen aufgeteilt. So kommen die Kinder öfters zu Wort, auch die technische Qualität ist mit weniger Beteiligten besser. In dieser Online-Konferenz beginnt der Tag für die Kinder nach einem gewohnten Ritual. "Das ist wichtig, gerade für die Kleinen", sagt die Klassenlehrerin, die auch stellvertretende Rektorin der Schule ist. Zuerst liest sie ein Stück aus der Klassenlektüre vor, dann macht ein Kind die Tagesansage. Diesmal darf Bianca ihr Mikro einschalten und den Wochentag, das Datum und die Jahreszeit nennen. Dann beginnt der Unterricht. Zuerst wird gerechnet. Es geht um Tausch- und Umkehraufgaben. Dabei hilft Roboter Plumino.

Daniela Behr sieht jeden ihrer Schülerinnen und Schüler auf ihrem Bildschirm. Nick sitzt cool in seinem "Chefsessel", Nele drückt ihr Schmusekissen. Und die Kinder sehen ihre Lehrerin, die das Arbeitsblatt mit der jeweiligen Aufgabe in die Laptop-Kamera hält. Plötzlich quasseln alle durcheinander. "Frau Behr, wir können dich nicht mehr hören", ruft Lena ins Mikro. Die Lehrerin muss sich noch einmal neu einloggen.
Großes Lob für die Eltern und Großeltern
Daniela Behr arbeitet bei den Online-Konferenzen auf dem Jit.si-Portal. Damit hat sie gute Erfahrungen gemacht. Daneben gibt es ein klasseneigenes Padlet, eine digitale Pinwand, auf dem die Kinder täglich ihre Arbeitsaufgaben sehen. "Schicke mir die Zahl des Tages", lautet beispielsweise ein Arbeitsauftrag. Oder: "Schicke mir ein Bild, das dich glücklich macht!" In einem fort ploppen dann auf dem Padlet Bilder und Fotos auf. Die Kinder haben sichtlich Spaß daran, mit solchen technischen Möglichkeiten zu arbeiten. Beim Hochladen müssen freilich die Erwachsenen helfen. Ein "ganz großes Lob" zollt Daniela Behr hier den Eltern und Großeltern, die den digitalen Unterricht unterstützen.
"Wir setzen aber nicht ausschließlich auf die Digitalisierung", erklärt Daniela Behr das Konzept. Regelmäßig holen die Eltern ein Materialpaket mit Arbeitsblättern, Kopien und einer Lapbookvorlage ab. Daniela Behr legt immer auch ein Dankeschönkärtchen für die Eltern und ein persönliches Motivationsbriefchen für ihre Schüler bei. Und diesmal war noch ein "süßes Formenrätsel" inklusive Gummibärchen für den Geometrieunterricht im Paket.

Auf dem Padlet können die Kinder zuhause auch Leseübungen machen, sich einen Unterrichtsinhalt noch einmal erklären lassen oder passende Lieder zu den Jahreszeiten anhören. Auch beim Online-Meeting wird gesungen, die Kinder stehen auf und bewegen sich mit. Eine aktive Lernpause, bevor es mit dem Lesen weitergeht. Heute lernen die Erstklässer das "l". Übungen dazu wird ihnen die Lehrerin nach dem Unterricht auf die Anton-App pinnen. Das ist eine freiwillige Übungsplattform zur Vertiefung des Gelernten.

Die Video-Konferenz für jede Gruppe dauert 30 Minuten, danach bietet Daniela Behr eine Schülersprechstunde an. "Hier können mir die Schüler etwas erzählen, Sorgen los werden oder mir etwas vorlesen, damit ich ihnen Rückmeldung gebe, wie sich ihre Lesekompetenz verbessert hat." Sina will diesmal nicht nur etwas vorlesen, was sie "ganz prima macht", so das Lob der Lehrerin, sondern auch ein Lied am Klavier vorspielen. Dafür gibt es Beifall.
"Daumen hoch" heißt "alles verstanden"
Inzwischen haben sich bei Christian Riel die Fünftklässer eingeloggt. Der junge Pädagoge macht seinen Online-Unterricht von zuhause aus. Mathe, Deutsch und Englisch stehen auf dem Plan. Die Schüler sind diszipliniert. Es wird nicht dazwischen gequatscht. Wer was sagen will, muss sich wie im Klassenzimmer auch melden. Wenn der Stoff verstanden ist, gibt's einen Daumen nach oben. Wer mit dem Daumen nach unten zeigt, mit dem übt Christian Riel nach dem Online-Unterricht weiter. Und zwar so lange, bis er es verstanden hat.

Während die Kleinen in der Dittelbrunner Grundschule alle zuhause technisch gut ausgerüstet sind, mangelte es bei manchen Schülern in der Mittelschule an entsprechenden Geräten. Sie erhielten Leihgeräte von der Schule, damit niemand abgehängt wird. "Wir haben 20 iPads und neun Laptops herausgegeben", sagt Schulleiter Walter Schäffer, der die Kreativität und das Engagement seines Lehrerkollegiums bei der Umsetzung des Homeschoolings lobt.
Auch mit der Technik klappt es im Großen und Ganzen. Es kann aber auch vorkommen, dass der Lehrer mal "rausgekickt" wird. So wie Christian Riel während des Matheunterrichts. Über die Klassen-Cloud ist er aber immer in Verbindung mit seinen Schülern, bis er wieder neu eingeloggt ist.
Online-Unterricht ist für Schüler und Lehrer anstrengender
"Der Online-Unterricht ist viel anstrengender", weiß Schulleiter Schäffer. Nicht nur für die Schüler, auch für die Lehrer. Nach einer Stunde Videokonferenz mit der Klasse ist deshalb Schluss. Für die Kleinen gibt es dann die Online-Schülersprechstunden, für die Älteren in der Mittelschule Intensivierungskurse. Christian Riel hängt manchmal noch ein bis zwei Stunden Einzelunterricht an. In der neunten Klasse läuft zusätzlich ein Quali-Vorbereitungskurs, in der Grundschule gibt es zudem Lernentwicklungsgespräche. Außerdem muss die nächste Onlinekonferenz vorbereitet und das Padlet mit dem zum Unterrichtsstoff passenden Material ergänzt werden. Auch auf die Hausaufgaben erwarten die Schüler eine Rückmeldung.

Maximilian hat gerade die Mathe-Hausaufgaben geschickt. Alles richtig! "Wahnsinn! Ich bin sehr stolz auf dich", schreibt die Lehrerin zurück. Leni hat ihren Hausaufgaben noch ein selbstgemaltes Bild mit Glücksbringern angehängt. "Sie vermisst Sie sehr", schreibt die Mutter. "Ich vermisse meine Kleinen auch", antwortet Daniela Behr.
"Natürlich ist der Distanzunterricht kein adäquater Ersatz für den Präsenzunterricht", sagt Daniela Behr. Auch der fehlenden persönlichen Kontakte wegen. Den vermissen die Erstklässer besonders, wie die vielen Briefchen und gemalten Bilder an die Lehrerin zeigen. Auch der kleine Nick kann es gar nicht abwarten, wieder in die Schule gehen zu dürfen, "weil man da mehr lernen kann".
