Nach über zehn Jahren Pause ist der Schweinfurter Dürer wieder unterwegs: In der Ausstellung „Der frühe Dürer“ sind im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg – neben zwei Büchern aus dem späten 15. Jahrhundert – zwei bedeutende Blätter aus der Sammlung Otto Schäfer zu sehen – „Adam und Eva“ und „Apoll und Diana“. Einen weit größeren Ausschnitt aus dem weltweit wohl bedeutendsten Bestand von Albrecht Dürers Druckgrafik zeigt allerdings derzeit das Museum im Schloss Elisabethenburg in Meiningen.
Wie der Titel „Dürer als Erzähler“ verrät, orientiert sich die Meininger Präsentation an der gleichnamigen Ausstellung im Museum Otto Schäfer (MOS, damals noch Bibliothek Otto Schäfer) von 1995/96. Ende 2000 zeigte das Germanische noch einmal unter dem Titel „Dürer – Die Druckgrafik“ den gesamten Schweinfurter Bestand, dann war erstmal Schluss, schließlich dürfen die 500 Jahre alten Blätter nicht ständig dem Licht ausgesetzt sein.
In Meiningen sind bis 14. Oktober 108 Blätter zu sehen – Holzschnitte, Kupferstiche und Radierungen. Laut Georg Drescher, Leiter des MOS, etwa ein Drittel des Bestands. Die Ausstellung ist in elf Kapitel unterteilt, die die ungeheure Vielfalt der Sujets erahnen lässt. Da sind die großen Zyklen wie „Die Apokalypse“, „Passion Christi“ oder „Marienleben“, aber auch thematisch zusammengefasste Bereiche wie „Allegorische Darstellungen“ mit der bis heute rätselhaften „Melencolia I“ oder „Tierleben“ mit dem berühmten Rhinozeros aus dem Jahr 1515.
Dürer hat dieses Rhinozeros nie selbst gesehen. Und doch hat er die Eigenheiten des Dickhäuters so genau getroffen, dass seine Darstellung bis heute als der Inbegriff, die Essenz des Nashorns gilt. Die Geschichte dieses einen Exemplars ist eine eher traurige: König Muzafar von Kambodscha hatte es 1515 dem portugiesischen König Emanuel geschenkt. Der wollte es an Papst Leo X. weitergeben, doch auf dem Weg nach Rom sank das Schiff im Sturm. Das Nashorn ertrank, sein Kadaver wurde aber an Land gespült und gelangte – ausgestopft – schließlich doch noch nach Rom.
Nashörner kannte damals in Europa noch kaum jemand, und so erregte das Exemplar gewaltiges Aufsehen. Ein Brief mit einer Skizze und einer erklärenden Beschreibung gelangte nach Nürnberg und zu Albrecht Dürer. Der machte erst eine Federzeichnung (heute im Britischen Museum) und dann seinen berühmten Holzschnitt. Neben seiner liebenswürdigen Schönheit ist dieser Holzschnitt in zweierlei Hinsicht bedeutsam: Er zeigt Dürers naturwissenschaftliches Interesse (auch wenn durchaus nicht alle Details korrekt wiedergegeben sind), und er dokumentiert einen kunstgeschichtlichen Umbruch – hatte die Tierdarstellung bis dahin vor allem Hintergrundfunktion, so war mit dem Rhinozeros nun erstmals ein Tier alleiniger Bildgegenstand.
Wenn die Bezeichnung Druckgrafik auch nahelegt, dass es pro Motiv mehrere Blätter gibt, so ist in der Nürnberger Ausstellung (und nach deren Ende dann in Meiningen) eine absolute Rarität zu sehen: Das Blatt „Adam und Eva“ ist das einzige erhaltene, auf dem die Fünf in der Jahreszahl 1504 (auf der Tafel links oben im Bild) auf dem Kopf steht. Ein Fehler, den Dürer offenbar sofort bemerkt und korrigiert hat – alle weiteren Blätter zeigen eine korrigierte Fünf. Die Vermutung liegt also nahe, dass der Schweinfurter Kupferstich „Adam und Eva“ der allererste vollständige Abzug ist, den Dürer gemacht hat. Es war damals üblich, Teilabzüge der noch nicht fertiggestellten Platte zu machen, um zu prüfen, ob Details und Dimensionen stimmten. Bei „Adam und Eva“ ist Dürer offenbar nicht so verfahren, oder aber er hat die Tafel mit der Jahreszahl ganz zum Schluss gestochen.
Das Verleihen von Druckgrafik ist laut MOS-Chef Georg Drescher übrigens deutlich weniger aufwendig als das von Gemälden. Weil letztere in ihren Rahmen ständig unter Spannung stehen, sind sie auf der Reise viel anfälliger für Beschädigungen. Die Dürer-Blätter reisen auch im Rahmen, sind aber hinter Passepartout und Glasscheibe gut geschützt. Diese Glasscheibe allerdings wird vor dem Transport abgeklebt, damit keine Scherben auf die Grafik gelangen, sollte doch etwas zu Bruch gehen.
Dürer aus Schweinfurt Meiningen: „Dürer als Erzähler, Museum im Schloss Elisabethenburg, Schlossplatz, bis 14. Oktober. Di.–So., 10 bis 18 Uhr
Nürnberg: „Der frühe Dürer“, Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg, bis 2. September, Di.–So., 10–18 Uhr, Mi 10–21 Uhr.