Im Rahmen der Online-Seminare am Leopoldina-Krankenhaus sprach die Ärztin Katrin Körner, stellvertretende Leiterin der Gefäßchirurgie, zum Thema "Durchblutungsstörungen im Bein – Chirurgische Therapie".
Bei dieser Krankheit sind die Arterien der Beine (selten der Arme) durch Ablagerungen verengt, sie können nur noch bedingt die Beine mit Blut (Sauerstoff) versorgen. Umgangssprachlich spricht man von der "Schaufensterkrankheit", medizinisch wird diese Erkrankung als Periphere Arterielle Verschlusskrankheit (PAVK) bezeichnet.
Dabei handelt es sich um eine Volkskrankheit, betont die Ärztin: Weltweit seien mehr als 230 Millionen Menschen betroffen, Männer häufiger als Frauen. Allgemein erkranken drei bis zehn Prozent aller Erwachsenen daran, ab einem Alter über 70 Jahre sind es jedoch 15 bis 20 Prozent (Frauen: 10,8 Prozent, Männer: 18,2 Prozent). 95 Prozent der chronischen PAVK werden durch Arterienverkalkung (Arteriosklerose) verursacht. Diese Ablagerungen führen zu einer Verhärtung, Verengung und letztlich zu einem Verschluss der Arterien.
Risikofaktoren ernst nehmen
Besonders aufmerksam macht Körner darauf, dass es sich bei der Arteriosklerose um eine Systemerkrankung handelt, die den ganzen Körper betreffen kann. "Herzinfarkt, Schlaganfall und PAVK sind letztlich unterschiedliche Formen ein und derselben Erkrankung". Daraus folgt, dass Patienten mit Durchblutungsstörungen in den Beinen ein vielfach erhöhtes Risiko haben, einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall zu erleiden
Zu den Risikofaktoren einer Arterienverkalung zählen Bluthochdruck, Übergewicht, Erhöhung der Blutfette (Cholesterin, Lipoproteine), Diabetes, chronisches Nierenversagen, männliches Geschlecht, Alter, Rauchen, Bewegungsmangel, Stress, kalorien- und fettreiche Kost, genetische und konstitutionelle Faktoren. Die meisten dieser Risiken sind durch eine gesunde Lebensführung vorsorglich zu vermeiden.
Vier Stadien der Krankheit
Die Erkrankung wird in vier Stadien eingeteilt: Beim Stadium I handelt es sich um einen Zufallsbefund ohne Beschwerden. Stadium II a bedeutet beschwerdefreie Gehstrecke über 200 Meter, Stadium II b beschwerdefreie Gehstrecke unter 200 Meter. Stadium III Ruheschmerz, Stadium IV beinhaltet Gewebeveränderungen (offene Stellen oder schwarzes, abgestorbenes Gewebe).
Nach einer anderen Einteilung unterscheidet man: 1. Oberschenkel-Typ (bei 50 Prozent der Betroffenen, Verengung oder Verschluss der Oberschenkelarterie, kein Puls in der Kniekehle oder am Fuß, Wadenschmerz. 2. Beckentyp (bei 30 Prozent, Verengung oder Verschluss im Beckenbereich, kein Puls in Leiste, Kniekehle und Fuß, Schmerzen im Gesäß, Oberschenkel, Wade, bei Männern Erektionsstörungen). 3. Peripherer Typ (bei 20 Prozent, Verengung oder Verschluss am Unterschenkel oder Fuß, kein Puls am Fuß, Schmerzen an den Fußsohlen).
Nach der Erfassung der Vorgeschichte erfolgt eine körperliche Untersuchung, bei der auch Hautveränderungen wie offene Stellen, abgestorbenes Gewebe, Infektionen oder Verfärbungen erfasst werden. Pulsstatus, Doppler-Untersuchung, Verschlussdruckmessung, Laufbanduntersuchung folgen. Ganz wichtig ist die farbcodierte Duplexsonografie, mit der die Flussgeschwindigkeit des Blutes und damit Verengungen gemessen werden. Es folgt je nach körperlichem Befund eine CT-, Kernspin- oder eine Kontrastmittel freie Gas- Gefäßdarstellung (Angiografie).
Therapiebesprechung im Gefäßboard
"Die Therapie muss immer Stadien gerecht und Risiko angepasst sein", erklärt Körner. Vor Beginn werden alle Maßnahmen immer im interdisziplinären Gefäßboard besprochen. Zunächst werden die Begleiterkrankungen abgeklärt: Bluthochdruck, koronare Herzkrankheit, Diabetes. Zur den nicht-invasiven Therapien gehören: Ausschaltung von Risikofaktoren, Arzneimittel zur Senkung der Blutfette, eine Tablette ASS 100 pro Tag als Thrombosehemmer und intensives Gehtraining.
Ab Stadium II b kommen als Therapie in Frage: Aufweitung des verengten Gefäßes mit einem Ballonkatheter (PTA), Fixierung mit einem Stent. Ist das nicht mehr möglich, muss operiert werden: Überbrückung verengter Gefäße durch einen Bypass oder die Ausschabung der Plaque (TEA) in einer offenen Operation. Dazu kommt in manchen Fällen eine Infusionstherapie. Als Bypass-Material stehen zur Verfügung: Körpereigene Venen, Nabelschnurgewebe, denaturiertes Schafscollagen, Prothesen aus Polyester.
In eindrucksvollen Bildern zeigt die Ärztin die einzelnen Schritte der Operationsverfahren, die das präzise Arbeiten der Gefäßchirurgen im Mikrobereich dokumentieren. Kathrin Körner macht auch auf Komplikationen und Risiken eines Eingriffs aufmerksam: Thrombose, Embolie, Blutung, Nachblutung, Wundheilungsstörungen, Schwellneigung des Beines, Bypass-Infektionen, Bypass-Verschluss, erneute Verengung des von Ablagerungen ausgeräumten Gefäßes. "Manchmal ist auch eine Amputation notwendig, etwa von Zehen und Unterschenkel, selten des Oberschenkels."
Nachsorge extrem wichtig
Als Nachsorge und Behandlung braucht es lebenslange Blutverdünnung durch ASS 100 nach Ballonaufdehnung, Ausschabung der Plaque oder nach Bypass-Operation. In manchen Fällen gibt man zusätzlich vorübergehend Clopidogrel, bei speziellen Indikationen Marcumar oder die neuen Antikoagulantien (NOAK), Statin-Therapie.
Wichtig auch die Duplex-Sonographie: die erste nach drei bis sechs Monaten bei Verwendung von Fremdmaterial wie bei Stent-Operationen, Patchplastik, Bypässen, Gefäßaufdehnung. Danach gibt es jährliche Kontrollen, bei Beschwerden früher. Es folgen Anschluss-Heilbehandlung, Gehtraining, Kontrolle der Begleiterkrankungen – und schließlich die Reduktion, besser Ausschaltung von Risikofaktoren: Verzicht auf Nikotin, Gewichtsreduktion, gesunde Ernährung.