Um kurz vor 22 Uhr endete die fünfstündige Sondersitzung des Stadtrates zum Thema Innenstadt – zumindest der öffentliche Teil. Als Zuschauer und Pressevertreter die Schweinfurter Stadthalle verlassen mussten, lagen konstruktive, aber auch emotional geführte Diskussionen hinter den 42 anwesenden Stadträtinnen und Stadträten sowie dem Oberbürgermeister Sebastian Remelé. Zahlreiche Interessierte, darunter Händler und Verbandsvertreter, hatten die Sitzung von der Tribüne aus verfolgt.
Das Gremium hatte sich versammelt, um ausschließlich über Themen zu diskutieren, die die Innenstadt sowie den dort ansässigen Handel betreffen. Die Punkte reichten dabei von Innenstadt-Konzepten über Begrünungsvorschläge bis hin zu kulturellen Angeboten, die etwa die Aufenthaltsqualität in der Stadt erhöhen sollen. Im Blickpunkt stand dabei immer die Frage, wie man mehr Menschen in die Schweinfurter Innenstadt locken kann, um dadurch schließlich auch wieder mehr kaufende Kundschaft in die Geschäfte zu bekommen.
OB Remelé nimmt Schweinfurter Kundschaft in die Pflicht
Oberbürgermeister Remelé machte zu Beginn deutlich, dass die Sondersitzung "lediglich der Auftakt" sei, man sich jedoch kontinuierlich mit dem Thema weiter beschäftigen werde. "Wir müssen uns mit dem Gedanken befassen, dass Innenstädte ihre jahrtausendalte Funktion des Handels und Warenumschlags zum Teil verlieren", so der OB. Hierzu leiste auch der wachsende Onlinehandel einen Beitrag. Eine teilweise Umwidmung der Einkaufsmeilen in Wohnraum biete jedoch auch wieder Chancen, dem Leerstand mit Belebung zu begegnen.
Als Kommune wolle man alles mögliche dafür tun. "Ihr müsst aber auch euren Beitrag leisten", richtete Remelé einen Apell an die Bewohner Schweinfurts. Denn es passiere häufig, dass sich Kunden in Geschäften beraten ließen, am Abend dann aber im Internet ihre Produkte bestellten. In diesem Fall sei man machtlos und stoße an Grenzen. Und dies sei vor allem deshalb bedauerlich, da Schweinfurts Innenstadt durchaus durch "Schönheit und Erreichbarkeit" zu überzeugen wisse.
"Wir müssen vom Wollen ins Machen kommen"
Laut Citymanager Thomas Herrmann sei die Innenstadt durchaus zu retten, man müsse sich dafür aber "neu erfinden". So müsse man sich vom "Versorger der Republik" verabschieden, hin zu mehr Freizeitgestaltung und Erlebnis, worauf sich der Handel ebenso einzustellen habe, so Herrmann. "Man muss die Menschen begeistern, verblüffen." Mit Werbekampagnen, Gutschein-Aktionen oder etwa Pop-Up-Stores habe man bereits einiges getan, um den Handel zu unterstützen. Auch Veranstaltungen und die Bewerbung um Förderprogramme gehöre zum Aufgabengebiet des Citymanagements.
Doch was kann zusätzlich getan werden? Einig waren sich alle Stadträtinnen und Stadträte, dass genügend Ideen und Konzepte existieren, man nun jedoch dringend in die Umsetzung kommen müsse. "Wir müssen vom Wollen ins Machen kommen", sagte dazu etwa SPD-Stadtrat Ralf Hofmann. Stefan Labus (Freie Wähler) forderte gar eine Vision, ein ganzheitliches Konzept, in das alle Ideen und Konzepte eingearbeitet werden sollten.
Was hat die Sondersitzung auf den Weg gebracht?
Bereits im Vorfeld der Sondersitzung kündigten mehrere Fraktionen an, sich nicht mehr mit neuen Gutachten, Analysen und Konzepten zu beschäftigen, sondern in die tatsächliche Umsetzung kommen zu wollen. Logisch also, dass eine von FDP-Stadtrat Georg Wiederer beantragte "Kernstadtanalyse" zu erneuten Diskussionen führte. Allerdings konnte Citymanager Herrmann die Mehrheit des Gremiums vom Nutzen der Analyse überzeugen, da sie wichtige Erkenntnisse liefere.

So soll die Analyse etwa Aufschluss darüber geben, in welchen Straßen vermehrt Handel, Gastronomie oder Dienstleistungen funktionieren würde. Auch konkrete Strategieansätze sollten aus der Analyse hervorgehen. Diese soll, inklusive einer Projektphase und Workshops, zwischen 50 000 und 80 000 Euro kosten, wovon rund 80 Prozent staatlich bezuschusst würden, so die Stadtverwaltung.
Vorkaufsrecht für Immobilien um "Fehlentwicklungen" zu verhindern?
Heiß diskutiert wurde der SPD-Antrag zu einer Vorkaufsrechtssatzung. Indem diese beschlossen würde, könnte die Stadt bei zu verkaufenden Immobilien die Verkaufsabsicht erfahren und bei möglichen "Fehlentwicklungen" gegensteuern. Stadtrat Peter Hofmann nannte beispielhaft ein Gebäude, in dem Prostitution betrieben wird. "Hier hätte die Stadt dann tatsächlich das Recht einzugreifen, um eben eine Fehlentwicklung zu verhindern", so Hofmann. Ordnungsreferent Jan von Lackum äußerte jedoch rechtliche Bedenken. Der Stadtrat beschloss nun, das die Verwaltung das Thema prüfe und man bis März 2022 einen Zwischenbericht bekomme.
"Wir müssen uns mit dem Gedanken befassen, dass Innenstädte ihre jahrtausendalte Funktion des Handels und Warenumschlags zum Teil verlieren."
Oberbürgermeister Sebastian Remelé
Darüber hinaus wird die Stadtverwaltung mögliche Kosten und Zuschüsse für Brunnen, Kinderspielecken und Sitzgelegenheiten ermitteln, um damit die Aufenthaltsqualität, gerade auch für Familien, in der Innenstadt erhöhen zu können. Dies hatte die SPD beantragt. Dabei wurde immer wieder ein sogenannter "Spaßbrunnen" ins Spiel gebracht, der vor allem für Kinder als begehbare Wasserfläche Erlebnischarakter bieten könnte.
Unterstützung für Gastronomie und Handel
Für die Unterstützung von Gründern in Einzelhandel und Gastronomie will der Stadtrat, zunächst für das Haushaltsjahr 2022, 50 000 Euro in die Hand nehmen. Außerdem wird die Erleichterung für Gastronomen (kostenfreie Flächenerweiterung) bis ins kommende Jahr verlängert. Auch auf eine Erhebung der Sondernutzungsgebühren für Einzelhändler wird die Stadt im kommenden Jahr weiter verzichten.
Ebenso, um mehr Menschen in die Innenstadt zu locken und sie zum Bleiben zu animieren, stellte die Stadtverwaltung ein "Konzept zur Begrünung" vor. Je nach Umsetzbarkeit sollen hierfür an verschiedenen Stellen "Echtbäume" sowie "Bäume in Kübeln" angelegt werden. Ein Konzept speziell für den Marktplatz, etwa was Begrünung, Kinderspielmöglichkeiten oder Brunnen angeht, soll gesondert vorgestellt werden.

Nicht zuletzt sollen kulturelle Veranstaltungen in der Innenstadt für Belebung sorgen. CSU und Grüne hatten hierzu ähnliche Anträge gestellt, mit dem Ziel, dass wöchentliche Events als Besuchermagnet dienten. Die Kulturverwaltung sowie die Wirtschaftsförderung wurden nun beauftragt, bis Ende dieses Jahres ein Programm für die Monate März bis Oktober vorzustellen.