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WERNECK: Ein Fehler passiert oft nicht allein

WERNECK

Ein Fehler passiert oft nicht allein

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    Die Verbindungsstraße zwischen Schraudenbach und Zeuzleben, auf der sich die Trümmer von Fahrbahn und Gerüst türmen, wird noch wochenlang gesperrt sein.
    Die Verbindungsstraße zwischen Schraudenbach und Zeuzleben, auf der sich die Trümmer von Fahrbahn und Gerüst türmen, wird noch wochenlang gesperrt sein. Foto: Fotos: Julia Haug/Grafik: Jutta Glöckner

    „Keine Ahnung.“ So wie Hans Beer, Regionalleiter der Industriegewerkschaft (IG) Bau in Nürnberg, reagieren zahlreiche andere Leute vom Fach auf die derzeit häufig gestellte Frage, wie ein Teilstück der im Bau befindlichen neuen Autobahnbrücke an der A7 bei Werneck (Lkr. Schweinfurt) mir-nicht, dir-nichts kollabieren konnte. Bögl sei „eine gute Firma mit zirka 6000 Beschäftigten“, sagt der Gewerkschafter. Dass Bögl ein Subunternehmen an der Ausführung der Arbeiten beteiligt hat, sei „üblich im Hochbau“. Wir mehrfach berichtet, waren bei Einsturz der Brücke am Mittwochnachmittag ein Bauarbeiter getötete und 14 weitere verletzt worden, elf von ihnen schwer. Alle waren beim Subunternehmen beschäftigt.

    Entweder lag es am Gerüst oder am Baugrund. Oder an beidem. Auch Professor Armin Löhr von der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt kann zum jetzigen Zeitpunkt über die möglichen Ursachen des Unglücks nur spekulieren. Immerhin hat der Diplom-Ingenieur mit den Lehrgebieten Stahlbetonbau, Spannbetonbau, Massivbrückenbau und Industriebau recht konkrete Vorstellungen, wie es zum Zusammenbruch der Brücke gekommen sein könnte. Über die möglichen Ursache sagt er: „Entweder lag es am Gerüst oder am Baugrund.

    “ Dann schiebt er hinterher: „Oder es lag an beidem.“ Bei Aufsehen erregenden Einstürzen von Brückenbauwerken gebe es meist nicht die eine, die alleinige Ursache. Sondern eine Kette von Fehlern.

    Der Laie staunt über die Vielzahl von möglichen Brückenkonstruktionen, wie sie beispielsweise das Online-Lexikon Wikipedia listet. Da gibt es Vollplatten- und Plattenbalkenbrücken, Bogen- sowie Hänge und Schrägseilbrücken und viele, viele Konstruktionen mehr. Jede Art zu bauen hat ihre Besonderheiten. Entscheidend ist weniger das Risiko beim Bau, wissen Experten. Die Vor- und Nachteile sind eher wirtschaftlicher Art, Randbedingungen wie die Topografie der Landschaft spielen da eine große Rolle.

    Spannbetonbrücken – robust und wirtschaftlich

    „Da die Plattenbalkenbrücken (wie die bei Werneck eingestürzte, Anm. der Red.) üblicherweise auf Traggerüst hergestellt werden, bieten der für die Herstellung auf Traggerüst vorhandene flache Talraum und der Autobahnverlauf 20 Meter über Grund günstige Randbedingungen für den Bau dieser Brückenkonstruktion“ schreibt Edith Kolarik von der Autobahndirektion Nordbayern in Nürnberg. Es handele sich um „eine robuste und wirtschaftliche Konstruktion, die im Normalfall ohne große Bauzeitrisiken erstellt werden kann“.

    Die A7-Brücke nahe Werneck ist eine Plattenbalkenbrücke aus Spannbeton. Sie wird „im Leergerüst“ errichtet, beschreibt Armin Löhr „eine bewährte Methode“. Eine Brücke mit einem Hohlkastenträger, wie er zum Beispiel an der A 3 derzeit im Taktverfahren über den Reichenberger Grund (Lkr. Würzburg) geschoben wird, sei bei Werneck technisch nicht nötig.

    Die Verschalung wird auf ein Leergerüst aus Stahl montiert Löhr erklärt die Methode im Detail: Zunächst wird feld- beziehungsweise abschnittsweise ein Leergerüst aus Stahl errichtet, darauf wird die Verschalung aus Holz montiert. Sie gibt die spätere Form der Brücke vor. In diese Verschalung wird die Bewehrung eingeflochten, wobei Stabstahl und Spannstahl zum Einsatz kommen. Dann wird die Brücke betoniert und danach bei ausreichender Festigkeit des Betons wird der Stahl vorgespannt, was der Konstruktion Festigkeit verleiht. Erst dann wird das tragende Gerüst versetzt und das nächste Feld, der nächste Abschnitt ausgeschalt, mit Stahl armiert und mit Beton ausgegossen.

    War der Beton in dem kollabierten Abschnitt zu schwer für das Gerüst? Löhr will nicht spekulieren. Er betont allerdings, dass ein Kubikmeter Beton 2,5 Tonnen wiegt, zweieinhalb mal mehr als ein Kubikmeter Wasser. Löhr kennt den Querschnitt der Brückenkonstruktion nicht, schätzt aber, dass ein Abschnitt rund 1200 bis 1500 Tonnen wiegt. „Ein enormes Gewicht.“

    Das Gerüst ist in aller Regel daraufhin ausgelegt. Waren die Berechnungen fehlerhaft? Kamen fehlerhafte Materialien zum Einsatz? Denkbar ist auch, dass der Starkregen der letzten Tage mit verantwortlich für das Unglück gewesen sei. Die Fluten von oben hätten möglicherweise den Boden aufgeweicht, auf dem das Gerüst für die Brücke stand. Das sei unter Umständen überfordert gewesen, als oben die Brücke gegossen wurde.

    Der Professor für Architektur und Bauingenieurwesen hat mit mehreren Kollegen über möglichen Ursachen gesprochen. Die beauftragte Firma Bögl habe mit der geschilderten Methode „kein Neuland betreten“ und beschäftige gutes Personal, von der Oberbauleitung bis hin zu erfahrenen Polieren. Durch das Vier-Augen-Prinzip sei die Kontrolle an deutschen Großbaustellen „unheimlich gut“, sagt Löhr und bilanziert: „Bauunfälle sind zum Glück äußerst selten.“

    Für die Angehörigen des Getöteten und die verletzten Bauarbeiter ist die Aussage natürlich kein Trost. Sie werden wohl noch eine Weile warten müssen, bis die Sachverständigen ihre Arbeit beendet haben. Bis ein Abschlussbericht vorliegt, kann ein Jahr ins Land gehen, sagt Löhr.

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