Schriftliche Aufzeichnungen über die Entstehung und Bau des in Unterfranken wohl einzigartigen Gartenhäuschens am Rande der Mainstraße hat man bisher nicht gefunden. Erzählt wird, dass das Baumaterial für das Häuschen übrig war – vom Bau des Bergrheinfelder Rathauses vor über 300 Jahren. Den dazu gehörigen Garten soll der Gärtner des Amtsvogtes bewirtschaftet haben. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war der Garten zwischen den Familien Kneuer und Popp geteilt worden. Beide Familien hatten keinen Hausgarten, und damit nun einen Garten an der Mainstraße.
Schriftlich erwähnt wird das Gartenhäuschen in einem Zeitungsartikel aus den 1920er Jahren: „. . . bis wir das reizende kleine Gartenhaus entdecken, das wohl noch im Schlafe, mit geschlossenen Fensteraugen, die Salatköpfe und den Flieder hüten soll“, heißt es in dieser Reisebeschreibung. Dazu ist das Gebäude auf einer Zeichnung abgebildet. Eigentümer war damals Stefan Dereser, Enkel von Johann Michael Kneuer, der ein Anwesen in der Hauptstraße gegenüber der Maria-Schmerz-Kirche bewohnte. Das „Türmchen“ im Garten war nach wie vor ein Schmuckstück.
Im Kugelhagel
1945: Bei Kriegsende hat auch das Gartenhäuschen allen Glanz verloren. Um Bergrheinfeld war gekämpft worden, 24 Menschen waren dabei getötet worden. Zwei davon kamen in dem Garten vor dem Häuschen um. Ihre Leichen wurden dort gefunden. Das Gartenhäuschen war von den Amerikanern unter Beschuss genommen worden, da diese darin einen deutschen Beobachtungsposten vermuteten. Entsprechend zerstört war das kleine Haus, als Albert Dereser, der aus Bergrheinfeld stammt und seit Jahrzehnten in Ettleben beheimatet ist, als 21-Jähriger aus dem Krieg zurückkehrt. Sein Vater Stefan hatte ihm die Geschichte vom Kriegsende in Bergrheinfeld erzählt. Der junge Kriegsheimkehrer richtete dann das Häuschen wieder her – so gut es ihm mit den damaligen Mitteln möglich war.
Doch nagte der Zahn der Zeit an dem denkmalgeschützten Objekt. Nach 50 Jahren drohte sogar der Einsturz. Fensterläden und Türen fehlten, Kinder nutzten das kleine Gebäude als Abenteuerspielplatz, Feuchtigkeit machte dem Mauerwerk und Holz zu schaffen. Der Zerfall schien nicht mehr aufzuhalten.
Alberts Sohn Gerhard ergriff die Initiative, nachdem er bereits vorher das Elternhaus seines Vaters renoviert hatte. Bis auf den Dachstuhl, den eine ortsansässige Zimmerei anfertigte, übernahm er alle Arbeiten selbst: Mauern, Fachwerk sanieren, Verputzen, neue Fenster und die Inneneinrichtung. Rund sieben Jahre arbeitete er am Gartenhäuschen, unterstützt von seinem Neffen Florian.
Eine Kugel mit Dokumenten
Das Fachwerk glänzt, das Mauerwerk ist verputzt, neue Biberschwänze decken das Dach, neue Fenster sind eingesetzt. Im Untergeschoss lagern Gartengeräte, im Obergeschoss, verbunden durch eine kleine Wendeltreppe aus Holz, laden eine kleine gemütliche Stube mit vier Sitzplätzen und einem Tisch zum Verweilen ein. Umrahmt ist das Grundstück mit einem Teil der alten Dorfmauer. „Ich hoffe, dass das Gartenhäuschen mit dem Blick auf den Turm der Maria-Schmerz-Kirche ein Schmuckstück der Gemeinde Bergrheinfeld bleibt“, sagt der heute 85-jährige Albert Dereser. Zum Abschluss der Arbeiten will er noch eine Kugel mit Dokumenten auf eine der beiden Dachspitzen anbringen lassen, damit die Nachwelt weiß, was es mit dem Häuschen auf sich hat.
Bürgermeister Peter Neubert lobte die Privatinitiative und das Schmuckstück, das dabei entstanden sei. Die gesamten Renovierungskosten hätten die Eigentümer selbst getragen – ohne öffentliche Zuschüsse, und das obwohl das Objekt unter Denkmalschutz steht. Eine gewisse Außenwirkung hat das Häuschen auch: Es ist, wie Neubert bemerkte, auch vom Mainradwanderweg aus gut zu sehen.
Wer ein ähnliches Gebäude sehen möchte, muss nach Coburg gehen: Dort steht ein zweigeschossiges Gartenhaus in der Floßstegstraße. Es stammt aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts und war das ehemalige Gartenhaus von Prinz Leopold von Sachsen-Coburg-Saalfeld, der später als erster belgischer König den Thron bestieg. Als junger Prinz hatte er sich oft in dieses Häuschen zurückgezogen. Und das kann Gerhard Dereser in seinem „Türmchen“ nun auch.