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DITTELBRUNN: Ein Herz für Straßenhunde

DITTELBRUNN

Ein Herz für Straßenhunde

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    Wencke Hauschild-Feldmann, Dittelbrunn, Loretta, Straßenhunde, Rumänien, Vermittlung, Vereine, Tierschutz, Tötungsstation
    Wencke Hauschild-Feldmann, Dittelbrunn, Loretta, Straßenhunde, Rumänien, Vermittlung, Vereine, Tierschutz, Tötungsstation Foto: Mathias Wiedemann

    Gequälte, verstümmelte, verhungernde, erschlagene Hunde. Hunde, die in winzige Käfige zusammengepfercht sind oder ohne Wasser unter sengender Sonne im eigenen Kot verenden. Internetseiten prangern schreckliche Zustände in Tierheimen und Tötungsstationen meist in Süd- und Osteuropa an, aber auch alltägliche Grausamkeit da, wo Tiere wie Gegenstände behandelt werden.

    Wer bei Google „Straßenhunde“ eingibt, bekommt Hunderte Vereine und Initiativen angezeigt, die dagegen angehen. Aktivisten vor Ort arbeiten dabei mit Tierschützern in Deutschland zusammen: meist kleine Vereine, die Hunde etwa aus Rumänien, Ungarn, der Ukraine, Bosnien, Bulgarien, Spanien oder der Türkei an neue Besitzer hierzulande vermitteln. Sie tun das mit einigem Erfolg: Auf den Gassi-Strecken deutscher Städte sind längst jede Menge Hunde mit unterschiedlichsten Migrationshintergründen unterwegs.

    Loretta lebt jetzt in Dittelbrunn

    Wencke Hauschild-Feldmann in Dittelbrunn (Lkr. Schweinfurt) hat vor einem Jahr einen Hund aus Rumänien adoptiert: Loretta. Die kleine schwarze Mischlingshündin mit den sorgenvollen Augen ist zwischen drei und fünf Jahre alt – so genau lässt sich das nicht sagen, denn ihr Gebiss, wichtiger Indikator bei der Altersbestimmung von Hunden, ist seit einer Staupeinfektion stark verändert.

    Angekommen: Heike Hofmann nimmt auf dieser Aufnahme aus dem Jahr 2012 ihren Kimo aus Ungarn in Empfang.
    Angekommen: Heike Hofmann nimmt auf dieser Aufnahme aus dem Jahr 2012 ihren Kimo aus Ungarn in Empfang. Foto: Foto: Hofmann

    „Wir haben sie am Anfang einfach in Ruhe gelassen“, erzählt Wencke Hauschild-Feldmann, „nach und nach ist sie dann von selber gekommen. Sie ist sehr lernwillig, und was gut ist, das merkt sie sich sofort.“ Fremde betrachtet Loretta immer noch ein wenig argwöhnisch, aber nach ein paar Minuten der Prüfung ist sie inzwischen sogar bereit, die sichere Nähe ihres Frauchens zu verlassen, um sich hinter dem Ohr kraulen zu lassen.

    Loretta war ein Hofhund. Bei den Bauersleuten hatte sie es ganz gut, doch als die starben, jagte der Nachfolger sie vom Hof. Dabei oder bei der Kollision mit einem Auto erlitt Loretta eine Wirbelverletzung und kann seither ihren Schwanz nicht mehr bewegen.

    Ein paar Monate lebte sie auf der Straße, dann landete sie in einer Tötungsstation, kam aber mit Glück frei und fand ein neues Zuhause. Vermittelt hat sie damals die Initiative „Grenzenlose Notfelle“, inzwischen ein eingetragener Verein mit knapp 20 Mitgliedern im Bundesgebiet und in der Schweiz. Vorsitzende ist Heike Hofmann aus Pfändhausen, einem Ortsteil von Dittelbrunn.

    Voraussetzung für die Erlaubnis, Tiere aus dem Ausland nach Deutschland zu vermitteln, ist die erfolgreich abgelegte Sachkundeprüfung nach Paragraph 11. Heike Hofmann hat sie beim Veterinäramt in Schweinfurt abgelegt. „Ich war hier die Erste, das Versuchskaninchen sozusagen“, erzählt sie. Gefragt wurde nach gesetzlichen Grundlagen, Impfbestimmungen oder den richtigen Boxengrößen beim Transport.

    Viele Auflagen für die Transporte

    Die Erlaubnis ist mit Auflagen verbunden. Jeder Transport nach Deutschland muss eine Woche vorher angemeldet werden. Zwei Tage vorher müssen eine Liste aller Tiere, Bilder, Angaben über Alter, Geschlecht, Herkunft, Namen, Adressen der Empfänger und Ort der Übergabe gemeldet werden. Die Tiere müssen gegen Tollwut geimpft und gechippt sein, maximal die Hälfte darf jünger als zwölf Monate alt sein.

    „Wir sehen das durchaus kritisch“, sagt Dr. Hermann Stein, Tierarzt und stellvertretender Leiter des Veterinäramts am Landratsamt Schweinfurt. „Wir wollen keine Welpenproduktion und keinen Handel fördern, sondern die Aktivität auf die bedürftigen Tiere beschränken.“

    Wie Wencke Hauschild-Feldmann ist auch Heike Hofmann zur Vereinsarbeit gekommen, nachdem sie selbst zwei Hunde adoptiert hatte – Kimo und Bogi, Straßenhunde aus Ungarn. Es war anfangs nicht leicht, aber mit viel Geduld und der Hilfe einer Hundetrainerin haben sich die beiden eingelebt. „Die gucken einen an, und man weiß, man hat es richtig gemacht“, sagt Hofmann.

    „Grenzenlose Notfelle“ arbeitet mit dem rumänischen Verein Nuca Animal Welfare zusammen. Laut Jahresbericht 2014 hat Nuca 180 Hunde und 71 Katzen in Pflegestellen aufgenommen und 175 Tiere vermittelt.

    Auf den Homepages der deutschen Vereine und in den sozialen Netzwerken können sich Interessenten über Tiere informieren, für die neue Halter gesucht werden. Bei Gesprächen und Hausbesuchen prüfen die Tierschützer, ob die Bewerber geeignet erscheinen, ein höchstwahrscheinlich traumatisiertes und nicht selten gesundheitlich angeschlagenes Tier angemessen zu versorgen.

    Erstaunen über die Akribie der Vermittler

    Nicht immer sind sich Interessenten über den möglichen zeitlichen, nervlichen und finanziellen Aufwand im Klaren. Und nicht immer bringen sie Verständnis für die Akribie der Vermittler auf. Einer hat mal zu Heike Hofmann gesagt, „Ihre Kontrollen sind härter, als wenn man ein Kind adoptiert.“

    Die Interessenten wiederum sollen möglichst viel über die Tiere erfahren, auch und gerade problematische Eigenschaften. Denn ist ein Hund erst einmal hier, sollte er bei seiner neuen Familie bleiben. Nach Abschluss eines Schutzvertrags und Entrichtung einer Schutzgebühr können die Besitzer ihre neuen Mitbewohner in Empfang nehmen.

    Üblicherweise kommen mit einem Transport mehrere Tiere in vorschriftsmäßig großen und klimatisierten Boxen an. Auf der Rückfahrt nehmen die Lieferanten dann dringend benötigte Spenden wie Decken, Körbchen, Leinen und vor allem Futter mit. Laut Lea Schmitz, Sprecherin des Deutschen Tierschutzbunds, sind Straßenhunde und -katzen in vielen Ländern ein großes Problem: „Die örtlichen Behörden reagieren darauf, indem sie Tausende gesunde Tiere töten. Diese Maßnahme ist nicht nur äußerst grausam, sondern auch sinnlos, denn die Anzahl der Straßentiere verringert sich dadurch nicht.“ Es würden einerseits immer wieder neue Welpen ausgesetzt, denen andererseits durch Töten anderer Tiere auf der Straße mehr Futter zur Verfügung stehe.

    Vermittlungen können grundsätzliches Problem nicht lösen 

    Die Vermittlungen können das grundsätzliche Problem nicht lösen, da sind sich alle einig. Der Deutsche Tierschutzbund, Dachverband für über 750 Tierschutzvereine mit über 500 vereinseigenen Tierheimen und mehr als 800 000 Mitgliedern, bringt es auf eine griffige Formel: Die Rettung jedes einzelnen Individuums habe zwar große Bedeutung, doch nur „die Methode Fangen, Kastrieren und Freilassen“ könne langfristig helfen.

    Die deutschen Vereine unterstützen deshalb auch die Aktionen in den Herkunftsländern. „Gerade die Kinder dort sollen verstehen lernen, dass Tiere keine Gegenstände, sondern leidensfähige Lebewesen sind“, sagt Heike Hofmann.

    Wencke Hauschild-Feldmann arbeitet im Verein „Hunde grenzenlos“ mit, der seinen Sitz in Bönen in Nordrhein-Westfalen hat. Sie ist vor allem auf Facebook aktiv, wo sie Vermittlungskandidaten auch anderer Vereine vorstellt. Kürzlich ist es gelungen, einen Hund, der nach einer Staupeinfektion die Hinterläufe kaum bewegen konnte, an eine Physiotherapeutin zu vermitteln. Während „Grenzenlose Notfelle“ sich auf Rumänien beschränkt, vermittelt „Hunde grenzenlos“ Tiere aus Rumänien, Ungarn, Lanzarote und bald auch aus Portugal. In Rumänien arbeitet der Verein mit dem Tierheim Laura zusammen – betrieben von einer Familie, die derzeit rund 80 Hunde aus eigener Tasche versorgt.

    Straßenhunde sind kein neues Problem. Im Jahr 1910 etwa ließ die Stadt Istanbul 50 000 Streuner einfangen und auf einer kleinen Insel aussetzen – ohne Futter und Wasser. Die Tiere waren dazu verdammt, einander gegenseitig aufzufressen, bis schließlich alle tot waren. Ihre Schreie sollen wochenlang zu hören gewesen sein.

    Einen nur etwas weniger drastischen Lösungsversuch unternahm Rumänien 2013: Nachdem vermeintliche Straßenhunde (wie sich herausstellte, waren es Wachhunde) ein Kind zerfleischt hatten, wurde unter dem Druck der Öffentlichkeit ein Gesetz erlassen, das die Tötung von Streunern legalisierte. Nach offiziellen Angaben wurden bis Sommer 2014 rund 25 000 Hunde eingefangen und 10 000 getötet. Tierschützer schätzen, dass es weit mehr waren. Nach einem Gerichtsurteil ist das Töten inzwischen illegal, Aktivisten berichteten aber von weiteren Massentötungen.

    Weiterhin gibt es außerdem ein Kopfgeld pro eingefangenem Hund, weswegen Tierschützer es für denkbar halten, dass Fänger sogar in Deutschland unterwegs sind.

    In Rumänien gibt es inzwischen eine Kastrationspflicht – ein richtiger Schritt, allerdings mit einem unerwünschten Nebeneffekt: Halter, die sich die Kastration ihrer Tiere nicht leisten können oder wollen, setzen diese oft einfach aus. Dem sollen die – kostenlosen – Angebote der Tierschützer entgegenwirken. Oft aber bringen Halter ihre Tiere zum Kastrieren und holen sie dann nicht mehr ab.

    In deutschen Tierheimen sitzen doch genug Hunde und warten auf neue Besitzer – derlei Sätze bekommen Wencke Hauschild-Feldmann und Heike Hofmann auch zu hören. Antrieb für ihr Engagement sind aber die schrecklichen Zustände in den Herkunftsländern. Ein wichtiges Anliegen ist dabei, älteren und behinderten Hunden eine letzte Chance auf ein besseres Leben zu geben.

    Ursula Böhm, Leiterin des Tierheims Wanningsmühle des Kreistierschutzvereins Bad Kissingen bei Wermerichshausen, sieht die Auslandsvermittlung nicht als unerwünschte Konkurrenz: „Ich kann mich nicht über unsere Vermittlungszahlen beschweren. Wir sind hier selbst multikulturell unterwegs und arbeiten auch mit dem Ausland zusammen.“ Gefragt seien vor allem kleine Hunde, und solche fänden sich eher auf den Seiten der Vermittlungsvereine als bei ihr im Tierheim. Nicht erfreulich sei es aber, wenn die neuen Halter nicht zurechtkommen und die Tiere dann doch in den Tierheimen landen. Böhm: „Was uns aber mehr betrifft – Welpen, die nach einem aufgeflogenen illegalen Kofferraum-Verkauf bei uns in Quarantäne landen.“

    Wencke Hauschild-Feldmann kann sich ihr Leben ohne Loretta nicht mehr vorstellen, und auch Heike Hofmann möchte Kimo und Bogi nicht mehr missen. Eine Journalistin, die ihren Hund über das Würzburger Tierheim bekommen hat, formuliert es etwas trockener: „Meine Milla kommt aus einer Tötungsstation in Rumänien. Wäre echt schade gewesen um den Hund.“

    Tiervermittlung aus dem Ausland – die gesetzlichen Grundlagen

    Hunde aus dem Ausland vermitteln darf in Deutschland nur, wer eine Erlaubnis nach Paragraph 11 des Tierschutzgesetzes besitzt. Dabei greifen die Bestimmungen unter Absatz 1, Nummer 5: „Erlaubnispflicht für die Einfuhr oder das Verbringen von Wirbeltieren, die nicht Nutztiere sind, zum Zwecke der Abgabe gegen Entgelt oder eine sonstige Gegenleistung in das Inland oder für die Vermittlung der Abgabe solcher Tiere.“ Am Anfang steht eine Sachkundeprüfung beim Veterinäramt. Laut Dr.

    Hermann Stein, Tierarzt und stellvertretender Leiter des Veterinäramts am Landratsamt Schweinfurt, muss ein Proband in Bayern überdurchschnittliches Interesse und intensive Beschäftigung über einen längeren Zeitraum mit dem Thema nachweisen, um überhaupt zur Prüfung zugelassen zu werden. Das kann eine Berufsausbildung oder mehrjährige Mitarbeit etwa in einem Hundeverein sein. Die Prüfung findet am Computer statt: anderthalb Stunden für 50 Fragen, 75 Prozent müssen richtig beantwortet werden. Die Fragen kennt auch das Veterinäramt nicht vorher – vorbereiten kann man diesen speziellen Test also nicht. Wer den Test besteht, darf unter Beilegung eines polizeilichen Führungszeugnisses und eines Auszugs aus dem Gewerbezentralregister einen „Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis“ stellen. Die erwähnten Vereine sind im Internet präsent unter

    www.hunde-grenzenlos.de

    und

    www.grenzenlose-notfelle-ev.de

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