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SCHWEINFURT: Ende einer Institution

SCHWEINFURT

Ende einer Institution

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    Einen Monat lang ist Räumungsverkauf, dann schließt die Rückert-Buchhandlung in der Keßlergasse für immer.
    Einen Monat lang ist Räumungsverkauf, dann schließt die Rückert-Buchhandlung in der Keßlergasse für immer. Foto: FOTOs (2) Waltraud Fuchs-Mauder

    Das Porträt seines Großvaters Johannes Trebst, der 1921 die ehemals Stoersche Buchhandlung erwarb, hat Ekkehard Kaemmerling bereits abgehängt im Büro mit der Stuckdecke. „Den Räumungsverkauf muss er nicht unbedingt miterleben“, sagt er. Kaemmerling hatte nach dem Tod seiner Mutter Heide Trebst-Kaemmerling im November 2005 die Buchhandlung übernommen und anderthalb Jahre die Geschäfte alleinverantwortlich aus der Ferne geführt.

    Der Literatur-Wissenschaftler, der besonders in den 70er Jahren international auch als Künstler hervorgetreten ist, lebt in Berlin und widmet sich vor allem der Forschung. Zur Zeit ist er mit einer zusätzlichen Habilitationsschrift in Kunstgeschichte befasst. Buchhändler wollte er nie werden. „Bis letzten Spätsommer hatte ich eine letzte Hoffnung, die Buchhandlung in gute Hände geben zu können“, sagt er. Aber dann sagte die Interessentin ab. Andere wiederum wies Kaemmerling ab – eine „Boulevard-Buchhandlung“ wollte er nicht in der Keßlergasse 9. Die Konsequenz: Nach dem Räumungsverkauf, der am 30. April endet, wird es die Rückert-Buchhandlung nicht mehr geben. Den 15 Mitarbeitern ist bereits gekündigt. Das im 18. Jahrhundert gebaute Haus soll gewerblich vermietet werden, allerdings mache die Aussicht ECE-Galerie die Mieter-Suche nicht unbedingt leichter.

    Dass eine 1871 gegründete Institution schließen muss, ist für Ekkehard Kaemmerling Symptom sowohl für den Niedergang der Branche als auch der Innenstadt: „Wir und Pelz-Drescher sind hier mehr oder minder die letzten Mohikaner.“ Inhabergeführte Geschäfte hätten hier gegen Filialisten und Billigläden kaum eine Chance: „Die Eigentümer müssten zum einen in ihre Häuser investieren und zum anderen die Mietpreise senken, um hier wieder echte Läden sowie einen Branchenmix zu erhalten.“ Manchen reiche die Miete, die sie aus dem Erdgeschoss holen. Der Rest des Hauses verkomme. Die geplante Überdachung sei keine „sinnvolle Maßnahme, um der ECE-Galerie Paroli zu bieten“.

    Für den Buchhandel indes haben sich die Rahmenbedingungen dramatisch verändert: Zwei Großkonzerne liefern sich gegenwärtig einen Verdrängungswettbewerb, die Mittelständler kommen dabei unter die Räder. „Das Internet hat außerdem den wissenschaftlichen Fachbuchmarkt völlig zum Erliegen gebracht“, sagt Kaemmerling. Die Fachbücher waren eine der Säulen des wirtschaftlichen Erfolgs, die Buchhandlung war Mitglied in der exklusiven Arbeitsgemeinschaft wissenschaftlicher Sortimentsbuchhandlungen AWS, der unter den 4000 Buchhandlungen bundesweit nur 60 Läden angehören.

    Generationen von FH-Studenten haben sich im berühmten Edelstahl-Gewölbe im Keller mit Büchern eingedeckt. Hinzu kommt, so berichtet Kaemmerling, dass es das eigentliche Stammpublikum, jenes Bildungsbürgertum, das an anspruchsvoller Literatur interessiert ist, kaum mehr gibt. Als er zu William Faulkners 100. Geburtstag 1997 einen ganzen Tisch mit dessen Werken aufstellte, verkaufte er nicht ein einziges Buch.

    Wenn am heutigen Samstag die Rückert-Buchhandlung öffnet, gibt es auf jedes Buch 30 Prozent Rabatt. Außerdem bietet Kaemmerling zusätzlich ab 10. April Stiche von historischen Schweinfurter Stadtansichten sowie wertvolle Bücher aus dem 17. bis frühen 20. Jahrhundert aus der Bibliothek Trebst an.

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