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Röthlein: Energie-Experte aus dem Landkreis Schweinfurt: "Wasserstoff ist zu einem Hype-Wort geworden"

Röthlein

Energie-Experte aus dem Landkreis Schweinfurt: "Wasserstoff ist zu einem Hype-Wort geworden"

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    Rainer Kleedörfer ist Prokurist beim Energieversorger N-Ergie in Nürnberg und berät Kommunen bei der Wärmewende und beim Wasserstoffausbau.
    Rainer Kleedörfer ist Prokurist beim Energieversorger N-Ergie in Nürnberg und berät Kommunen bei der Wärmewende und beim Wasserstoffausbau. Foto: Michael Enderleiner

    Wasserstoff gilt als ein zentraler Baustein im geplanten Umbau des Energiesystems hin zur klimafreundlichen Versorgung. Doch bis es so weit ist und Wasserstoff in Unterfranken großflächig zum Einsatz kommen kann, müssen noch einige Hürden genommen werden, sagt Energie-Experte Rainer Kleedörfer aus Röthlein (Lkr. Schweinfurt).

    Der gelernte Elektrotechniker und studierte Kaufmann arbeitet seit über 20 Jahren für die Nürnberger N-Ergie, einem der größten kommunalen Energieversorger Deutschlands. Kleedörfer ist fachlicher Sprecher für Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung in der Metropolregion Nürnberg sowie stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Energiekompetenzclusters ENERGIEregion.

    Wo er die Hürden sieht und welche Chancen er für Wasserstoff in der Region sieht, erklärt er im Interview.

    Frage: Herr Kleedörfer, wie heizen Sie bei sich zu Hause?

    Rainer Kleedörfer: Nachdem vor zwei Jahren meine alte Gas-Heizung kaputtgegangen ist, habe ich bei mir zu Hause zwei Photovoltaikanlagen samt modernster Gas-Brennwertheizung eingebaut. Das entsprach für mein Haus dem damaligen Stand der Technik.

    Also bislang noch ohne Wasserstoff?

    Kleedörfer: Den Einsatz von Wasserstoff im Bereich der Raumwärme und des Heizens in einzelnen Immobilien betrachte ich eher als schwierig. Es ist aber richtig, dass in Deutschland jedes zweite Gebäude am Erdgasnetz angeschlossen ist. Das heißt, dass die grundsätzliche Infrastruktur vorhanden wäre, um Wasserstoff dafür zu nutzen.

    Wasserstoff gilt als vielversprechender Energieträger der Zukunft. Warum setzen so viele ihre Hoffnung darauf?

    Kleedörfer: Wasserstoff polarisiert. In der Debatte gibt es derzeit zwei Fraktionen. Die einen sehen in ihm den Heilsbringer der Energiewende. Und die anderen bezeichnen ihn etwas despektierlich als Champagner der Energiewende.

    Zu welcher Fraktion gehören Sie?

    Kleedörfer: Die Wahrheit liegt wie immer irgendwo in der Mitte. Wasserstoff ist zu einem Hype-Wort geworden. Viele Menschen reden darüber, ohne die komplette Kette zu durchdenken. Man darf Wasserstoff in der Debatte um die Energie- und Wärmeversorgung aber nicht isoliert betrachten, sondern muss ihn in einem systematischen Ansatz sehen. Zweifelsohne hat Wasserstoff großes Potenzial bei der Energiewende und der Erreichung der Klimaschutzziele.

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    Aber?

    Kleedörfer: Die drei "Aber" ergeben sich aus der Frage der Machbarkeit, der Gesetzgebung und der Wirtschaftlichkeit. Wenn man diese Prüfkaskade abarbeitet, sieht man, dass man am Rechts- und Regulierungsrahmen deutlich nacharbeiten muss. Nur dann wird die Technologie eine Chance haben. Die technische Umsetzung halte ich für die geringste Hürde. Hier lohnt sich der Blick zu den Kollegen nach Haßfurt und Wunsiedel, die bei Wasserstoff Pionierarbeit geleistet haben.

    Kommt Wasserstoff überhaupt dafür infrage, um später einmal Wohnungen zu beheizen?

    Kleedörfer: Ja, das kommt infrage. Aber niemand wird einfach so eine Wasserstoffleitung nach Schweinfurt oder Würzburg bauen. Der Ausbau der Infrastruktur wird sich an den großen Verbrauchern orientieren. In Bayern liegen die Schwerpunkte hier an den großen Chemiestandorten Burghausen und Ingolstadt. Dazu kommen alle Orte, wo heute Gaskraftwerke stehen oder künftig neue gebaut werden, da diese perspektivisch einmal mit Wasserstoff betrieben werden müssen.

    Unterfränkische Städte kommen in ihrer Auflistung nicht vor.

    Kleedörfer: Man muss die großen Verbraucher wie eine Perlenkette auffädeln, um dann in einem nächsten Schritt die mittelgroßen Verbraucher – also Städte wie Würzburg, Bamberg, Schweinfurt –ausfindig zu machen. Erst im dritten Schritt werden wir die Frage beantworten können, ob wir einzelne Gebäude mit auffädeln. Wann und ob überhaupt Wasserstoff in die ländliche Peripherie kommt, kann derzeit niemand beantworten.

    Wo stehen wir derzeit beim Aufbau der Infrastruktur für Wasserstoff?

    Kleedörfer: Heute haben wir die Situation, dass viel Unverbindlichkeit auf dem Markt besteht. Wir stehen vor dem Henne-Ei-Problem. Niemand weiß derzeit, wie viel Wasserstoff die Unternehmen später verbindlich abnehmen wollen oder ob sie nicht vorher auf einen anderen Energieträger umstellen. Dadurch besteht ein hohes Investitionsrisiko für Infrastruktur-Ausbauer. Aber je länger man wartet, desto wahrscheinlicher ist es, dass die Industrie andere Wege geht.

    Also ist es derzeit eher unwahrscheinlich, dass Akteure bei uns auf Wasserstoff umstellen?

    Kleedörfer: In Deutschland haben wir in jedem Gebäude einen Stromanschluss. Deswegen ist die These durchaus richtig, dass große Teile der künftigen Energiebereitstellung in der Direktstromanwendung geschehen. Wasserstoff benötige ich überwiegend da, wo ich hohe Temperaturniveaus habe. Also Glas-, Stahl- oder Baustoffindustrie. In den anderen Industriebranchen kann man durchaus auf Strom umstellen.

    Was müsste also aus ihrer Sicht passieren?

    Kleedörfer: Wir müssen ins Handeln kommen und eine Kooperation der Willigen organisieren. Dazu gehören die Industrie, Kraftwerkstandorte, Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik. Erst wenn sich genügend Abnehmer dazu verpflichten würden, eine gewisse Menge Wasserstoff abzunehmen, wird derjenige, der die Infrastruktur bereitstellt, investieren. Die Industrie und Stadtwerke müssten also verbindliche Zusagen treffen, ob und wie viel Wasserstoff sie ab einem bestimmten Zeitpunkt abnehmen wollen.

    Die Landkreise Rhön-Grabfeld und Bad Kissingen wollen zusammen mit Unternehmen grünen Wasserstoff vor Ort herstellen. Wäre die lokale Herstellung eine Lösung?

    Kleedörfer: Diese kleinteiligen Lösungen sind zwar technisch möglich, werden aber vermutlich eine Insel bleiben. Natürlich kann man Windräder oder Photovoltaikanlagen bauen und den Strom dazu verwenden, um Wasserstoff zu erzeugen. Der Großteil der Erzeugung wird jedoch dort stattfinden, wo die Standortbedingungen am besten sind. Und das ist nicht Deutschland.

    Wie viel würde es denn derzeit kosten, Wasserstoff lokal herzustellen?

    Kleedörfer: Bei einem mittelgroßen Elektrolyseur plus Wasserstoffnetz, drei Windräder und Speicherung sprechen wir schnell von einer Investitionssumme von 50 Millionen Euro. Der Preis, der hier am Ende für die Kilowattstunde Wärme herauskäme, wäre deutlich höher, als der heutige Erdgas- und Heizölpreis. Ohne massivste Förderungen, kann das nicht wirtschaftlich sein.

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