Das kommt auch nicht alle Tage vor, dass ein Objekt bei der Zwangsversteigerung am Amtsgericht in Schweinfurt gleich im ersten Anlauf weggeht, wo noch relativ hohe Wertgrenzen gelten. Beim früheren Autohaus Engert in Gerolzhofen hat es jetzt auf Anhieb geklappt, einen Käufer für die im Paket angebotenen insgesamt vier Grundstücke zwischen Rügshöfer Straße, Östlicher Allee und Steingrabenstraße mit dem markanten Ausstellungspavillon zu finden. 350 000 Euro legte der aus der Branche kommende Bieter aus dem Landkreis Kitzingen dafür auf den Tisch.
Mehr wollte trotz ordentlichen Interesses auf den Zuhörerbänken des mittlerweile von der Friedenstraße ins Iduna-Haus am Jägersbrunnen umgezogenen Insolvenzgerichts niemand mehr bieten für das frühere Autohaus mit seiner Reparaturwerkstätte. So ging die aktuell so gut wie leer stehende Immobilie auch „zum Dritten“ an den Betreiber einer Kfz-Werkstatt in Laub. Er hatte sich dann auch gleich nach Eröffnung der halbstündigen Mindestbietzeit in Richtung Rechtspflegerin am Richterpult aufgemacht, um sein Angebot zu unterbreiten.
Bank drehte den Geldhahn zu
Ein Gutachter hatte den Verkehrswert für die vier bebauten Grundstücke mit einer Gesamtfläche von knapp 3000 Quadratmetern mit insgesamt 388 000 Euro ermittelt. Die Grundstücke waren im Herbst 2017 beschlagnahmt worden, um die Ansprüche der Bank als Hauptgläubigerin zu befriedigen und die Kosten für das Gerichtsverfahren zu decken. Die Bank hatte aufgrund der hohen Zahlungsrückstände, auf denen sie im Lauf der Zeit sitzengeblieben war, die Zwangsversteigerung beantragt.
Auf den Grundstücken lasten verschiedene Grunddienstbarkeiten sowie in einem Fall ein bestehendes Wohnrecht. Was zwei sogenannte im Grundbuch eingetragene Reallasten in Form von Rentenrechten anbelangt, so hatte der Ersteher deren Löschung für den Fall beantragt, dass er den Zuschlag erhalten sollte.
Der Ersteher muss auch in diesem Fall stets noch die Grunderwerbssteuer, die Notarkosten für die Eintragung als neuer Eigentümer ins Grundbuch und verschiedene Gebühren einkalkulieren. Das macht nochmals zwischen fünf und sieben Prozent des Höchstbargebotes aus. Der Zwangsverwalter hatte zudem ausdrücklich auf den erheblichen Sanierungsbedarf und Instandhaltungsstau des Objektes hingewiesen.
Die Pläne des neuen Besitzers
„Was wir genau daraus machen, weiß ich noch nicht“, so der neue Eigentümer Kristian Kienberger, der seinerzeit auch die Disko „Tenne“ in Altenschönbach ersteigert hatte. Auf jeden Fall soll es wieder „in die Richtung Autowerkstatt in dem Stil, was das Objekt einmal war“ gehen. Ob er diese dann selber betreibe oder vermiete, müsse sich noch zeigen. In Gerolzhofen mit seinem Einzugsgebiet sei auf jeden Fall „ein strategischer Werkstattmarkt da“, betont Kristian Kienberger.
Das Herbstfest will Kienberger schon einmal dazu nutzen, um den eigenen Werkstattbetrieb im ehemaligen Engert'schen Hof vorzustellen. Zugleich werde sein Vater Hans-Rainer – er wird auch gerne als Oldtimer-Papst bezeichnet – verschiedene seiner Oldtimer im Ausstellungs-Pavillon präsentieren. Erster Schritt bei der künftigen Nutzung der erworbenen Immobilie werde die Reaktivierung der zwei Mietwohnungen sein, so der Junior.
Engerts Auf- und Abstieg
Mit der Versteigerung der Grundstücke ist das Schicksal der Firma Engert & Söhne endgültig besiegelt. Der aus Alitzheim stammende Max Engert hatte hier 1936 gemeinsam mit Hans Zeller in dem früheren landwirtschaftlichen Anwesen schräg gegenüber der Friedhofskapelle die Firma „Engert und Zeller“ eröffnet. Die bestehende Scheune wurde zur Werkstatt umfunktioniert und eine Shell-Tankstelle angegliedert. In erster Linie wurden damals Motorräder der Marke NSU repariert und landwirtschaftliche Schlepper der Firma Hanomag vertrieben.
Lange als VW-Vertragswerkstätte bekannt
Nachdem sich Hans Zeller 1948 an der Frankenwinheimer Straße selbstständig gemacht hatte, führte Max Engert die Firma in der Rügshöfer Straße als alleiniger Inhaber weiter. Gleichzeitig errichtete er ein Shell-Großtanklager für Diesel und Heizöl im Bereich zwischen der Kolpingstraße und den Bahngleisen (heute befindet sich dort die Freie Tankstelle). Das Tanklager wurde Anfang der 1950er-Jahre von Ludwig van Eckert übernommen und weitergeführt. 1950 war es Max Engert zudem gelungen, dass sein Unternehmen als eines der ersten in Unterfranken den Zuschlag als Vertragswerkstatt von Volkswagen (VW) erhielt.
Nachdem 1957 der älteste Sohn Albert als Teilhaber in den Betrieb eingestiegen war, wurde 1959/1960 nach Abriss der alten Bausubstanz an gleicher Stelle ein neues Wohnhaus mit Ausstellungs- und Büroräumen, sowie Waschhallen und einer neuen Tankstelle errichtet.
1963 trat auch der zweitälteste Sohn Herbert in die Firma ein. Aus „Engert & Sohn“ wurden nun „Engert & Söhne“. Vater Max war für die Geschäftsführung zuständig, Albert für den Verkauf und Herbert für die Werkstatt mit Service.
1968 konnte das südlich in Richtung Steingrabenstraße liegende Anwesen zugekauft werden. Dort entstanden in der Folge eine Lackiererei sowie Sozial- und Aufenthaltsräume. Ein Jahr später schied Herbert Engert aus der Firma aus und gründete ein Kfz-Sachverständigenbüro in der Berliner Straße. Max Engert zog sich aus Altersgründen ebenfalls zurück. Alleiniger Inhaber war fortan Albert Engert, der es aber bei der Firmierung „Engert & Söhne“ beließ. 1990 erfolgte die Übergabe des Betriebs von Albert Engert an seinen Sohn Roland. Nun wurde auch das östlich angrenzende Anwesen an der Steingrabenstraße erworben.
In finanzielle Schieflage geraten
Seit 2008 gehörte Engert dem bundesweit agierenden Werkstattkonzept „1a autoservice“ an. Dadurch war aus dem VW-Autohaus eine Mehrmarkenwerkstatt für alle Fahrzeugtypen geworden. Unter anderem verursacht durch gravierende Veränderungen am Kfz-Markt, hervorgerufen insbesondere durch den Autohandel im Internet, geriet der Betrieb in finanzielle Schieflage. Am 1. August 2015 meldete die Firma Insolvenz an. Da sich kein Käufer fand, wurde der Betrieb schließlich vom eingesetzten Insolvenzverwalter geschlossen.