Regina und Simon Hirschberger, geboren in Stadtlauringen und getötet im Holocaust – wegen ihrer jüdischen Herkunft. An das Ehepaar erinnern jetzt zwei so genannte „Stolpersteine“, die am Mittwochmittag der Kölner Künstler Gunter Demnig vor dem ehemaligen Wohnhaus der Hirschbergers in der Kirchtorstraße verlegt hat. Sie sind die ersten im Landkreis Schweinfurt.
„Damit wollen wir uns nicht brüsten“, sagen Bürgermeister Friedel Heckenlauer und Initiator Ferdinand Freudinger unisono. Es gehe vielmehr um die Erinnerung, zu welchen Grausamkeiten Menschen fähig sind. Es sei ihm „ein Bedürfnis“ gewesen, die Steine verlegen zu lassen, sagt Freudinger, der sich mit der jüdischen Geschichte der Gemeinde beschäftigt und eine Ausstellung dazu im Rathaus plant.
Das Ehepaar Hirschberger sind die einzigen Bewohner Stadtlauringens, die im Holocaust ums Leben gekommen sind. 13 sind es aus dem Nachbarort Oberlauringen, wo es eine große jüdische Gemeinde gegeben hat und heute noch ein jüdischer Friedhof existiert. Dort sind allerdings nach Worten Heckenlauers derzeit keine Aktionen geplant.
Mit Blick auf Schonungen, wo der Einbau von „Stolpersteinen“ für acht ehemalige Einwohner gescheitert ist, verweist der Bürgermeister auf das Konfliktpotenzial, das eventuell bei Anwohnern existiert. Bei Doris Gauster ist das nicht der Fall: Sie bewohnt heute das Hirschberger-Haus und hält mit ihrer Digitalkamera fest, wie Demnig die beiden Betonwürfel mit den Messingschildern in den Gehsteig einzementiert. „Ich habe mit der Geschichte kein Problem“, sagt sie: „Wir haben das Haus auf redliche Weise erworben.“ Wie Gauster berichtet, hat ein Onkel der Hirschbergers, der in den USA lebte, nach dem Krieg das Haus gekauft.
Regina und Simon Ehepaar Hirschberger war es Ende der Dreißigerjahre gelungen, ihre drei Töchter – eine Vierte ist 1918 als Säugling gestorben und in Stadtlauringen beerdigt – zu Verwandten ins Ausland zu bringen. Ein Enkel war erst vor 14 Tagen in Stadtlauringen zu Besuch, um den Heimatort seiner Großeltern kennenzulernen, erzählt Bürgermeister Heckenlauer.
Doris Gauster besitzt ein zweiseitiges Papier, auf dem die Geschichte ihres Wohnhauses und damit auch der Familie Hirschberger aufgelistet ist. Demnach war Simon Hirschberger Stoffhändler und betrieb in der heutigen Kirchtorstraße ein Kurzwarengeschäft. Das Besondere: Er war einer der Ersten, die im Ort ein Auto besaßen. Einen BMW Dixi 3/15 mit 15 PS. Der wurde nach den Geschäftsfahrten im Hausflur geparkt: auf einer Eisenplatte, die dann zur Seite geschoben worden ist, um Platz für einen ungehinderten Durchgang zu schaffen.
„Die Hirschbergers besaßen auch ein Haus in Oberlauringen, wo sie den Sabbat verbrachten“, erklärt Freudinger. Denn gläubige Juden durften am wöchentlichen Feiertag keine Arbeiten verrichten und auch keine großen Strecken zurücklegen.
Als „Stolperstein“-Erfinder Demnig längst auf dem Weg nach Coburg zum nächsten Auftrag ist, verharrt das Grüpplein vor Gausters Haus und unterhält sich über Stadtlauringens Vergangenheit. Heckenlauer berichtet von einem Referat, das seine Tochter über das Judentum gehalten hat und daher Thema zuhause geworden ist. Freudinger erinnert an Anekdoten und kaum erzählte Geschichten aus der Historie: Etwa dass eine Familie zwei Jahre lang ein jüdisches Mädchen aus Mainz versteckt gehalten hat. „Das sollten sie aufschreiben, um es der Nachwelt zu erhalten“, schlägt Elisabeth Böhrer vor, die ebenfalls über jüdische Geschichte forscht. „Ich werd's mir überlegen“, sagt Freudinger.