Der erste Raum in der großen Helmut-Pfeuffer-Retrospektive mit dem Titel „Pathos und Verwandlung“ ist seinen Frauen-Bildern gewidmet. Wir sind im Jahr 1975. Der gebürtige Schweinfurter Pfeuffer ist 42 Jahre alt und erfüllt sich nach Jahren in München einen großen Wunsch: zusammen mit seiner Frau zieht er wieder aufs Land, sucht die Nähe zur Natur. Kurator Erich Schneider schreibt in seinem Katalogtext zum Thema „Frauen“, dass sich Pfeuffer in dieser Zeit fast ganz von den biblischen, literarischen und gesellschaftskritischen Themen löst und zu den Aufgaben vordringt, die sich die Malerei stets neu gestellt hat. Der weibliche Akt ist so ein Urthema in der bildenden Kunst.
Schneider hat vier großformatige Gemälde an die Stirnwand gehängt. Wir sehen eine nackte Frau mit dunklen Haaren in unterschiedlichen Positionen. Sie scheint sehr vertraut zu sein mit dem Mann, der sie malt. Sie zeigt sich ihm und uns in den intimsten Momenten: erregt vor einem Spiegel hockend, hingestreckt auf einem Sofa, die Beine lässig über die Lehne gehängt oder auf dem Bett liegend, die Beine weit geöffnet, aber nicht im erregten, sondern offensichtlich in jenem erschöpft-entspannten Zustand nach dem Liebesakt.
Im vierten Gemälde kippt die Stimmung. Die „Frau im Sessel“ sitzt nicht, wie der Titel vermuten lässt. Wie hingeworfen liegt ihr nackter Leib über der Lehne. Die Beine sind seltsam verrenkt, die Füße stecken in hochhackigen Pumps. Blutrote Streifen laufen über Rücken und Arme. Der monochrome Hintergrund gibt keinen Hinweis auf das, was dieser Frau vielleicht geschehen ist. Wir, die Betrachter, erzählen die Geschichte zu Ende, die von höchster Ekstase oder tiefster Erniedrigung handeln kann.
Gegenüber, am prominentesten Platz dieser Ausstellung, hängt eine Version der Serie „Frau am Fenster“. Ein wunderbarer Akt und gleichzeitig die Ankündigung der mit großem Pinsel inszenierten „Körper-Landschaften“, die ab den 1980er-Jahren entstanden. Schulterpartie und Kopf der Frau scheinen mit der Landschaft vor dem Fenster zu verschmelzen. Die blauen Linien auf ihrem Rücken fließen über die Haare auf den kleinen Hügel mit dem Wäldchen.
Im sechsten Bild in diesem Raum zeigt uns Helmut Pfeuffer einen ganz anderen Aspekt. 1976 malte er eine „Zornige Frau“. Das Zeitungsfoto einer Frau in einem Gerichtssaal hatte ihm den Anstoß gegeben. Pfeuffer ging freilich einen Schritt weiter, porträtierte nicht diese Frau, sondern gab dem „Zorn“ ein Gesicht. Wütend scheint die Frau aus dem Bild zu stürmen, das Kinn hat sie hochgereckt, die Lippen geschürzt, ihr Blick ist starr. Die sprichwörtliche Zornesröte hat Pfeuffer der Jacke verpasst. Sie dominiert dieses Gemälde, ist so groß, dass sie aus dem Bildrand hinauszuragen scheint. Oder zerrt da von außen jemand an dieser Frau?
In dieser Ausstellung können kunsthistorisch interessierte Besucher viele Bezüge finden (die Katalogtexte bieten dazu Hinweise), aber das spannendste an Helmut Pfeuffer ist das, was er nicht ausspricht, sondern nur andeutet.
Helmut Pfeuffer: „Pathos und Verwandlung“, Retrospektive auf 50 Jahre Malerei, Kunsthalle, bis 22. Februar.