Es ist gegen 18.30 Uhr am Europawahlabend in Schweinfurt, die Hochrechnungen sind längst bekannt, das Debakel für die Sozialdemokratie, der Absturz auf bundesweit nur noch 15,5 Prozent und der Verlust der Macht nach über 70 Jahren im Bundesland Bremen. Die Gaststätte Piran in der Schweinfurter Innenstadt füllt sich langsam mit Sozialdemokraten, die Mienen sind ernst, die Stimmung gedrückt. "Wir haben sicher schon lustigere Abende erlebt", sagt Kathi Petersen trocken. Die frühere Landtagsabgeordnete der SPD in München weiß am besten, dass lustige Wahlabende für die SPD selten geworden sind: Sie verlor im Oktober ihr Mandat, als die SPD in Bayern abstürzte.

Als die SPD-Parteichefin Andrea Nahles in Berlin vor die Presse tritt und die Niederlage eingesteht, starren alle konzentriert auf den kleinen Laptop-Bildschirm, offensichtliches Missfallen über die Worte der Vorsitzenden gibt es nicht. Später, als nach 19 Uhr die Europaabgeordnete Kerstin Westphal kommt, gibt es aufmunternden Applaus. Westphal ist eine der elf sozialdemokratischen Abgeordneten, die ab 1. Juli nicht mehr in Brüssel im Parlament sind. Nur noch 16 Abgeordnete stellt man, während die Grünen 21 haben.

Die Grünen sind das große Thema an diesem Abend der bitteren Wählerwahrheiten. "Ja", sagt Westphal enttäuscht, "wir haben ein Problem, unsere Politik zu verkaufen." Es sei nicht gelungen, die Vorteile, die man auch in Schweinfurt sieht wie die Förderung vieler Bauprojekte durch europäische Gelder, den Wählern zu vermitteln. "Junge Menschen glauben uns nicht", hat Westphal festgestellt. Auch die stellvertretende SPD-Landesvorsitzende Marietta Eder ist zugegen, die Enttäuschung ihr anzusehen. Gründe für den Wahlausgang zu benennen, fällt schwer: "Es fehlt an Klarheit", stellt sie grundsätzlich fest.

Die Grünen können ihr Glück kaum fassen. Im Sitzungssaal im Rathaus, ansonsten mit gut 25 Personen für einen Wahlabend spärlich gefüllt, sitzt die Stadtrats-Fraktion mit Ayfer Rethschulte, Reginhard von Hirschhausen und Thomas Schmitt. Sie strahlen zufrieden. "Es war tatsächlich eine Klimawahl und das motiviert uns jetzt auch für die Kommunalwahl", sagt Ayfer Rethschulte.
Reginhard von Hirschhausen pflichtet ihr bei, "die Jugend hat verstanden, dass es nicht mehr fünf vor zwölf sondern zwölf Uhr ist", freut er sich über die auch in Schweinfurt ausgeprägte Fridays-for-Future-Kampagne, die möglicherweise bei Eltern und Großeltern ein Umdenken bewegt hat. Für Thomas Schmitt ist klar, dass die Grünen mit ihrem OB-Kandidaten Holger Laschka 2020 bei der OB-Wahl voll auf Klimaschutz, ÖPNV-Konzepte, aber auch auf Integration setzen werden.

Gegen 20 Uhr teilt Ordnungsreferent Jan von Lackum im Rathaus mit, dass alle Wahlbezirke ausgezählt sind. Im Landratsamt gehen da noch Meldungen ein, doch die Tendenz des Abends ist in Stadt und Land gleich: Die CSU hat in etwa ihr Ergebnis von 2014 gehalten, kommt in der Stadt auf 35,53 Prozent und im Landkreis auf 46,17. Zweistellig sind die Verluste der SPD, in der Stadt wählten nur noch 13,96 Prozent Rot, im Landkreis 9,53. Die größten Gewinner sind jeweils die Grünen: 16,79 Prozent in Schweinfurt, 15,11 im Landkreis.
Der Stimmenanteil der AfD wuchs in Stadt und Landkreis gegenüber der Wahl 2014, liegt aber knapp unter den Ergebnissen der Landtagswahl.