Seit zwei Jahren suchen Andrea und Jörg Ulsenheimer einen Fahrlehrer zur Unterstützung ihres sechsköpfigen Teams in der Schweinfurter Traditionsfahrschule. Stellenanzeigen beim Arbeitsamt, in der Zeitung, auf der Homepage – "alles hat nichts gebracht". Jetzt ist ein Kollege erkrankt, ein weiterer hat gekündigt und die Fahrschulbesitzer treten nun auf die Bremse: Sie schließen zum Jahresende ihre Zweigstellen in Niederwerrn und Schwebheim, wollen sich künftig nur noch auf ihre Hauptgeschäftsstelle in Schweinfurt konzentrieren.
So wie Ulsenheimer geht es vielen Fahrschulen. Sie suchen Fahrlehrer, doch es gibt immer weniger von ihnen. Laut der Bundesarbeitsgemeinschaft der Fahrlehrerausbildungsstätten gibt es nur noch rund 9000 Fahrlehrer in Bayern, 1200 weniger als noch vor zehn Jahren. In der Branche herrscht Konkurrenzkampf. Ulsenheimer weiß von Fahrschulen in anderen Städten, die sich gegenseitig die Fahrlehrer abwerben – "mit zwei Monatslöhnen im voraus". Und die Situation droht sich noch zu verschärfen. Denn die Branche ist überaltert, es fehlt der Nachwuchs. Aber warum?

"Es liegt an den Arbeitszeiten", glaubt Andrea Ulsenheimer. Sechs-Tage-Woche und Fahrstunden bis spät in den Abend hinein, das schrecke ab. Durch den Nachmittagsunterricht an den Schulen verlagerten sich die Fahrstunden immer weiter nach hinten. "Bis 21 Uhr geht bei uns ein ganz normaler Arbeitstag." Und dann kommen noch die Nachtfahrten hinzu, "da ist dann erst um 23 Uhr Schluss".
Bis vor wenigen Jahren hat die Bundeswehr noch jede Menge Fahrlehrer auf den Markt geschwemmt. Doch seit sich die Armee fast vollständig aus der Ausbildung zurückgezogen hat, ist auch hier Ebbe. Weil Fahrlehrer kein anerkannter Ausbildungsberuf ist, kann Nachwuchs nicht an Schulen rekrutiert werden. Man muss vorher eine andere Lehre gemacht haben und mindestens 21 Jahre alt sein. Erst dann kann man in die Lehrgänge starten – das dauert ein Jahr und kostet bis zu 12 000 Euro. "20 Prozent brechen die Ausbildung wieder ab", weiß Jörg Ulsenheimer.
"Fahrlehrer ist nicht der attraktivste Beruf."
Jörg Ulsenheimer, Fahrschulbesitzer
Der Schweinfurter Fahrschulbesitzer sieht aber noch einen anderen Grund für den Fachkräftemangel: "Fahrlehrer ist nicht der attraktivste Beruf." Bei einem Stundenlohn zwischen elf und 14 Euro, immer schwierigeren Fahrschülern und "Helikoptereltern" im Hintergrund sei das Unterrichten am Steuer eine "wahnsinnig hohe nervliche Belastung". Das halten viele nicht aus. Ein Drittel aller Fahrlehrer würde hinschmeißen und in den alten Job zurückgehen, so Ulsenheimer.
Und das in einer Zeit, wo es bei den Fahrschulen boomt. Die Fahrschüler stehen nämlich Schlange. "In manchen Fahrschulen müssen die Schüler bis zu sechs Wochen auf die erste Fahrstunde warten", weiß Andrea Ulsenheimer.
Überforderung und Verständigungsprobleme
Der Boom hängt auch mit den vielen "Umschreibern" zusammen. Bei Nicht-EU-Bürgern, die in großer Zahl auch in dieser Region leben, verliert die ausländische Fahrerlaubnis nach einem halben Jahr ihre Gültigkeit. In der Regel muss dann eine praktische Prüfung abgelegt werden, die Vorbereitung erfolgt in der Fahrschule. Und da erlebt Ulsenheimer mitunter "Abenteuerliches". Viele seien überfordert mit der komplexen Technik im Auto und den komplexen Verkehrsverhältnissen auf unseren Straße. Dass man eine durchgezogene Linie nicht überfahren darf, das wisse nicht jeder. Und das "links-rechts-links"-Schauen vor dem Überqueren einer Straße werde auch nicht immer befolgt. "Da fliegen die meisten schon durch, wenn sie beim TÜV aus dem Hof fahren", erzählt Ulsenheimer. Hinzu kommen die Verständigungsschwierigkeiten. Im Fahrunterricht wird Englisch gesprochen, in der Prüfung Deutsch. Der TÜV gibt inzwischen eine Liste mit den wichtigsten Begriffen heraus, die vor der Prüfung gelernt werden müssen: Lenker, Blinker, Rückwärtsgang, Vorwärtsgang, Außenspiegel, Innenspiegel ...
Die Durchfallquote ist trotzdem hoch, "auch weil die Konzentration für 45 Minuten Autofahren fehlt", resümiert Ulsenheimer. Doch nicht nur die ausländischen Fahrschüler haben Probleme, einheimischen Jugendlichen geht es ähnlich. Sie können schon ab 16 Jahren für begleitetes Fahren den Führerschein erwerben. "Die sind noch voll in der Pubertät", sagt Andrea Ulsenheimer. Da fehle es nicht nur an Konzentration, sondern auch an Disziplin und Zuverlässigkeit. "30 Prozent meiner Fahrschüler verpennen ihre Fahrstunde", schimpft Ulsenheimer. Das ärgert ihn. Ebenso, dass Eltern sein Angebot kaum nutzen, in einer Fahrstunde mitzufahren, um zu sehen wie die Ausbildung läuft.
"Wir haben heute mehr Fahrschüler, die sich schwerer tun, und weniger Fahrlehrer, die dem Druck standhalten." Ulsenheimer zieht daraus die Konsequenz und verkleinert seinen Betrieb. "Nur so können wir weiterhin eine individuelle Betreuung und qualitative Ausbildung unserer Schüler garantieren."