Damit, dass in Deutschland nur zwei Tage nach der TV-Prunksitzung "Fastnacht in Franken" ein neuer Bundestag gewählt wird, hat Peter Kuhn kein Problem: "Ich schreibe meine Rede nicht fürs Fernsehen, sondern für die Bütt der Schwarzen Elf in Schweinfurt." So wird er auch in diesem Jahr seine Worte bereits 20 Mal öffentlich vorgetragen haben, bevor sie dann in der Kultsendung des BR am 21. Februar millionenfach deutsche Wohnzimmer erreichen.
Peter Kuhn, 62 Jahre alt, belesen, sympathisch, sitzt vor einer deckenhohen Wand voller Bücher und DVDs in seinem Haus in Niederwerrn im Landkreis Schweinfurt. In den Regalen stapelt sich komische Unterhaltungskunst in sämtlichen Facetten.
Die Tage nach der Bundestagswahl werden herausfordernd
Frankens wohl bekanntester politischer Büttenredner sagt: "Eine Herausforderung werden die Auftritte in den Tagen nach der Wahl." Wird er all die scharfzüngig gereimten Verse, die raffinierten Worthäppchen, mit denen er Jahr für Jahr das politische Geschehen in Deutschland satirisch filetiert, nach dem 23. Februar umschreiben müssen? "Nur, wenn die Welt zusammenbricht und die AfD den Kanzler stellt. Das hoffe ich nicht."
Jedenfalls hat "noch nie" in den 35 Jahren, in denen er beim Fasching auf der Bühne steht, eine Wahl mitten in der Session stattgefunden, sagt Kuhn.
33. Auftritt von Peter Kuhn bei "Fastnacht in Franken"
Bei der Fernseh-Livesendung aus Veitshöchheim (Lkr. Würzburg) hat Kuhn in diesem Jahr seinen 33. Auftritt. Als Modedesigner im Stil eines Harald Glööckler will er die Garderobe der Kanzlerkandidaten auf ihre politische Tragbarkeit testen.

Wie üblich wird er das nach Peter-Kuhn-Art tun: mit politischem Scharfsinn, humoristischer Leichtigkeit und moralisch tiefgründig. Manchmal hintersinnig-spöttelnd wie sein Idol Heinz Erhardt, manchmal väterlich-wichtigtuerisch wie Hardy von "Dick und Doof", manchmal philosophisch wie Kapitän Jean-Luc Picard aus dem Raumschiff USS Enterprise, den der Schweinfurter Büttenredner so schätzt. Gerne auch ein bisschen verrückt wie die Scheibenwelt der Fantasy-Romane von Terry Pratchett, die die Regale in Kuhns Arbeitszimmer füllen.
In seinen Büttenreden sind stets Humor und Ernsthaftigkeit ineinander verflochten. Eine gereimte Satire, bissig, doppeldeutig, pointiert - keine Comedy und das Gegenteil von Humba-Täterä.
Im vergangenen Jahr machte Kuhn in seiner Rolle als Richter die Zuschauerinnen und Zuschauer von unabhängigen Schöffen zu Nebenklägern und schließlich zu Mitangeklagten. Erst durch ihr Wahlverhalten hätten sie politische Fehlentscheidungen überhaupt möglich gemacht.
Bei "Fastnacht in Franken" zehn Minuten Redezeit vor einem Millionenpublikum
Am 21. Februar wird in Veitshöchheim wieder "die Masse an Großkopferten sitzen", die zwar seine politischen Anspielungen oft besser verstehen, aber "nicht so reagieren wie ein normales Publikum", sagt Kuhn. Aus Angst, von der Kamera an der falschen Stelle eingeblendet zu werden.
Zehn Minuten Redezeit wird Kuhn haben. Nicht mehr, nicht weniger. Requisiten? "Brauche ich nicht." Auftritte fürs Fernsehen kürzen? Über Inhalte diskutieren gerade jetzt, so kurz vor der Wahl? Nicht mit ihm: "Ich trete mit meiner Rede für die Schwarze Elf in die Bütt. Was das Fernsehen drumherum macht, interessiert mich nicht."
"Ich trete mit meiner Rede für die Schwarze Elf in die Bütt. Was das Fernsehen drumherum macht, interessiert mich nicht."
Peter Kuhn, politischer Büttenredner aus Schweinfurt
Kuhn, der seit 1989 in einer Jugendhilfeeinrichtung in Schweinfurt arbeitet, ist zu gelassen, um sich zu verbiegen. Ein Korb in seinem Arbeitszimmer quillt über mit Auszeichnungen und Orden. Am meisten freue er sich immer noch über den "Narrenbrunnenpreis" der Narrengilde Ettlingen. Diesen "Oscar" des Karnevals erhielt er als 46. Preisträger an seinem 46. Geburtstag verliehen.
In dieser Session hat Kuhn 33 Auftritte, darunter in Mainz, Wiesbaden oder Karlsruhe. Mittlerweile ist er mit Fastnachtsikone Margit Sponheimer per du und kann das selbst noch nicht so ganz fassen.
Peter Kuhn: "Mittlerweile habe ich gelernt, mir zu vertrauen"
"Die große Kunst" für ihn werde sein, den richtigen Zeitpunkt fürs Aufhören zu erwischen, meint der 62-Jährige. Wenn er es schaffe, "noch 11 Jahre das Niveau zu halten", mache er weiter. Und wenn's auch nur einmal daneben gehe, höre er auf.
Manchmal feile er noch am Nachmittag vor seinem abendlichen Auftritt am Text, erzählt der Routinier. Nervös mache ihn das nicht. "Mittlerweile habe ich gelernt, mir zu vertrauen."
Und wenn er etwas bei der Fastnacht verändern könnte? Kuhn sagt: "Ich bin Traditionalist." Dabei gehe es ihm nicht um "das Bewahren der Asche", sondern um "das Erhalten der Flamme". Der 62-Jährige redet sich ein bisschen in Fahrt und erzählt vom Gonzenheimer Karnevalsverein. Dort gebe es heuer eine Prunksitzung mit einem von Frauen geschriebenen Programm und nur mit Frauen auf der Bühne. "Warum eigentlich nicht?"
In der Bütt Vorbild für den Fastnachtsnachwuchs
Schließlich geht es Peter Kuhn vor allem um eines: "Junge Leute zu finden, die für die Sache genauso brennen und die Flamme der Fastnacht weitertragen." Ludwig Paul, Sitzungspräsident der Schwarzen Elf, sagt über ihn jedenfalls: "In der Bütt ist er brillant und er ist ein Vorbild für junge Leute, denn er hat ein starkes Wertefundament."
Und Kuhn verstehe Spaß, wenn er ihn wieder einmal ärgere: "Peter, jetzt hast du so eine schöne Rede gemacht, wenn sie noch lustig wäre, wäre sie nicht schlecht."