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Schweinfurt: Fehler in der Corona-Krise in Schweinfurt? Das sagt das Gesundheitsamt

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Fehler in der Corona-Krise in Schweinfurt? Das sagt das Gesundheitsamt

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    Eingang zum Gesundheitsamt Schweinfurt am Hainig.
    Eingang zum Gesundheitsamt Schweinfurt am Hainig. Foto: Martina Müller

    Die Frage, warum die Corona-Inzidenz in Schweinfurt in den vergangenen Wochen so sehr geschwankt hat und wo die Ursachen zu finden sind, beschäftigt die Bevölkerung. Im Gespräch erläutert der kommissarische Leiter des Gesundheitsamtes, Matthias Gehrig, seine Sicht der Dinge.

    Herr Gehrig, welche Auswirkungen hatten die verzögert gemeldeten Fallzahlen im April, die zu einer wochenlang zu niedrig bemessenen Inzidenz führten?

    Matthias Gehrig: Im Nachhinein haben wir aufgrund einer Liste, die beim RKI aufgetaucht ist, festgestellt, dass die Stadt Schweinfurt durchaus sieben bis zehn Tage früher in den Bereich über 300 gekommen wäre und der Landkreis über 200. Was für die Bevölkerung per se keine Auswirkungen gehabt hätte. Es hätten keine Geschäfte schließen müssen, die waren ohnehin schon zu, es herrschte ja schon der höchste Grad der Beschränkung. Ab einer Inzidenz von 100 galt außerdem eine nächtliche Ausgangssperre. Was keine größere Verschlechterung gegenüber vorher darstellte, weil auch bei den tatsächlich vom RKI veröffentlichten und rechtswirksamen Inzidenzwerten sowieso schon das Kredo galt: Möglichst viele persönliche Kontakte zu vermeiden. Ein Hausstand durfte sich nur mit einer weiteren Person treffen. Für die Bevölkerung gab es keinen nennenswerten Unterschied in den nachgemeldeten Zahlen.

    "Im Stadtgebiet Schweinfurt sind hauptsächlich eng bebaute Wohngebiete mit großen Wohnblocks betroffen."

    Matthias Gehrig, kommissarischer Leiter des Schweinfurter Gesundheitsamtes

    Über die Corona-Lage in Schweinfurt gab der kommissarische Leiter des Schweinfurter Gesundheitsamtes, Matthias Gehrig, Auskunft.
    Über die Corona-Lage in Schweinfurt gab der kommissarische Leiter des Schweinfurter Gesundheitsamtes, Matthias Gehrig, Auskunft. Foto: Anand Anders

    Sehen Sie ein grundsätzliches Problem in der Sieben-Tage-Inzidenz als Gradmesser?

    Gehrig: Die Inzidenzberechnung für die Stadt Schweinfurt unterliegt naturgemäß größeren Schwankungen, begründet in der relativ geringen Einwohnerzahl. Die Inzidenz ist eine mathematische Berechnung der Fälle der letzten sieben Tage. In Schweinfurt macht ein zusätzlicher positiver Fall gleich zwei Inzidenzpunkte mehr aus. Im Landkreis dagegen nur 0,9, aufgrund der größeren Einwohnerzahl. In einer Großstadt mit beispielsweise einer Million Einwohnern entsprechen erst zehn neue Fälle dem Anstieg um einen Punkt in der Inzidenz. Deshalb schwankt die Inzidenz auch immer so stark in Schweinfurt. Natürlich brauchen wir einen Richtwert, um Maßnahmen ergreifen zu können. Leider hat man sich für Berechnungen entschieden, die ländliche Gegebenheiten oder städtische Enge nicht berücksichtigen. Denn es macht für die Kontaktbeschränkung schon einen Unterschied, ob der nächste Nachbar einen Kilometer oder nur zwei Meter entfernt von mir wohnt.

    Mal abgesehen von der Inzidenzberechnung. Wo kommen die Infektionen in der Region her?

    Gehrig: Das darf ich Ihnen im Detail aus Datenschutzgründen nicht zeigen. Wir können das aber sehr genau in unseren Software-Grafiken feststellen, bis hin zur Hausnummer. Im Stadtgebiet Schweinfurt sind hauptsächlich eng bebaute Wohngebiete mit großen Wohnblocks betroffen. Weniger Fälle gibt es etwa in Einfamilienhäusern und in Villenvierteln. In größeren Häusern können sich Infizierte einfach besser separieren, was die Infektion der restlichen Familie unwahrscheinlicher macht. Dort kann eine Verbreitung der Infektion zumindest besser vermieden werden als in einer 60 Quadratmeter-Wohnung, in der vier bis fünf Personen leben. Im Vergleich zur ersten Welle haben wir zudem das Problem, dass die Virusmutationen infektiöser sind. Deshalb beobachten wir schon häufig, dass ein positiver Fall zu einer hundertprozentigen Erkrankung aller Familienmitglieder führt.

    "Im öffentlichen Leben muss man derzeit damit rechnen, dass Mitmenschen auch unerkannt corona-positiv sind."

    Matthias Gehrig, kommissarischer Leiter des Schweinfurter Gesundheitsamtes

    Könnte man mit mehr Kontrollen verhindern, dass sich Infektionen im häuslichen Bereich weiter ausbreiten?

    Gehrig: Das Ordnungsamt hat nur einen begrenzten Rahmen der Kontrollmöglichkeit, sprich nur dort, wo etwas außerhalb von Gebäuden passiert. Was innerhalb eines Hochhauses mit zehn Stockwerken passiert, ist nur dann kontrollierbar, wenn sich etwa ein Nachbar beschwert. Nur dann könnten Ordnungsamt oder Polizei verhindern, dass sich mehr Menschen als erlaubt zusammenfinden. Für uns ist es ansonsten nicht nachvollziehbar, ob sich hinter verschlossenen Türen das erste mit dem zweiten Stockwerk trifft und eine Feier veranstaltet. Das ist auch der Grund, warum sich die Infektionen weiter verbreiten.

    Könnte man das Umfeld von Infizierten, also beispielsweise Nachbarn, nicht noch besser schützen?

    Gehrig: Aus medizinrechtlichen und datenschutzrechtlichen Gründen geht es natürlich nicht, den Bewohnern eines Häuserblocks zu sagen: Im fünften Stock, Tür rechts, ist ein positiver Fall. Außerdem muss sich jeder Bürger auch selbstverantwortlich vor Gefahren, in diesem Fall vor einer Ansteckung, schützen. Im öffentlichen Leben muss man derzeit damit rechnen, dass Mitmenschen auch unerkannt corona-positiv sind, dementsprechend muss man sich verhalten. Bundesregierung und Kommunen müssten nicht auf diverse Einschränkungen zurückgreifen, wenn die Bürger freiwillig zuhause blieben und Kontakte vermeiden würden.

    "Aktuell haben wir dort keine großen Ausbruchsgeschehen."

    Matthias Gehrig, kommissarischer Leiter des Schweinfurter Gesundheitsamtes

    Können Sie größere Ausbrüche in wirtschaftlichen Betrieben ausschließen?

    Gehrig: Aktuell haben wir dort keine großen Ausbruchsgeschehen. Auch bei der viel zitierten Müllabfuhr in Schweinfurt gab es keinen Hotspot. Die meisten Fälle sind nicht auf der Arbeit entstanden, das Gros der Fälle kam von außen. So kam die Ballung der Fälle im Servicebetrieb zufällig zustande. Auch unter den Mitarbeitenden des Landratsamts hatten wir schon vereinzelt Fälle, deshalb ist das Landratsamt aber noch lange kein Hotspot, vor allem, da uns bislang kein Fall vorliegt, in dem sich Personen nachweislich im Landratsamt infiziert hätten. Von einem, korrekt ausgedrückt, Ausbruchsgeschehen sprechen wir grundsätzlich, wenn Infektionen beispielsweise in einem Altenheim, in einem Betrieb oder in einer Stadtverwaltung weitergegeben werden. Also wenn man einen klaren Index benennen kann, von dem das Ausbruchsgeschehen ausgeht. Dies ist derzeit aber in keinem Betrieb bekannt und so war es auch nicht im Schweinfurter Servicebetrieb.

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